Das Infanteriegewehr M 71/84


Geschichte


Text: H. M.

Nach dem durch Frankreich verlorenen Krieg 1870/71 schien ein erneuter Krieg mit Frankreich unausweichlich. Es war die Zeit, als der französische Kriegsminister General Boulanger mit seinem Revanche-Geschrei die Gefühle seiner Landsleute bis zur Weißglut brachte. In diesen politischen Auseinandersetzungen lang die Grundlage des preußischen Kriegsministeriums zur Einführung eines Magazingewehrs für die deutsche Armee. Unter diesen Umständen und aus Zeitgründen wurde auf eine Kaliberverringerung verzichtet, weil möglicherweise eine Umstellung der Munitionsfabriken Schwierigkeiten bereitet hätte. Der Vorteil lag in der Nutzung der vorhandenen Munitionsbestände. Der Grundgedanke lag in einer Erhöhung der Feuergeschwindigkeit in kritischen taktischen Lagen. Die Feuerbereitschaft des Schützen sollte durch Verzicht, nach jeden Schuss eine Patrone hervorzuholen und einzulegen, gesteigert werden.

Anfang der 80er Jahre gab es in Europa bereits eine Reihe bewährter Repetiersysteme mit Zylinderverschluss und Röhrenmagazin im Vorderschaft, zum Beispiel das Vetterligewehr von 1869, die österreichischen Konstruktionen von Fruwirth und Kropatschek und das französische Marinegewehr M/1878 System Gras-Kropatschek. Bereits im Jahre 1875 ? (1879) wurde der Gewehr-Prüfungskommission in Spandau ein Gewehr M/71 mit Kropatschek-Röhrenmagazin von Joseph Wendl angeboten. Auch Paul Mauser erkannte die Zeichen der Zeit. Er konstruierte eine ganze Reihe von Ansteckmagazinen zum Teil in Kastenform, ähnlich dem späteren G98 Grabenmagazin, zum Teil in U-Form. Diese preisgünstigen Lösungen, die es auch erlaubten, den Einzellader M/71 zum Repetierer umzubauen, lehnte aber Spandau ab. Ein Nachteil war die Bauhöhe der kastenartigen Magazine. Auch das Patent von Ludwig Löwe im Jahre 1880 bezüglich Anbringen eines hufeisenförmigen Bogenmagazins unterhalb der Patroneneinlage führte trotz größeren Versuchen beim Garde-Schützen-Bataillon zu keiner Annahme. Die Magazine störten beim Tragen des Gewehrs, auch die Verschmutzungsgefahr blieb ungelöst. Ferner kam es zu Funktionsstörungen, die sich im Klemmen und Stockungen der Patronen äußerte.

Die Lösung schien ein Repetiergewehr mit Magazin längs des Laufs. Für die in den 70er durch die serbische Regierung aufgerufenen Wettbewerb konstruierte Mauser basierend auf dem System M/71 ein Repetiergewehr mit Vorderschaftmagazin. Zwar kam das Gewehr in Serbien nicht zum Zuge, jedoch interessierte sich Kaiser Wilhelm I persönlich für diese Konstruktion. Am 27. September 1881 besuchte der Kaiser die Landesgewerbeausstellung in Stuttgart und ließ sich das dort ausgestellte Repetiergewehr der Gebrüder Mauser in allen Einzelheiten erläutern. Schon im Jahr 1881 erfolgte in Preußen ein Truppenversuch. In Darmstadt, Königsberg und Spandau mit insgesamt 2000 Mauser Repetierern, 500 mit, 1500 ohne Ladestock. Die Erfahrungen dieses Truppenversuchs im Winter 1882/83 machten einige Änderungen notwendig. So wurde die Kapazität des unter dem Lauf im Schaft befindlichen Röhrenmagazins von neun auf acht Patronen reduziert. Die maximale Patronenkapazität betrug 10 (8 Magazin + 1 Ladelöffel + 1 Lauf). Es konnten Lauf, Schaft und Röhre um fünf Zentimeter minimiert werden. Diese Änderung kam der Schwerpunktslage und des Gewichts zugute. Natürlich konnte die Kopflastigkeit bei gefülltem Magazin konstruktionsbedingt nur gemindert werden. Um zukünftige Magazinexplosionen zu verhindern, wurden Flachkopfgeschosse eingeführt. Die Zugtiefe der Läufe betrug 0,15 mm anstatt 0,30 mm, in Preußen veranlasst per Verfügung vom 14.11.1883 und in Bayern mit der Produktionsaufnahme Ende 1886. Möglicherweise entstand keine so starke Stauchung des Geschosses, so dass die neue Zugtiefe ausreichend war.

Im Folgenden soll auf die technischen Änderungen bzw. auf die Funktionalität des ersten deutschen Repetiergewehrs eingegangen werden. Der Teil des Schaftes unter dem Lauf nimmt das Magazinrohr auf. Dadurch wurde der Schaft verhältnismäßig breit ausgeführt, wodurch die Waffe etwas plump wirkt. Am vorderen Ende befindet sich eine geriffelte Schraubkappe mit Stift und Kugelkopf. Dieser Stift dient zum Zusammensetzen mehrerer Gewehre zu einer Pyramide. Das hintere Ende des Magazins mündet in einen Patronenkasten unterhalb der Verschlusshülse. Im diesem Kasten befindet sich ein um seine hintere Achse drehbarer Patronenzubringer. Eine Spiralfeder führt nur die Patronen aus dem Magazin, durch einen Kolben unterstützt, dem Patronenzubringer zu. Der Patronenzubringer kann über einen Hebelmechanismus außer Kraft gesetzt werden (Hebel nach vorn). In diesem Fall muss wiederholend eine Patrone geladen werden. Ist dies nicht der Fall, befindet sich der Zubringer mit Patrone solange in Beharrung, bis über ein Repetiervorgang der Endanschlag in der Auswerfernut dafür sorgt, dass, unterstützt durch einen Hebel, der Zubringer vorne angehoben und die Patrone durch Vorschieben des Verschlusses in das Patronenlager zugeführt wird.



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