Die neupeußische Kavalleriepistole M 1813
Geschichte
DIE NEUPREUSSISCHE KAVALLERIEPISTOLE M 1813 - SCHARNHORST
FERTIGUNG GEWEHRFABRIK POTSDAM - SPANDAU
Text: Udo Lander
Die Niederlage Preußens in der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt am 14.Oktober 1806, die Besetzung des Landes und der Festungen durch französische Truppen sowie die bedrückenden
Kontributionszahlungen waren für den König Friedrich Wilhelm III.., das Land und seine Bevölkerung zwar mehr als schmerzlich, hatten aber neben den vielen negativen doch auch eine gute Seite: Die allgemeine Notzeit erweckte im Volk und den Regierenden ungeahnte Kräfte und einen bisher nicht gekannten Reformeifer, galt es doch, alte, verkrustete Strukturen durch zeitgemäßere und den Gegebenheiten gerecht werdende zu ersetzen. Alle Bereiche des staatlichen Lebens kamen auf den Prüfstand und insbesondere das Militär, das strengen Restriktionen durch die Besatzer unterworfen war, erhielt eine völlig neue Formation und Ausrüstung.
Schon im Juli 1807 hatte eine vom König eingesetzte Militär-Reorganisationskommission unter Vorsitz von Generalmajor von Scharnhorst die Einführung eines verbesserten, modernen Infanteriegewehres vorgeschlagen, das sich am französischen Vorbild M 1777 corrigé An 9 orientierte und dessen Erprobung mit der vom König am 19. Mai 1809 genehmigten Einführung ihren vorläufigen Abschluss fand. Noch während seiner Truppenverwendung wurden weitere Änderungen und Verbesserungen vorgenommen. Auch die Pistolenausrüstung der preußischen Kavallerieverbände wurden einer kritischen Prüfung unterzogen und Mitte August 1812 begannen die Aktivitäten zur Entwicklung einer neuen Pistole für die Reiterei. Als Vorbild diente wiederum französische Waffen, die Kavalleriepistolen der napoleonischen Reiterei M an 9 und M an 13, allerdings unterschied sich der von General von Scharnhorst vorgeschlagene Entwurf doch sehr deutlich vom französischen Pendant. Der Entwurf besaß zwar einen nahezu formgleichen Kolben mit Kolbenkappe, jedoch keinen eigenen Ladestock, also auch keine Ladestocknut mit entsprechenden Röhrchen, hatte ein konisches Zündloch, eine im oberen Viertel nach vorne abgewinkelte Schlagfläche der Batterie und ein Messingkorn auf dem Lauf.. Die Probestücke zu diesem Entwurf wurden in der Gewehrfabrik Neiße gefertigt. Eine Serienproduktion begann dort aber erst 1813, war aber sicherlich nicht von langer Dauer.
Auch in der Gewehrfabrik Potsdam-Spandau bemühte man sich offensichtlich, eine neue Pistole zu entwerfen und herzustellen. Doch unterschieden sich die Waffen aus Neiße und Potsdam-Spandau ganz erheblich. Der Hauptunterschied lag in der Form des Kolbens und der Kolbenkappe, die beim Muster aus Potsdam-Spandau noch sehr an die letzte altpreußische Pistole M 1789 erinnert. Auch Abzugsbügel und Schlossgegenblech haben eine andere Form. Während die ersten in Potsdam-Spandau produzierten Pistolen M 1813 noch flache Schlossbleche mit ebensolchen Herzhähnen sowie einen auf seiner gesamten Länge runden Lauf besaßen, erhielten die nach 1813 bis um 1824 dort gefertigten Pistolen gewölbte Schlösser mit am Pulversack kantigen Läufen, auch besaß die Pistole nun zum erstenmal einen an der Schaftunterseite verschraubten Laufring, welcher Schaft und Lauf zusammenhielt. Diesem Muster entspricht die hier vorgestellte Pistole.
Scharnhorst, Gerhard Johann von (1756-1813), preuß. General, Reformator des Heeres. Zusammenarbeit mit Stein, Hardenberg, Humboldt, Gneisenau, Boyen.
Preußen war auf die Funktion eines Pufferstaates zusammengeschrumpft, hatte die französische Besatzung zu erdulden, mußte die fremden Truppen versorgen, die gigantischen Kontributionszahlungen an Frankreich leisten und konnte zugleich nichts gegen die dreisten und von Napoleon hervorragend organisierten Plünderungen von Kunstgegenständen unternehmen. Das Heer war um die Hälfte verkleinert.
Gerhard Johann David Scharnhorst war bäuerlicher Herkunft. Der Niedersachse behielt seine Kargheit und Schlichtheit Zeit seines Lebens und starb doch als königlich preußischer Generalleutnant, mit einem preußischen Adelspatent. Scharnhorst gehörte zu den großen Soldaten, die durch ihre Selbstzucht und durch ihr Schweigen immer ein wenig rätselhaft blieben. Gneisenau nennt ihn einen der merkwürdigsten Soldaten und Staatsmänner, auf welche Deutschland je stolz sein durfte. Clausewitz, sein Schüler: Ein solcher Geist konnte Früchte still zeitigen, aber nicht wie andere mit Blüten prangen. Seine zurückhaltende Art kam bei König Friedrich Wilhelm, der Steins polternde Dominanz stets fürchtete, und Gneisenaus Visionen nicht folgen konnte, gut an.
Obwohl Scharnhorst ein erfolgreicher Militärschriftsteller wird, ist er in seiner Rhetorik immer ein wenig hilflos. Immerhin gelingt ihm als Bürgerlichen der Aufstieg in der hannoveranischen Armee. Er wird in der bürgerlichen Waffengattung, der Artillerie, Offizier und zugleich Lehrer an der neu gegründeten Artillerieschule in Hannover. Als Spezialist wird er dann an die spätere Militärakademie nach Berlin berufen.
Schon früh entwickelt Scharnhorst dort die Idee von der Volksarmee oder Nationalmiliz: Nur dadurch, daß man die ganze Masse des Volkes bewaffnet, erhält ein Kleines (Land) eine Art von Gleichgewicht der Macht in einem Defensivkriege gegen ein Größeres (Land), welches einen Unterjochungskrieg führt und angreift. Diese Denkschrift erschien Monate vor der Niederlage von Jena und Auerstedt.
In den Jahren nach Jena und Tilsit stieg Scharnhorst zum Leiter der preußischen Militärpolitik auf: zuerst als Generaladjutant des Königs, dann als Leiter der Militär-Reorganisationskommission und später defacto als Kriegsminister.
Kurz nach dem Tilsiter Frieden wurde von Friedrich Wilhelm III. eine Militär-Reorganisationskommission einberufen und der Generalmajor von Scharnhorst am 25. Juli 1807 mit dem Vorsitz betraut. Der König hatte Scharnhorst im Jahre 1801 als Lehrer an die Berliner Kriegsschule berufen (Leitung der Offizierslehranstalt). Clausewitz zählte hier zu seinen Schülern. Scharnhorst war durch die Veröäffentlichung einer Reihe von militärischen Schriften bekannt geworden. In der Militärischen Gesellschaft, deren Gründer er war, wurden notwendige Neuerungen diskutiert, ohne daß man sich damit bereits hätte durchsetzen können.
Die Königsberger Kommission hatte anfangs den Auftrag, die Verfehlungen der Offiziere und Generale in den Jahren 1806/07 zu untersuchen, insbesondere, ob sie sich des Verrats oder der Feigheit schuldig gemacht hatten. Scharnhorst stellte die Aufgabe in einen größeren Zusammenhang. Scharnhorst, der heute unter den Reformern am weinigsten Bekannte, war nicht nur der exellente Militärstratege mit klarem Blick für überholte, verkrustete Strukturen, er war zugleich auch Staatsmann. Er betrieb die Heeresreform, mit großer Energie und Ausdauer und vermochte sich trotz Rückschlägen gegen den König und andere konservative Kräfte durchzusetzen. Zu seinen hervorragenden Mitarbeitern zählten August Neithardt von Gneisenau (sein Nachfolger), Carl von Clausewitz (durch sein militärtaktisches Werk Vom Kriege wesentlich bekannter geworden), Hermann von Boyen und Karl von Grolmann.
Im Zuge der Heeresreform wurde das Privileg des Adels bei der Besetzung von Offiziersstellen abgeschafft. Für die Beförderung war einzig der Verdienst wichtig, nicht die Herkunft. Trotz allem blieb das Offizierskorps jedoch überwiegend adlig. Der übertriebene Exerzierdrill wurde zugunsten einer gefechtsnahen Ausbildung abgelöst, entehrende Strafen wie Spießrutenlauf und Prügelstrafe wurdeabgeschafftt. Der wichtigste Punkt der Heeresreform war jedoch, daß Scharnhorst Schritte einleitete, um die Armee im Bewußtsein des Volkes fest zu verankern. Er vertrat die Auffassung, daß ein jeder Bürger eines Staates bereit sein müsse, diesen zu verteidigen. Verbürgerlichung des Heeres. Es wurde die allgemeine Wehrpflicht (Dienstzeit drei Jahre) eingeführt, zugleich die Landwehr und der Landsturm gebildet. (Volksarmee).
Scharnhorst gilt als Erfinder des Krümpersystems. Hierdurch war es der preußischen Armee möglich, eine größere Anzahl an Rekruten auszubilden, als die offiziell erlaubten 42.000 Mann. Die Soldaten wurden ausgebildet, danach beurlaubt und durch Nachrücker ersetzt. Obwohl dieses System sehr zur Popularität der preußischen Armee beitrug, war die Gesamtzahl der tatsächlich ausgebildeten Soldaten in der Armee nicht wesentlich höher als 42.000. Hinzu kamen noch 120.000 Mann der Landwehr.
1807 übernahm Scharnhorst de facto die Funktion des preußischen Kriegsministers. Das Ministerium wurde jedoch erst 1809 gebildet. Scharnhorst legte jedoch 1812 sein Amt nieder, als Preußen gezwungen war, in die napoleonische Allianz gegen Rußland einzutreten und ein Hilfskorps abstellen mußte. Anders als Clausewitz und Boyen, die aus patriotischen Gründen zum Übertritt in russische Dienste bereit waren (in denen Stein bereits stand), diente Scharnhorst, nachdem Preußen die Seiten gewechselt hatte, als Generalstabschef in Feldmarschall Blüchers Armee.
Gegen den Widerstand der reaktionären Kräfte, zu denen in erster Linie der Adel zählte, gelang es Scharnhorst und den Mitarbeitern durch die eingeleiteten Maßnahmen die Effizienz des preußischen Heeres zu steigern. Das längst überholte, aus dem Jahre 1733 stammende Kantonsprinzip, wonach jeder Heeresbezirk eine Anzahl von Wehrpflichtigen stellen mußte und das keinerlei Wehrgerechtigkeit zuließ, wurde am 4. September 1814 durch das Dienstpflichtgesetz nach französischem Vorbild ersetzt, zu diesem Zeitpunkt war Scharnhorst bereits an den Folgen einer Kriegsverletzung, die er sich 1813 in der Schlacht bei Groß-Görschen zugezogen hatte gestorben.
Hermann von Boyen wurde 1814 Kriegsminister, er machte seinen Einfluß bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht geltend.