Bayerische Kavalleriepistole M 1804 aus Suhler Produktion
Geschichte
Bayern bezog vor 1800 seine Waffen weitgehend aus Suhl, Österreich, Belgien und Fortschau in der Oberpfalz. In dem 1689 gegründeten Armaturwerk in Fortschau arbeitete eine Genossenschaft von bis zu 17 Handwerksmeistern aus der Umgebung. Sie stellten, neben privaten Aufträgen auch Militärwaffen für das Münchner Zeughaus her. Die Mengen waren aber sehr bescheiden, in der Regel konnten nicht mehr als 300 bis 500 Stück pro Jahr geliefert werden.
Gründung der Gewehrfabrik Amberg 1801
Um den durch Kriegsverluste und die Erhöhung der Sollstärke der bayerischen Armee erhöhten Bedarf an Handfeuerwaffen zu decken, sollte der Anteil des Fortschauer Werkes gesteigert werden. Deshalb besichtigte der 1800 in bayerische Dienste getretene französische General der Artillerie Jakob von Manson (1724-1809) im Oktober 1800 das Fortschauer Werk, um die Möglichkeiten zu prüfen, dort eine moderne und leistungsfähige Gewehrfabrik zu errichten. Auf Grund der vorgefundenen Unzulänglichkeiten schlug er in seinem Bericht vom 3. November 1800 zwar vor, die Produktion kurzfristig auf 3000 Stück pro Jahr zu erhöhen, aber gleichzeitig in Amberg eine neue moderne Fabrik unter staatliche Regie zu errichten. Nach Fertigstellung derselben sollte das alte Armaturwerk aufgelöst werden. Dem wurde stattgegeben und so befahl der Kurfürst Max Joseph am 7. Februar 1801 die Errichtung einer neuen Gewehrfabrik in Amberg: „Wir haben Antrage Unseres General-Leutnants von Manson das Münzgebäude in Amberg zu einer Gewehrfabrik bestimmt und beschlossen, dass dasselbe zu diesem Zweck Unserem Oberkriegskollegium übergeben werden soll; dasselbe hat sonach die Verfügung zu treffen, damit dieses Gebäude übernommen, dem General Manson entworfenen Plane gemäß eingerichtet und in Zukunft aus dem Militärfonde gehörig unterhalten werde.“
Das Armaturwerk Fortschau wurde im August 1801 aufgelöst und die noch brauchbaren Maschinen nach Amberg geschafft. Dem Angebot, nach Amberg zu übersiedeln und in der neuen Fabrik zu arbeiten folgte kaum einer der ansässigen Meister. Sie suchten nach Möglichkeiten um auch weiterhin selbständig arbeiten zu können. So pachteten sie, da ihnen die alten Einrichtungen nicht mehr zu Verfügung standen eine Mühle und richteten dort ein Bohr- und Schleifwerk ein. Da auch der Rohrschmied zu Ebnath weiter für sie arbeitete, waren sie nun in der Lage wieder komplette Handfeuerwaffen herzustellen. Weil der Bedarf der bayerischen Armee in dieser Zeit sehr groß war, aber die die neuerrichtete Fabrik in Amberg noch nicht in der Lage war diesen zu decken, wurden die Fortschauer Meister um Zigoni weiterhin mit Aufträgen versehen.
Die neuen Modelle von 1804
Der General Jakob von Manson richtete nicht nur die Gewehrfabrik in Amberg ein, sondern beeinflusste in seiner Eigenschaft als Generalleutnant der Artillerie und Generaldirektor des Zeughauses und der Artilleriemagazine wesentlich die Entwicklung und Konstruktion der bayerischen Feuerwaffen. So legte er 1804 neue Muster von Gewehr, Karabiner und Pistole zur Genehmigung dem Kurfürsten vor. Dieser setzte am 26.06 1804 eine Kommission unter dem Vorsitz von Manson ein, welche die Güte und Anwendbarkeit der vorgelegten Modelle prüfen sollte. Nachdem der Bericht der Kommission positiv ausgefallen war, wurden durch Reskript vom 09.07.2004 die neuen Modellreihe M 1804 genehmigt.
Die neuen Handfeuerwaffen wurden in 3 Modell-Varianten und zwar als Infanteriegewehr M 1804 (auch Manson-Gewehr genannt), Karabiner M 1804 (Chevauleger-Karabiner M 1804) und die Pistole M 1804 (oder Chevauleger-Pistole M 1804) gefertigt.
Die Pistole M 1804
hat einen runden Lauf, ein Schloss nach französischer Art, den gleichen Oberring und die Eisengarnitur wie der Karabiner. Das Messingkorn sitzt auf dem Oberring, welcher mit einer Feder von unten fixiert ist. Die Chevaulegers benützten zum Laden der Pistole den separaten Karabiner-Ladestock. Da die Unteroffiziere keine Karabiner sondern nur Pistolen führten, waren sie mit einem kürzeren (287 mm) jedoch dem des Karabiners ähnlichen Ladestock ausgerüstet. Die Pistole verschoss eine 28,3 g schwere Rundkugel mit einem Durchmesser von 16,6 mm, die Pulverladung betrug 6,6 g. Die Visierschussweite war auf 27 bis 32 Schritt berechnet, eine Wirkung über 50 Schritt war unsicher.
Die zunächst mit der Pistole M 1804 versehenen Chevaulegers führten daneben noch den Karabiner M 1804. Dieser steckte in einem an der rechten Seite vom Sattel befestigten Lederschuh. Die Pistole war in einem Hoster am Sattel vorne rechts untergebracht. Die Ulanen und die beiden in den Jahren 1814/15 errichteten Husaren-Regimenter erhielten die Pistole 1804 später.
Waffenlieferungen aus Suhl
Die Pistole M 1804 wurde zunächst in Fortschau und Amberg gefertigt. Die dort hergestellten Handfeuerwaffen reichten jedoch nicht annähernd um den Bedarf der bayerischen Armee zu decken. Kleine und größere Posten von Handfeuerwaffen ließ das Königreich deshalb von ausländischen Gewehrfabriken herstellen. So schloss man Lieferverträge mit den Suhler Firmen Heinrich Anschütz und Söhne sowie Wilhelm und Heinrich Spangenberg ab. Diese lieferten laut Reckendorf zwischen 1804 und 1818 neben Gewehren, Karabinern und Waffenteilen mehr als 10000 Paar Pistolen des Modells 1804 an Bayern. Den größten Posten nämliche 7000 Paar Pistolen M 1804 lieferte Heinrich Anschütz und Söhne auf Grund der Verträge vom 9. April 1813 über 1000, vom 9.August 1813 über 2000 und vom 6. März 1816 über 4000 Paar.
Die Gewehrfabrik Heinrich Anschütz und Söhne in Suhl
Heinrich Daniel Anschütz (1765-1829) war der Sohn von Johann Matthäus Anschütz (1743-1802) und wie sein Vater Gewehrfabrikant und Waffenhändler in Suhl. Matthäus der Vater von Heinrich hatte die Gewehrfabrik bereits von seinem Vater Georg Daniel Anschütz (1711-1763) übernommen. Auch der Urgroßvater Johann Daniel der Ältere (1660-1683) war bereits als Gewehrhändler tätig gewesen.
Heinrich arbeitete zunächst unter seinem Vater in der Gewehrfabrik. Schon 1785 lieferten sie Waffen für das Kurfürstliche Zeughaus in Dresden, welche mit „M & H Anschütz“ gekennzeichnet waren. Nach dem Tod seines Vaters wurde er Leiter der Gewehrfabrik Anschütz & Söhne in Suhl. 1811 schrieb er das bekannte Buch „Die Gewehrfabrik in Suhl“. Er war auch Mitglied der Akademie der Wissenschaften und wurde von ihnen als Künstler geführt.
Heinrich Daniel war mit Elisabeth Barbara Schmidt verheiratet und lebte am Steinweg Nr. 73/74 (jetzt Steinweg 18). Sie hatten einen Sohn Friedrich Christian Anschütz (1790-1832). 1815 wurde er ebenfalls Gewehrhändler und heiratete Friederike Wilhelmine Spangenberg (-1826), die Tochter des Bankiers und Waffenherstellers Johann Heinrich Spangenberg (1760-1824). Friedrich Christian markierte seine Gewehre mit „Anschütz-Suhl“, „FCA über Suhl“ und „F.C. Anschütz & Sohn“. In der Gothaer Straße 157 hatte er eine Bajonettmühle. Seine Kinder waren Heinrich, August und Elli Anschütz. Heinrich kaufte 1850 eine Viertelbeteiligung an der Alt Heinrichser Schmiede von Rosine Friderike Wilhelmine Bornmüller. Heinrich heiratete Christiane Schlegelmilch, die Tochter des Schmiedeinhaber Erdmann Schlegelmilch
Eine Pistole 1804 von Heinrich Anschütz und Söhne aus Suhl
Während die Pistolen aus Amberg oder Fortschau auf der Schlossplatte mit AMBERG in Druckbuchstaben oder „A“ kursiv bzw. FORTSCHAU markiert sind, tragen die Pistolen aus Suhl in der Regel keine Markierung auf der Schlossplatte. Einige Stücke sind mit einem kleinen A&S auf dem Schloss zwischen den Batteriefedern, AS auf dem Pulversack und Lauf versehen. Unter dem Lauf sind meist Abnahmemarken in Kronenform und SUL eingeschlagen.
Pistolen M 1808 aus Suhl sind, obwohl doch beträchtlich Mengen hergestellt wurden in der ursprünglichen Steinschlossausführung extrem selten, da nahezu der gesamte Bestand in den 1840iger Jahren perkussioniert wurde. Es ist wohl ein kleines Wunder, dass es gelang ein solches Exemplar in nahezu unberührtem Zustand in den USA zu finden. Auf Grund der Stempelung kann es eindeutig als ein Exemplar aus der Fabrik von Heinrich Anschütz und Söhne in Suhl identifiziert werden.
So befindet sich ein kleines „A“ (für Anschütz) auf dem Schlossblech unterhalb der Pfanne und auf dem Schlossgegenblech. Auf dem Lauf oben wurde „AS“ (für Anschütz und Söhne) und auf der linken Seite des Laufachtkants eine Abnahmemarke ähnlichem einen großen lateinischem „A“ eingeschlagen. Der Lauf ist unten mit „SUL“ und zwei Abnahmestempel in Form einer Krone markiert. Außerdem ist der Schaft auf der linken Seite mit dem Stempel „A&SS“ (für Anschütz und Söhne in Suhl) und einer „8“ gezeichnet. Die Pistole trägt außerdem die ZHD-Nummer „212“ im Holz des Vorderschaftes, was bedeutet, dass es ein Stück aus der ehemaligen Mustersammlung der Zeughausdirektion ist.
ZHD-Nummer
Die im Auftrag des Königlich Bayerischen Kriegsministeriums geprüften Muster von Handfeuerwaffen sowohl angenommene und dann gesiegelte als auch zur Einführung nicht zugelassene Modelle, sowie Stücke aus Entwicklungsserien wurden jeweils mit abschließender Verfügung des Ministeriums in die „im Konservatorium der Zeughausdirektion“ in München aufbewahrte „Haupt-Waffenmustersammlung“ eingewiesen. Dort wurden diese Waffen inventarisiert und sie erhielten die laufende Nummer in das Holz des Vorderschaftes geprägt, unter der sie im entsprechenden Nachweis geführt wurden. (Reckendorf, Hans; Die Faustfeuerwaffen der Königlich Bayerischen Armee, Dortmund 1981, S. 172)