Die französische Ordonnanzpistole M 1763/66 2. Modell


Geschichte


DIE FRANZÖSISCHE ORDONNANZPISTOLE M 1763/66, 1. und 2. MODELL

Text: Udo Lander

Während des 18. und 19. Jahrhunderts hat wohl keine Militärpistole bezüglich ihres Designs und ihrer Gesamtkonzeption so nachhaltigen Einfluss auf die Konstruktionen von Generationen nachfolgender Militär-Faustfeuerwaffen der Vorderladerära ausgeübt, wie die französische Ordonnanzpistole M 1763/66. Die Art ihres Kolbenabschlusses, die Verbindung von Lauf und Schaft mit Hilfe eines federarretierten Laufringes, aber auch ihr Steinschloss mit dem herzförmig durchbrochenen Hahn und einer an hohen Funktionalität orientierten Gesamtform war vorbildgebend für nahezu alle in späterer Zeit auf dem europäischen Kontinent normierten Pistolen.

Der Ursprung des neuen französischen Pistolenmodells geht zurück auf das Jahr der Beendigung des Siebenjährigen Krieges. Während der langen Benutzungszeit der bisher bei der französischen Reiterei verwendeten Pistolen M 1733/34 (1) hatten sich, insbesondere durch den Einsatz anlässlich der zahlreichen Schlachten und Gefechte im Verlaufe des Siebenjährigen Krieges deutliche Unzulänglichkeiten herauskristallisiert. So war offenbar geworden, daß die Pistole zum einen zu lang und damit zu unhandlich, zum andern auf Grund ihrer sehr schlanken Konstruktion zu wenig robust war. Auch hatte das in seiner Materialstärke zu dünn gehaltene Schloßblech häufig Grund zu Beanstandungen gegeben, weil es den mechanischen Belastungen beim Betätigen des Schlosses auf die Dauer nicht gewachsen war. Da es das durch den langen Krieg hervorgerufene Defizit an Pistolen unbedingt auszugleichen galt, war die Gelegenheit günstig, die Bestimmungen bezüglich der Maße für die nachzufertigenden Pistolen M 1733/34 neu zu definieren. So wurde festgelegt, daß die Läufe von 11,5 Zoll auf 10 Zoll zu kürzen waren, die Schäfte und das Schloßblech mussten verstärkt werden, und das Kaliber wurde von 7,25 Linien (16,35 mm) auf 7,5 Linien (16,91 mm) vergrößert. Mit der Auslieferung der solcherart gefertigten Pistolen erhielten die Truppen auch ein in der Länge entsprechend kürzer gearbeitetes Sattelholster.

All diese Maßnahmen konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses nun bereits über 30 Jahre alte Pistolenmuster nicht mehr auf der Höhe der Zeit war. Insbesondere ihre altmodische Form und Konstruktion mit Schwanenhalshahn und gestifteten Lauf, Details, die in krassem Gegensatz zu den modernen Infanteriegewehren des Systems M 1763 standen, führten zur Entwicklung eines völlig neu konzipierten Pistolenmodells.

Pistole 1763/66

Begonnen hat die Entwicklung eines neuen Pistolenmusters im Jahre 1764, als das französische Kriegsministerium den Artillerieoffizier und staatlichen Inspektor an der königlichen Manufaktur St.Etienne, M. de MONTBELLIARD mit der Konstruktion einer neuen Waffe beauftragte. Dieser nahm sich das bei der französischen Infanterie vor kurzem eingeführte Steinschlossgewehr M 1763 zum Vorbild und übertrug dessen Konstruktionsmerkmale unter Zugrundelegung der Maße der alten Pistole M 1733/34 auf seinen Entwurf, Er schuf damit die erste europäische Militärpistole, bei welcher der bruchanfällige Schwanenhalshahn durch einen verstärkten Hahn mit herzförmigem Ausschnitt ersetzt war, und bei der die Verbindung von Lauf und Schaft nicht mehr durch die umständlichen, häufig zu Schaftbeschädigungen führenden Stifte, sondern durch gegossene und federarretierte Messinglaufringe hergestellt wurde. Seinem Einfallsreichtum ist auch die gefällige Form des flach geschwungenen Kolbens mit der charakteristischen Kolbenkappe zu verdanken, die eine völlige Abkehr vom Althergebrachten bedeutete.

Das so auf einfache Weise auf den neuesten Stand der Waffentechnik gebrachte Nachfolgemuster der Pistole M 1733/34 ist nach Begutachtung durch das französische Kriegsministerium mit Verfügung vom 5. März 1766 zum Modell erhoben und zur Einführung bei den Kavallerieverbänden freigegeben worden.

Da die Nachfertigung der alten Pistole M 1733/34 inzwischen eingestellt war, und um eine raschestmögliche Auslieferung der neuen Waffen an die Truppe gewährleisten zu können, hatte man schon vor Bekanntgabe der kriegsministeriellen Verfügung bei den Manufakturen St. Etienne und Charleville je 1000 Paar und in Maubeuge 400 Paar Pistolen M 1763 in Auftrag gegeben (2).

Offensichtlich haben die beauftragten Manufakturen sehr schnell gearbeitet, denn noch im Spätjahr 1765, also noch vor Veröffentlichung der diesbezüglichen kriegsministeriellen Verfügung gingen bereits die ersten massiven Beschwerden wegen der neuen Pistolen beim Kriegsministerium ein .

Als Hauptkritikpunkt wurde angeführt, daß die neuen Pistolen wegen ihrer Länge nicht in die bei der Kavallerie verwendeten Holster passten. Grund dafür war, daß die Kavallerie, wie berichtet, anlässlich der Längenreduzierung der alten Pistole M 1733/34 auch entsprechend gekürzte Sattelholster erhalten hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde ein eklatanter Fehler offenbar, dessen Ursache wohl im unzureichenden Informationsfluss zwischen Kavallerie und Artillerie, bzw. dem Kriegsministerium zu suchen war. So ist dem Konstrukteur und Offizier der Artillerie DE MONTEBELLIARD offensichtlich nicht bekannt gewesen, daß die Maße der alten Pistole M 1733/34 schon 1763 geändert worden waren, zumindest waren die geänderten Maße in der ihm zur Entwicklung der neuen Pistole überlassenen Definitionstabelle nicht berücksichtigt. Die Folge davon war, daß DE MONTBELLIARD seinen Entwurf an Hand der ungeänderten Maße der alten Waffe konzipierte, was schließlich zu den erwähnten Schwierigkeiten bei der Truppe führte.

Welchen Irrwegen und Sackgassen der offensichtlich auch damals schon etwas verworrenen Militärbürokratie dieser Fehler anzulasten war, liegt heute im Dunkeln. Es kann jedoch festgestellt werden, daß man sich mit großer Dringlichkeit darum bemühte, das Debakel wegen der Pistolenlänge so rasch als irgend möglich zu bereinigen.

Die einfachste und sicherlich auch kostengünstige Lösung des Problems hätte darin bestanden, den Lauf und den Vorderschaft der Pistole um ein entsprechendes Maß zu kürzen. In diesem Falle aber wäre es notwendig gewesen, den vorhandenen doppelbündigen Vorderring im Durchmesser dem nach hinten zunehmenden Maß der Waffe anzupassen. Dies aber hätte den Guss eines neu dimensionierten Vorderrings bedeutet. Zudem wäre der Vorderschaft durch die beiden dann kurz hintereinander angebrachten Ringfedern deutlich geschwächt worden.

So entschied man sich dazu, die beiden Ringe zu entfernen und die Pistolen auf eine solche Länge zu kürzen, die es erlaubte, einen von seinen Maßen her noch vertretbaren vergrößerten, doppelbündigen Ring mit seinem hinteren Bund an der Stelle des ehemaligen Mittelrings anzubringen, welcher durch dessen bereits vorhandene Feder fixiert wurde.

Die Anweisung an die Manufakturen St. Etienne, Charleville u. Maubeuge zur Ausführung der o.a. Änderungsmaßnahmen an den 2400 Pistolenpaaren M 1763 erging schließlich am 15. September 1769(5). Dabei erscheint es wichtig darauf hinzuweisen, daß die gekürzten Pistolen M 1763 sehr leicht von den ihnen sehr ähnelnden Nachfolgemustern des 2. Modells zu unterscheiden sind:

Die gekürzten Waffen behielten ihre ovalen Schaftverschneidungen. während hingegen die Nachfolgemuster glatt gearbeitet waren.

Bezüglich der Kürzungsmaßnahmen steht fest, daß nicht alle 2400 Pistolenpaare den Änderungen unterzogen worden sind. Zumindest sind bis heute immerhin oder lediglich sechs Waffen in der Originallänge bekannt. Dies aber bedeutet, daß es sich bei den im ursprünglichen Zustand belassenen Waffen um äußerst rare Stücke handelt.

Pistole M 1763 - 66 2. Modell

Gleichzeitig mit der Anweisung zur Kürzung der langen Pistolen M 1763 erhielten die drei beteiligten Manufakturen einen Auftrag zur Neufertigung von Pistolen, die den gekürzten Waffen in allen Details zu entsprechen hatten. Allerdings ließ man - vermutlich aus Kostengründen - die ovalen Schaftverschneidungen wegfallen. Die Aufträge waren so verteilt, daß St. Etienne 1200, Charleville 500 und Maubeuge 300 Pistolenpaare zu liefern hatte.

Technische Daten und Beschreibung

(In Klammern die Maße der ungekürzten Pistole M 1763 1. Modell)

Gesamtlänge 402mm (480mm)

Lauflänge 230mm (310mm)

Schlossplattenlänge 128mm (128mm)

Kaliber 17,1mm (17,1mm)

Gewicht 1230g (1400g)

Glatter Nussbaumschaft ohne Schaftverschneidungen; Messingbeschläge; keine Visiereinrichtung; Lauf entsprechend 1. Modell, jedoch an der Mündung nicht aufgetrichtert; eiserner Ladestock, der durch eine an der Laufunterseite angebrachte Feder im Schaft gehalten wird; flaches Schloßblech mit abgeschrägten Kanten, ebensolchem Hahn mit herzförmigem Durchbruch; eiserne Pfanne mit Verbindungssteg zum Lager des Batteriedeckels, Batteriefeder von außen verschraubt, Fuß der Batterie nach oben geschwungen; Schwanzschraubenverlängerung rund auslaufend.

Da mit Beendigung des Siebenjährigen Krieges im Zuge der Reorganisation des französischen Heeres das bis dahin für die Kavallerieregimenter noch geltende Privileg der eigenen Waffenbestellung direkt bei den Manufakturen aufgehoben worden war (6), musste man natürlich für einen der gesteigerten Nachfrage entsprechenden Vorrat in den königlichen Magazinen sorgen. Dazu reichten die bisherigen Produktionszahlen an Pistolen jedoch bei weitem noch nicht. Deshalb kam es in den folgenden Jahren zu einer umfangreichen Auftragserteilung an die Manufakturen.

So erging im Jahre 1772 eine Bestellung an Charleville (2.250 Paare) und Maubeuge (1.500 Paare), deren Ausführung, ebenso wie alle nachfolgenden Fertigungen sich von den Pistolen der Lieferung des Jahres 1769 in geringem Maße unterschied; der Winkel zwischen Schaft und Kolben war etwas flacher geworden, und die Kolbenkappe war insgesamt etwas zierlicher gearbeitet; darüber hinaus besaßen die Pistolen ab diesem Zeitpunkt eine geringfügig stärkere Schlossplatte, auch war der Hahn im Bereich des herzförmigen Durchbruches etwas größer dimensioniert.

Weitere 4.000 Pistolenpaare wurden im Jahre 1773 in St. Etienne bestellt. Die dort gefertigten Waffen unterschieden sich von den Produktionen der beiden anderen Manufakturen deutlich. Zwar waren Maße, Beschläge, Lauf und Kolbenform identisch mit den Pistolen aus Charleville und Maubeuge, sie besaßen jedoch ein anders gestaltetes, den Infanteriegewehren M 1770 entsprechendes Steinschloss. Dessen Schlossplatte war im Bereich hinter dem Hahn gewölbt, auch hatte man den Hahn und die Pulverpfanne nicht mehr flach, bzw. kantig, sondern ebenfalls gewölbt bzw. rund gearbeitet.

Warum ausgerechnet die Manufaktur St. Etienne bei der Produktion dieser Pistole aus der Reihe tanzte, ist ungeklärt. Doch kann vermutet werden, daß die Angelegenheit im Zusammenhang mit einer zu jener Zeit höchst unerfreulichen Affäre um Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme zu sehen ist, in die höchste Stelleninhaber, die mit der Waffenüberholung und Neufertigung zu tun hatten, verwickelt waren. Ein großangelegter und für entsprechende Aufmerksamkeit sorgender Prozess im Jahre 1773 konnte die Affäre zwar wieder bereinigen, hatte aber für St.Etienne zur Folge, daß das gesamte Führungs- und Kontrollpersonal der Manufaktur ausgetauscht wurde. Auch ist die Fertigung der Infanteriegewehre M 1770/71, die, wie berichtet, mit dem neuen Schlosstyp ausgestattet waren, weniger aus technisch notwendigen, sondern vermutlich eher aus politisch/persönlichen Gründen eingestellt worden. Als nun ein Jahr später der 4.000 Paare umfassende Pistolenauftrag in St.Etienne einging, griff man vermutlich doch wieder auf die bereits vor dem Prozess entwickelten Schlösser des neuen Typs zurück, da die Zeit drängte und die Anfertigung neuer Schmiedeformen nicht zu vertreten gewesen wäre.

Die letzten, jedoch bedeutendsten Aufträge zur Lieferung der Pistole M 1763/66 ergingen in den Jahren 1774 und 1775. Dabei sah der Auftrag des Jahres 1774 für St.Etienne 6.500 Paare, für Charleville 3.000 Paare und für Maubeuge 2.000 Paare zur Lieferung vor, während ein Jahr später nur die Manufakturen Charleville mit 6.000 Paaren und Maubeuge mit 4.000 Paaren berücksichtigt wurden. An St.Etienne ergingen in diesem Jahr wegen der umfangreichen Bestellung des Vorjahres keine neuen Lieferaufträge (7).

Es ist somit festzustellen, daß - unter Einbeziehung der 2.400 gekürzten Paare des 1. Modells insgesamt 33.650 Pistolenpaare M 1763/66 hergestellt worden sind - und dies alles in einem Zeitraum von nur 10 Jahren, vom Beginn der Fertigung im Jahre 1769 bis zum letzten Produktionsjahr 1779. Berücksichtigt man ferner, daß während dieser Zeit auch der äußerst umfangreiche Bedarf an Infanteriewaffen sowie die Ausstattung der Reiterei mit Karabinern zu bewerkstelligen war, so wirft dies ein bezeichnendes Licht auf die erstaunliche Leistungsfähigkeit der französischen Waffenmanufakturen.

Signaturen, Kontroll - und Abnahmemarken der Pistole M 1763/66

Die Manufakturen von St. Etienne, Charleville und Maubeuge, ebenso wie alle anderen französischen Manufakturen waren als Zentralwerkstätten organisiert. Das bedeutet, daß alle zur Produktion einer Feuerwaffe nötigen Einzelteile in eigener Regie hergestellt wurden.

Die zum Teil recht komplizierte Fertigung aller Waffenteile in einer einzigen Fabrikanlage war ein anspruchsvolles Unterfangen, das die Einstellung entsprechender Facharbeiter erforderte, überdies war aber auch für alle Arbeitsabläufe eine qualifizierte Kontrolle nötig, wollte man die vom Staat vorgegebenen Normen für Materialgüte und Verarbeitungsqualität, aber auch für die Passgenauigkeit der Teile und deren Funktion gewährleisten. Der Inhaber oder Unternehmer der Fabrik trug das unternehmerische Gesamtrisiko für den Fall, daß das französische Kriegsministerium, vertreten durch einen an die jeweilige Manufaktur entsandten Abnahmeoffizier, Waffen schlechter Qualität ablehnte. Ein gut funktionierendes Kontrollsystem war für den Bestand des Betriebes daher von entscheidender Bedeutung. Aber auch für die einzelnen Handwerker der Gewehrfabrik war die Kontrolle von großem Interesse, hing doch davon ihr Verdienst ab. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen: Ein vom Schmied roh gefertigter Lauf wurde, bevor er ihn dem nächsten Bearbeiter übergab, dem Kontrolleur vorgelegt; stellte dieser Mängel am Rohling fest, ging der Lauf wieder an den Laufschmied zurück, wobei die Kosten für die verlorene Arbeitszeit dem Schied vom Lohn abgezogen wurden. Hatte der Kontrolleur aber den Lauf für gut befunden, und erst der im Fertigungsprozess Nachfolgende deckte im Laufe der Weiterbearbeitung des Rohlings versteckte, durch den Laufschmied zu verantwortende Fehler auf, ging der Lauf ebenfalls an den Schmied zurück, wobei der nachfolgende Bearbeiter vom Laufschmied die Erstattung seines Zeitverlustes verlangen konnte. Dieses Verfahren zog sich durch den gesamten Produktionsablauf, konnte aber nur effektiv sein, wenn alle Meister ihre Ausgangsteile mit ihrer eigenen, unverwechselbaren Marke zeichneten, an Hand deren die jeweiligen "Sündenböcke" herausgefunden werden konnten. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, das gesamte Fertigungsverfahren in den französischen Manufakturen einschließlich der verwendeten Handwerkermarken zu beschreiben, zumal diese Marken oft durch nachfolgende Arbeitsgänge wieder ausgelöscht worden sind. Wesentlich interessanter für den Fachmann, aber auch für den Waffensammler sind die Beschuss- und Kontrollmarken der jeweiligen Manufakturen, da diese in aller Regel eine unverwechselbare zeitliche Einordnung der Feuerwaffen zulassen (8).

Der wichtigste Schritt im Entstehungsgang einer Waffe war der Beschuss des Laufes, der nach positivem Abschluss vom entsprechenden Kontrolleur durch seinen Namensstempel und die beiden Endziffern des betreffenden Jahres an der linken Seite des Pulversacks bestätigt wurde. Allerdings sind auch hier innerhalb der verschiedenen Manufakturen Unterschiede festzustellen. Während in Charleville und Maubeuge in der Regel wie oben erwähnt verfahren wurde, schlug der Kontrolleur von St. Etienne das dort schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts übliche Beschusszeichen, ein gespiegeltes "L" unter Krone (9) mit der Jahreszahl ein. Das Ein­schlagen dieser Kontrollstempel geschah im übrigen bei allen Manufakturen immer im Beisein des vom Kriegsministerium abgestellten Abnahmeoffiziers.

Ein weiterer Kontrollstempel ist auf dem Schloßblech zwischen Hahn und Pfanne, oberhalb der Herstellersignatur zu finden. Hierbei handelt es sich um das Namenszeichen des für die Qualitäts- und Funktionsüberprüfung der Schlösser zuständigen Kontrolleurs. Die Endkontrolle der fertigen Waffe wurde durch einen, bei gut erhaltenen Waffen oft noch erkennbaren Holzstempel an der linken Schaftseite hinter dem Gegenblech dokumentiert. Für St. Etienne waren dies die Buchstaben "S" und "E", sowie das Namenszeichen des die Endabnahme durchführenden Inspektors, wobei die Buchstaben in der Regel quadratisch angeordnet waren, in ihrer Mitte eine Lilie und obenauf eine Krone zeigten. In Charleville und Maubeuge wur­den nur die Namenszeichen und eventuell die betreffende Jahreszahl, auf zwei Ziffern abgekürzt, eingeschlagen.

Auf den Schlossplatten der Pistolen M 1763/66 ist generell das Signum der Herstellermanufaktur eingraviert. Dieses lautet: "Manufacture de Charleville, de Maubeuge oder de St.Etienne", je nachdem, wo die Pistole gefertigt worden ist. Lediglich die im Zeitraum von 1769 bis 1771 in St. Etienne produzierten Pistolen erhielten den Zusatz "Royale", welcher danach wieder wegfiel. Dies hängt damit zusammen, daß der Manufaktur St.Etienne im Jahre 1769 zwar ein Patentbrief ausgestellt worden war, der es dem dortigen Unternehmer genehmigte, das "königliche" Prädikat zu führen, doch wurde dieses königliche Privileg anlässlich der oben erwähnten Affäre und der damit im Zusammenhang stehenden gerichtlichen Untersuchung wieder zurückgenommen.

Auch eine andere Besonderheit, lediglich an den Pistolen aus der Manufaktur St. Etienne zu finden, ist dieser Affäre zuzuschreiben. Während alle anderen Manufakturen auf der Schwanzschraubenverlängerung die Modellbezeichnung, also "M 1763" eingraviert haben, zeigen die Pistolen aus St. Etienne hier die Angaben "1774", "1775", oder "1776". Hierbei handelt es sich aber keineswegs um wegen der runden Schlossausführung zu vermutende St.Etienne-eigene Modellbezeichnungen, sondern einfach um die Angabe des Fertigungsjahres. Dieses Verfahren ging zurück auf eine Anordnung der im Abschluss an den zitierten Prozess neu eingesetzten Führungspersönlichkeiten im nachgeordneten Bereich des Kriegsministeriums, wurde aber nach erfolgter Rehabilitierung der betroffenen Beamten wieder zurückgenommen.

Abschließend bleibt festzustellen, daß die Pistole M 1763/66 ab ca. 1780 vom nachfolgenden, gänzlich neu entwickelten, allerdings bei weitem nicht so erfolgreichen Pistolenmodell M 1777 abgelöst wurde, um danach in leicht veränderter Ausstattung nochmals eine weitere Karriere zu erleben.

Anmerkungen:

  1. siehe DWJ 3/ 1991 S. 392-397
  2. Jean Boudriot, Les Pistolets 1763/1766, in: Gazette des Armes Nr. 32, November 1975, S.35-40.
  3. ebenda.
  4. Maße entnommen aus: Jean Boudriot, Les Armes Ó Feu Françaises 1717-1836, 4 Bde., Paris 1978, Bd.1, Pistolet pour la cavallerie et les Dragons Modèle 1763/1766.
  5. wie Anm 2.
  6. wie Anm 1:
  7. wie Anm.2.
  8. vergleiche hierzu: Udo Lander, Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums Rastatt, 2, Handfeuerwaffen Teil III Baden (bis 1870), Freiburg 1987, S.43/44.
  9. wie Anm.1.

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