Die Großherzoglich Hessische Kavalleriepistole

M 1856


Geschichte


Text Udo Lander

Im Jahre 1856 tat die Großherzogliche Armee-Division, wie das hessische Kontingent seit dem 5. Februar 1849 genannt wurde, zusammen mit den badischen und württembergischen Truppen und zur Einhaltung der Forderungen der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes hinsichtlich der Kaliberstandardisierung im VIII. Bundes-Armeekorps einen weiteren, bedeutsamen Schritt hin zur Moderne: 1856 erhielten die Reiter des Chevaulegers-Regiments nach dem System Minié gezogene Karabiner und Pistolen . Die Umbauarbeiten hierzu, also das Einschneiden der Züge in die bisher glatten Läufe, soweit diese noch tauglich waren, oder der Austausch der nicht mehr tauglichen Läufe gegen gezogene und die Änderungen an der Visiereinrichtung geschah in der württembergischen Gewehrfabrik Oberndorf am Neckar.

Neben der von der Steinschloss- auf die Perkussionszündung umgearbeiteten Pistolen M 1822/44/56 UM wurden aber auch neue Perkussionspistolen M 1856 in der Württembergischen Gewehrfabrik Oberndorf beschafft, die, da von vornherein als Perkussionswaffen konzipiert, natürlich keinerlei Aptierungsmerkmale mehr aufwiesen.

Zwischen 1853 und 1856 hatten die Chevaulegers neben ihren gezogenen Pistolen auch typgleiche Karabiner erhalten . Dies änderte sich jedoch im Jahre 1863 dahingehend, daß die sehr gut schiessenden Minié-Karabiner wie bei der österreichischen Kavallerie bis auf 16 Mann je Eskadron wieder abgeschafft und nur die gezogenen Pistolen M 1822/44/56 und M 1856 generell beibehalten wurden . Daran sollte sich auch nichts ändern, als 1867 16 Reiter und 1868 schon insgesamt 76 Reiter per Eskadron mit Zündnadelkarabinern M/57 ausgerüstet wurden. Der karabinerlose Rest der Eskadrons führte nach wie vor die Pistole. Erst im Juni 1869 besaßen schließlich alle Reiter den preußischen Zündnadel-Karabiner M/57 und damit, so ist zu vermuten, wurden die Perkussionspistolen zumindest bei der großherzoglich hessischen Kavallerie ausgemustert. Zwar wird die Pistole der Reiterei im Militärverordnungsblatt vom 21. Januar 1869 nochmals erwähnt, als eine dort veröffentlichte, neue Stempelvorschrift exakt den Ort angibt, wo die Truppenstempelung an der „althessischen Pistole“ anzubringen ist. Doch wird sie in den einschlägigen Regimentsgeschichten danach nirgendwo mehr erwähnt – sie hatte wohl ihre Schuldigkeit getan.

Die Umstellung auf das Minié-System in der Großherzoglich Hessischen Division war total: Auch die Berittenen der Feldartillerie gaben ihre bis dato geführten Pistolen M 1814/44UM vermutlich während des Jahres 1855 ab; diese wurden dann ebenfalls nach Oberndorf transportiert und, so sie noch dazu taugten, dort mit gezogenen Läufen versehen und 1856 wieder an die Artillerie ausgegeben. Damit sind diese Pistolen ein höchst beachtlicher Beleg für die Sparsamkeit in einer Armee des 19. Jahrhunderts: Nach immerhin schon 42 Jahren Gebrauchszeit nochmals auf den neuesten Stand der Technik gebracht, sollten diese Artilleriepistolen noch den Krieg 1870/71 aktiv miterleben. Erst danach wurden sie gegen die glattläufige preußische Pistole M/50 ausgetauscht – welch ein Rückschritt.

Für alle Minié-Waffen der großherzoglich hessischen Division gab es im übrigen nur ein einziges, einheitliches Expansionsgeschoss, lediglich die Pulverladungen unterschieden sich. Das Minié-Geschoss besaß ein eisernes Culot, hatte ein Gewicht von 40.62g, eine Länge von 30mm und ein Kaliber von 16,9mm, so daß die Treibgase beim Schuss das Geschoss mittels des Culots um 0,2mm im Durchmesser aufweiten mussten, damit dieses Kontakt mit den Zügen erhielt. Bei den diversen Pistolen der hessischen Division reichten dazu 2,5g Schwarzpulver .


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