Die holländische Kolonienpistole M 1850
Geschichte
Text Udo Lander
Anfangsschwierigkeiten
Holland gehörte mit zu den ersten Staaten in Europa, die sich um eine Modernisierung der vorhandenen Steinschlosswaffenbestände bemühten und Versuche unternahmen, das neu entwickelte Perkussionssystem für seine Militärwaffen verwendbar zu machen. Holland war es auch, das als erstes aus Steinschlossgewehren umgebaute Perkussionswaffen in einem Kriegseinsatz verwendete, was in seiner ostasiatischen Kolonie Java im Jahre 1827 geschah. 300 perkussionierte Gewehre kamen im tropischen, regnerischen Klima von Java zum Einsatz, konnten aber nicht überzeugen. Erst ein weiterer Einsatz 1830 in Sumatra bewies die Feldbrauchbarkeit der neuen Zündungsart. Was aber in den Kolonien galt, war nicht gleichbedeutend für die Akzeptanz im Mutterland. Die Widerstände gegen das neue Zündsystem waren groß und man befürchtete wie fast in allen Armeen, in denen man vor den gleichen Problemen stand, dass die groben Soldatenhände im Eifer des Gefechts nicht in der Lage wären, die Zündhütchen auf das Piston zu stecken, ja, diese sogar verlieren würden.
Definitive Einführung
Aber die Zeit war einfach reif für das neue System und nach einigen großangelegten Versuchen wurde im November 1841 in Holland beschlossen, die Perkussionszündung generell einzuführen. Alle vorhandenen Steinschlosswaffen der Armee, der Kolonialarmee und der Marine sollten auf das neue Zündsystem umgebaut werden. Bevorzugt wurde dabei das „Belgische System“, bei dem „das Piston auf der Laufoberseite angebracht ist, so dass der Zündstrahl auf direktem Weg auf die Ladung trifft.
Ein Sicherheitsproblem..............
Auffallend an nahezu allen holländischen Perkussionspistolen ist eine Besonderheit am Korpus des Hahns. An der Vorderseite des Hahnkörpers sieht man am Übergang vom Hahnfuß zur Hahnbrust eine Kerbe, welche auf den ersten Blick keinem sinnvollen Zweck zugeordnet werden kann. Hintergrund für diese Kerbe war, dass die Einführung der Perkussionszündung nicht nur Vorteile, sondern auch einige handfeste Nachteile mit sich brachte. Das Hauptproblem lag darin, dass Perkussionswaffen im geladenen Zustand mit einem Zündhütchen auf dem Piston geführt wurde. Speziell bei den Kavalleriewaffen implizierte dieser Umstand aber, dass der Hahn mit seinem Sporn unbeabsichtigt an irgendetwas hängen bleiben konnte um dann unkontrolliert wieder nach vorne zu schlagen, was natürlich den Schuss auslösen musste.
Um dies zu verhindern, hat man sich 1844 dazu entschlossen, auf der Schlossplatte eine Drehsicherung anzubringen, die im eingelegten Zustand in die Kerbe des Hahns eingriff und so diesen blockierte, so dass er nicht mehr nach hinten bewegt werden konnte. Gleichzeitig mit diesem Beschluss ordnete man entsprechende Tests mit je zwanzig Karabinern und Pistolen beim 1. Dragoner-Regiment an, die jedoch erbärmlich schlecht ausfielen. Die Hälfte der Schüsse bei den Karabinern und Pistolen wurde nicht gezündet, weil der Drehhebel der Sicherung den Hahnweg nicht gänzlich freigab, so dass der Hahn nicht auf das Zündhütchen schlagen konnte. Damit war dieses Kapitel beendet und die Drehsicherung verschwand wieder ..............
.....und seine Lösung
Dieses ernüchternde Testergebnis führte 1846 dazu, dass man für alle Karabiner und Pistolen einen neuartigen Hahn konzipierte, welcher nicht über einen Sporn, sondern über eine Ringöse verfügte und der folglich nicht mehr so leicht irgendwo hängen bleiben konnte. Dieser neue Ringhahn wurde natürlich auch für die Pistolen übernommen, jedoch kam es zu einem Austausch gegen den alten Hahn nur, wenn dieser auf Grund von anderweitigen Mängeln sowieso ausgetauscht werden musste. Zusätzlich wurde nun bei allen Kavalleriewaffen, so auch bei den Pistolen eine Sicherheitsrast in die Nuss eingefeilt, die den Hahn, sollte er sich nach oben bewegen, ganz kurz über dem Piston blockierte und am Aufschlagen auf den Zündkegel hinderte.
Koloniale Eigenheiten
Die zumindest teilweise Rückgabe der ehemals holländischen Kolonien in Ostasien, die England während der napoleonischen Kriege kassiert hatte, machte es erforderlich, wieder ein Expeditionskorps nach Ostindien zu entsenden.
Da die Einsatzgrundsätze in diesem tropischen Bereich der Erde sich von den europäischen schon alleine aus klimatischen Gründen sehr unterschieden und die Mannschaft sich darüber hinaus zum großen Teil aus kleinwüchsigeren Eingeborenen rekrutierte, war eine entsprechende Waffenausrüstung, die sich zwangsläufig von derjenigen der Armee in der Heimat unterscheiden musste, unerlässlich. Dass unter anderem Holland schon sehr früh und wahrscheinlich auch zum erstenmal in der Militärgeschichte Perkussionswaffen in seinen Kolonien wenn auch mit geringem Erfolg bei Kriegshandlungen eingesetzt hat, wurde bereits erwähnt.
Unter der beachtlichen Vielzahl unterschiedlicher Perkussionsfeuerwaffen der Kolonialarmee, deren Fertigung nach der generellen Übernahme der Perkussionszündung im Jahre 1841 einsetzte, existierten natürlich auch entsprechende Pistolen für die Berittenen. Diese Pistolen kann ein Sammler mit geschultem Blick zumindest auf Anhieb als holländischen Ursprungs erkennen, doch fallen bei näherem Hinsehen gewisse Details ins Auge, die von den bekannten Pistolen der holländischen Armee deutlich abweichen.
Die Kolonienpistole M 1850
Auch die in den Kolonien vorhandenen Steinschlosspistolen nach dem holländischen Muster M 1820 wurden in der neu errichteten Gewehrfabrik Meester-Cornelis/Djakarta auf das Perkussionssystem umgebaut. Deren Zündeinrichtung unterschied sich deutlich von den in Holland abgeänderten Waffen.. Hauptmerkmal aller Perkussionswaffen der Kolonialarmee ist ein Höcker mit Pistonsockel am Pulversack, welcher sich auf seiner ganzen Länge an der Schlossblechoberkante abstützt.
Vorteil dieser Methode war, daß durch diese Konstruktion der Schlag des Hahns die Position des gesamten Schlosses nicht verändern konnte. Dies konnte nämlich dann der Fall sein, wenn der Schlag des Hahns auf das auf dem Lauf sitzende Piston auftraf, und als Reaktion darauf das ganze Schloss, zumindest theoretisch, im vorderen Bereich allmählich nach oben gezogen werden konnte, da außer der vorderen Schlossschraube nichts da war, das diese Tendenz hemmte. Schaftausrisse im Bereich der vorderen Schlossschraube wären unvermeidlich gewesen.
Um dies zusätzlich zu verhindern, saß die Schlagfeder in ihrer ganzen Breite in einem sehr engen Bett des Schaftes, so daß sich die Feder bei entsprechender Energieeinwirkung und zur Unterstützung der vorderen Schlossschraube mit ihrem oberen Schenkel gut am Holz abstützen konnte und somit schädlichen Bewegungen der Schlossplatte vorgebeugt wurde.