Französischer Chassepot Yatagan M/1866 aptiert für die preußische Jägerbüchse M/1865


Geschichte


Der Krieg 1870/71 war zu Ende, die deutschen Siegerstaaten traten gestärkt aus dem Krieg hervor, es wurde das deutsche Kaiserreich gegründet und es standen den deutschen Armeen durch die siegreichen Feldzüge eine beachtliche Menge an französischen Waffen und Ausrüstung zur Verfügung.

Der Bestand umfasste französische Waffen aller Garnitur und Truppenteile.

So fanden sich neben den schon damals veralteten perkussionierten Steinschlossgewehren, Kavallerie Pistolen M/1822 oder dem Tabatiére Gewehren mit Haubajonetten auch die modernen Chassepot Gewehre M/1866 mit dem zugehörigen Yataganen.

Diese modernen Waffen wurden unter den Siegerstaaten aufgeteilt und sofort einer weiteren militärischen Verwendung zugeführt. Meist wurden die Chassepot Zündnadelgewehre direkt an Landwehr oder Reservetruppenteile abgegeben, welche mit dieser „neuen“ Bewaffnung einen wahren Modernitätssprung vollzogen. Waren die meisten dieser Truppenteile bis dahin zum großen Teil noch mit Vorderladermusketen ausgerüstet.

Bei den so weiter verwendeten Waffen verblieben die Gewehre und Bajonette im originalen Zustand.

Ein weiterer Teil des Bestandes an Chassepot Gewehren, Karabinern und Yatagangen wurde an die Artilleriedepots gegeben und dort als Kriegsreserve bereitgehalten.

Bei dieser Maßnahme (wie auch bei der Abgabe an Reservetruppenteile) hat der Chassepot Yatagan seine erste deutsche Aptierung erlebt.

Nämlich wurde in diesem Fall die rechteckige französische Trageöse gegen einen Tragehaken getauscht. Meist findet man heute den Haken nach preußischem Muster (langoval nach dem Muster des Seitengewehrs 71). Wurde der Yatagan weiter mit einem Chassepotgewehr verwendet oder eingelagert, blieb das vorerst die einzige Aptierung die vorgenommen wurde.

Diese Arbeiten geschahen direkt nach dem Krieg und wurden zeitnah mit der Einlagerung der Waffen durchgeführt.

Zwei Jahre nach dem siegreichen Krieg, bestanden weiterhin außenpolitische Spannungen zu Frankreich weshalb Preußen und seine Verbündeten wachsam und gerüstet bleiben mussten. Diese Spannungen führten 1873 zur ersten wirklichen Aptierung vorhandener Chassepot Yatagane, welche für die Füsiliergewehre M/1860 und Jägergewehre M/1865 eingerichtet werden sollten.

Die Aptierung für die Jägerbüchse M/1865 war im Vergleich zu den späteren Umarbeitungen für Gewehre 71, 71/84 und 88 die aus der Anfangszeit des 1. Weltkrieges bekannt sind, wesentlich komplizierter. Diese späten Arbeiten wurden meist grob aufgeführt, sie mussten hauptsächlich zweckdienlich und dabei ohne große Mühen und Zeitaufwand durchführbar sein. Dabei kam es weniger auf exakte Arbeit an, wie man sie bei der Umarbeitung für die Jägerbüchse M/1865 findet.

Bei der Aptierung zur Jägerbüchse M/1865 musste zunächst der Mündungsring geweitet werden, da der Lauf bei der Zündnadelbüchse einen erheblich größeren Durchmesser besaß als der Lauf des französischen Chassepot Gewehres.

Um den Ring zu weiten musste die Stellschraube des Mündungsrings entfernt und dieser dann geweitet werden. An der ehemaligen Verbindungsstelle entstand durch diese Weitung eine 1cm breite Lücke.

Diese wurde mit einem eisernen Platzhalter geschlossen und vernietet und der Mündungsring wurde so auf die gewünschte Weite (ca. 22mm) gebracht. Die Parierstange war somit zum Aufpflanzen auf die Jägerbüchse M/1865 eingerichtet.

Die weiteren Arbeiten betrafen das Gefäß. Dieses musste im Ganzen ca. 1cm länger gemacht werden. Dies war deshalb nötig da der Abstand von der Bajonettwarze zur Mündung bei der Jägerbüchse M/1865 größer war als beim französischen Chassepot Gewehr M/1866.

Um die Länge auszugleichen und ein Aufpflanzen zu ermöglichen, wurde ein 1cm breites Messingband am Griff-Fuß eingesetzt, dazu musste natürlich der originale Messinggriff demontiert werden. Dieses Band bildete nach der Montage des alten Griffes den neuen Griff-Fuß.

Durch den jetzt 1cm längeren Griff mussten auch die Klingenangel (Spitzangel) entsprechend länger geschmiedet werden um komplett durch den Griff zu reichen und im Nietloch am Griffkopf vernietet werden zu können.

Gleichzeitig mussten neue Bohrungen für die Quervernieten angebracht werden da durch den versetzten originalen Griff die alten Löcher in der Angel nicht mehr Deckungsgleich mit dem Löchern im Messinggefäß waren. Waren alle diese Schritte durchgeführt, konnte das alte Gefäß montiert und die Angel neu vernietet werden. Der Griff war nun im Ganzen um einen Zentimeter verlängert.

Als letzter Schritt musste der gesamte Griffrücken durch abschleifen schmäler gemacht werden um das Seitengewehr richtig aufpflanzen zu können. Denn die Jägerbüchse hatte im Gegensatz zum französischen Chassepot Gewehr nur eine T-Förmige Warze nicht aber die längliche Schiene welche beim Chassepotgewehr den ganzen Gefäßrücken des Yatagans ausfüllt. Durch das fehlen der Schiene liegt das Gefäß näher am Lauf und musste deshalb abgeschliffen werden um zu passen.

War auch das erledigt, konnte die Waffe problemlos auf die Jägerbüchse aufgepflanzt werden

Der Kasten sowie der Drückermechanismus blieben als einzige Gefäßteile im originalen Zustand.

Nach der Aptierung wurden diese Seitengewehre in den Artilleriedepots eingelagert und die als Kriegsreserve bereitgehalten Füsilier-Seitengewehre M/1860 und Hirschfänger M/1865 wurden somit verfügbar und konnten wiederum zum Gebrauch auf der Jägerbüchse M/71 umgeändert werden.

Diese hier besprochene Form der Aptierung ist um das Jahr 1873 durchgeführt worden und umfasste nur einen kleinen Teil der erbeuteten Yatagane. Die Masse wurde als nicht Aufpflanzbahre Seitenwaffe (also im originalen Zustand) bereitgestellt oder für Gewehre M/71, M.71/84 und später M/88 eingerichtet.

Das besprochene Stück trägt neben dem preußischen Landwehrstempel 64 L I 3.231. (64. preuß. Landwehrregiment 1 Battailion 3. Kompanie 231 Waffe) die alten französischen Abnahmestempel auf Klingenwurzel und Parierstange sowie die Herstellersignatur auf dem Klingenrücken.

Die alte französische Waffennummer welche auf der quartseitigen Parierstange gestempelt war, wurde ausgeschliffen.

Alle aptierten Yatagane für die Jägerbüchse M/65 tragen auf der terzseitigen Parierstange

-mittig- einen Nummernstempel der die Anzahl der aptierten Seitengewehre dokumentiert.

Die Nummern zeigen immer mit Kopf Richtung Griffkopf wie auch die Truppenstempel.

Das besprochene Stück aus meiner Sammlung trägt hier deutlich die Nummer 1. Ein weiteres bekanntes Stück, abgebildet im Band 4 (Seite 251) des Werkes von Rüdiger Franz, trägt an dieser Stelle die Nummer 26.

Die Scheide an sich ist natürlich mit einem preußischen Tragehaken versehen.

Bemerkenswert ist auch der nahezu neuwertige Zustand der zeitgenössischen Lackierung der Scheide. Die im original "weißen" Scheiden wurden durch Kriegsministerielle Anordnung gemenningt (grundiert) und schwarz gestrichen.

Die Passage aus besagter Anordnung sagt folgendes aus:

"Doch werden die metallenen Scheiden, um das viele und doch kaum zum Zweck führende Putzen zu ersparen, schwarz lackiert."

Insgesamt ein sehr seltenes Stück das aufgrund des Zustandes, der seltenen Aptierung und der besonderen Nummerierung des Bajonettes mit Nummer 1 einen beachtlichen historischen Wert und eine große Rarität darstellt.


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