Österreichische Pistole vom Jahr 1798


Geschichte


Text: Joschi Schuy

Pistole vom Jahre 1798

Unbestritten ist, dass lange Zeit für den Kavalleristen der Säbel einen höheren Stellenwert hatte und die Pistole als lästig und beschwerlich angesehen wurde. Trotzdem war vorgesehen, dass der Kavallerist ”so abgerichtet und geübt werde, die Pistole gehörig zu behandeln, und damit sowohl im Stehen als im Galopp unbewegliche und sich bewegende Objekte in einer angemessenen Entfernung wenigstens öfters zu treffen als zu fehlen”.

Diese Äußerung, entnommen einer von FML Frh. von Unterberger u l. August 1802* an den HKR gerichteten Niederschrift über ”Die wesentlichen Kenntnisse der Feuerwaffen”, dient als wichtige Aufzeichnung über die Pistole, auch später über die Infanterie-Offiziers-Pistole der Ara 1798, auf die ich noch kommen werde.

In mehreren Punkten fasst er die Beschaffenheit einer Kavalleriepistole zusammen, wie sie sich am besten für den Kavalleristen eignet.

Da die Pistole für eine Schussweite von maximal 50 Schritt vorgesehen war, sollte sie eine bestimmte Lauflänge nicht überschreiten, weil sie sonst zu schwer würde. Diese Länge wurde mit ca. 10 Zoll (260 mm) festgesetzt.

Das Kaliber sollte eher kleiner als zu groß sein, da die Pulverladung dem Kaliber entsprechen musste, und eine stärkere Ladung einen unsicheren Schuss nach sich zog. Dabei berücksichtigt wurde auch, dass das Kaliber mit den der Kavalleriegewehre identisch sein sollte.

Die Krümmung des Schaftes musste so beschaffen sein, dass bei zum Schusse ausgestreckter Hand die beiden Visierpunkte so schnell als möglich zusammengebracht werden konnten.

Das Batterieschloss sollte zur Pistole ein bestimmtes Größenverhältnis haben und der Hammer leicht mit dem Daumen ergreifbar sein.

Um die Pistole durch den eisernen Ladestock nicht zu erschweren, sollte er wie bisher weiterhin an der Brust des Reiters an einem Riemen getragen waren.

Alle diese vom FNL Frh. Von Unterberger angeführten Punkte waren die Grundlage für die Schaffung der Pistole vom Jahre 1798.

Neue Erkenntnisse

In meiner langjährigen Sammlertätigkeit ist mir immer wieder aufgefallen, dass es verschiedene Ausführungen von Pistolen M. 1798 gibt. Ich meine damit nicht nur jene Ausführung mit flacher und runder Schlossplatte, sondern auch die Unterschiede in der Stärke des Laufes. Ich habe diese Feststellung immer damit erklärt, dass dies im Rahmen der Herstellung mit den damals in gewissen Fällen üblichen Toleranzen von bis zu plus minus 10 % liegt, wie es uns aus den zeitgenössischen Übernahmevorschriften bekannt ist.

Die Akten im Kriegsarchiv Wien sind voller Geheimnisse, die zu klären Generationen in Anspruch nehmen würde, wobei sich diese immer nur mit einem Thema befassen müssten, nämlich der Entwicklung der österreichischen Militärwaffen.

So kam mir der Zufall wieder einmal zu Hilfe und in einem Akt aus dem Jahre 1817 bin ich fündig geworden.

In einem Entwurf des AHZA vom 6. Juni 1817 wurden Klagen der Regimenter bezüglich der neuen Gewehrgattung (1798) geführt. Die Gewehre stoßen zu sehr, die Batterie sei zu weich, die Schäftung erschwere das Zielen. Mit dieser Bemerkung, die bereits in das Jahr 1814 zurückreichte, wurde ersucht, die Mängel durch weitere Versuche zu beheben.

In dem beigelegten Verzeichnis (sechs Seiten) sind Mustergewehre angeführt, beschrieben und deren Stückzahl aufgelistet. Weiteres wurden dabei Versuchsgewehre mit französischen und österreichischen Komponenten geschaffen. Eingaben von Büchsenmachern, unter anderem bezüglich neuartiger Bajonette, befinden sich ebenfalls in den Akten- Beständen des AHZA. Alle diese Gegenstände sind musterhaft beschrieben und geben uns einen tatsächlichen Überblick über jenes Versuchsprogramm, das zur Einführung der 1798er-Serie geführt hat. Es handelt sich weitgehend um jene Versuchswaffen, die damals zur Schaffung der neuen Handfeuerwaffen erprobt wurden.

Darunter befindet sich auch der Hinweis über die Fertigung der Kavalleriewaffen 1798 (Husaren- u. Dragonerkarabiner), die im Jahre 1798 und 1808 in unterschiedlicher Laufstärke gefertigt wurden. Folgende wichtige Eintragung, wonach auch die Ausführung der Pistole vom Jahre 1798 in zwei Versionen gestaltet wurde, wird hier erwähnt.

Dieses Verzeichnis wirft zuerst die "54 löthige Cavalleriepistole, wie sie von der k. k, Hofkommission vom Jahre 798” auszuführen war aus, Deren Gewicht wird mit 2 Pfund und 8 1/2 Loth angegeben. Dies entspricht 1.269 Gramm.

"Nach der im Jahre 808 festgesetzten Eisenstärke construiert nach dem verstärkten ausgearbeiteten Laufsperrmaß” wird die zweite Pistole mit einem Gewicht von 2 Pfund und 7 1/4 Loth angegeben, was umgerechnet 1.247 Gramm ausmacht. Auf Grund der schwächer ausgeführten Laufstärke konnte eine Gewichtsverminderung von immerhin 22 g erreicht werden, die in der Ausführung der Pistole ab dem Jahre 1808 dadurch zum Ausdruck kommt, dass diese Waffe etwas schlanker gearbeitet erscheint.

Natürlich muss man auch hier trotzdem geringe Gewichtstoleranzen zur Kenntnis nehmen, welche bei der Überprüfung des einen oder anderen Realstückes auffallen und der tatsächliche Unterschied nur an der Lauf- stärke gemessen werden kann.

Gabriel geht in seinem Buch auf Seite 67 ebenfalls auf diese Änderung im Jahre "808" ein, erweckt jedoch durch seine Beschreibung den Eindruck, dass bei dieser Änderung 1808 die Läufe der Pistole 1798 nicht verschwächt, sondern verstärkt wurden.

Im Verzeichnis des AHZA wird die Änderung der Eisenstärke sehr unklar ausgedrückt. So kann man das unterschiedlich interpretieren, wobei ich glaube, dass meine Erklärung die richtige ist:

Mit dem schwachen Laufsperrmaß des Jahres 1798 wird die Wandstärke der Pistole gemessen, die eine stärkere Wandstärke aufweist.

Mit dem verstärkt ausgearbeiteten Laufsperrmaß vom Jahre 1808 kann eine schwächere Wandstärke gemessen werden, was wiederum eine Gewichtsverminderung des Laufes von ca. 22 g mit sich bringt.

Diese Unterlagen zeigen uns, dass bei der Pistole mit flacher Schlossplatte von zwei Modellen gesprochen werden muss, jene Grundausführung vom Jahre 1798 und jener Verbesserung mit geringerer Laufstärke vom Jahre 1808.

Beschreibung der Pistole von Jahre 1798 und 1808

Die Pistole ist in Nußholz geschäftet, hat ein flaches Batterieschloss mit flachem Herzhammer, sowie eine in Messing doppelt gelagerte Pfanne. Die Batterie besitzt eine Stolpe. Darunter versteht man einen nach vorne gebogenen Fortsatz der Batterie zur besseren Handhabung. Der Lauf ist rund, blank geschliffen und im rückwärtigen Teil seitlich beidseitig abgeflacht. Der Laufring sowie alle Beschläge sind in Gubmessing ausgeführt. Am vorderen Band des Laufringes ist, aus diesem herausgearbeitet, als Zieleinrichtung das Korn, angebracht. Verbunden ist der Lauf mit dem Schaft durch den Laufring, der 4 mm nach der Mündung angesetzt ist, weiteres durch die Kreuzschraube an der Schwanzschraube, die zum Züngelblech reicht. Der Abzugsbügel ist aus einem Stück gefertigt. Vorne ist er mit dem Züngelblech mit einer Schraube und rückwärts, wo seine Verlängerung gleichzeitig als Schaftschiene dient, mit zwei Holzschrauben mit dem Schaft verbunden. Die Schaftkappe umschließt den Knauf’ und ist mit zwei Holzschrauben angeschraubt,

Fertigung

Zum ersten Mal in der Waffengeschichte der k. k. Armee wurde die Produktion einer neuen Waffenserie nicht nur nach vorgelegten Mustern durchgeführt, sondern es werden dazu auch eigene Zeichnungen angefertigt.

Es gibt mehrere Tafeln derartiger Zeichnungen im KA-Wien. die im Jahre 1809 von einem "Hieron Benedieti gestochen” wurden” und die jeweiligen Beschlagteile, Abzugseinrichtung, Schrauben, Schloss und Schlossteile von Handfeuerwaffen der 1798er Serie in allen Ansichten zeigen. Diese Zeichnungen sind sehr wahrscheinlich im Auftrage des AHZA angefertigt worden. Es gibt dazu keinen Text. Anzunehmen ist aber, dass diese Zeichnungen dazu benutzt wurden. um sie zur Anfertigung der Handfeuerwaffen an Büchsenmacher auszugeben.

Jeder Teil ist exakt nummeriert, und wird in natürlicher Größe in allen möglichen Ansichten dargestellt.

Ebenso wie in europäischen Waffenfabriken geschah auch in Österreich das Schmieden der Läufe von Pistolen und Gewehren über einem eisernen zylindrischen Dorn, Die meisten Kleinbetriebe waren in der Nähe eines Flusses oder Baches angesiedelt, mit dessen Wasser sie ein Hammerwerk betreiben konnten. Je öfter das Eisen im Feuer geschmiedet wurde, desto reiner und zäher wurde das Material für Teile und Läufe.,

Das Schmieden der Läufe begann mit einem glühenden Bandeisen. welches über den Dorn gerollt wurde und übereinander zu liegen kam, Das übereinander liegende Bandeisen wurde daraufhin mit dem Hammer solange bearbeitet, bis sich die Teile miteinander innig verbanden.

Bei guter Arbeit blieb der Ausschuss relativ gering, so kamen auf 100 Stück lediglich ca. 10 unbrauchbare Läufe.

Nach dem Schmieden wurden die Läufe ausgeglüht. um sie für das Bohren weich zu machen. Dazu wurden bereits Bohrmaschinen verwendet, die 150-180 Umdrehungen in der Minute erreichten."

Die Bearbeitung von Läufen der vorhergehenden Pistolenmodelle war durch Schleifen vorgenommen worden. Die Ausarbeitung der äußeren Oberfläche der Läufe wurde ab 1798 jedoch bereits durch Abdrehen auf speziell entwickelten "Drehmaschinen” vorgenommen. Sowohl bei namhaften Lieferanten, als auch in den ärarischen Betrieben waren derartige Drehbänke im heutigen Sinne vorhanden, Zu Messzwecken wurden bereits Lehren verwendet, mit denen unter anderem die vorgeschriebene Wandstärke der Läufe gemessen wurde. Das Gewindeschneiden für die Schwanzschrauben wurde nur erfahrenen Büchsenmachern überlassen, da bei diesem Arbeitsgang sehr viele Läufe verdorben wurden,

Das Prinzip, nach welchem diese Schwanzschrauben-Schneidmaschine konstruiert war, bestand darin, dass diese genauso wie eine Bohrmaschine funktionierte und mit einem Gewindebohrer versehen war Am Pulversack des Laufes befestigte man eine Führungshülse, in der sich eine Gewindeführung für den Gewindebohrer befand. Auf diese Art und Weise konnte der Gewindebohrer exakt in den Pulversack eingeführt und damit ein genaues Einschneiden der Gewinde erreicht werden,

Für das Schmieden der Schwanzschrauben wurde besseres Eisen verwendet, das nach dem Schmieden ausgeglüht wurde, um es besser bearbeiten zu können. Nach Fertigstellung erfolgte das Einschneiden des Schwanzschraubengewindes, welches mit einem Handschneideisen vorgenommen wurde. Das Aushöhlen und das Härten der Schwanzschraube sowie das Zusammensetzen des Laufes mit der Schwanz- schraube beendete diesen wichtigen Arbeitsschritt.

Die eingepasste Schwanzschraube wurde wieder entfernt und durch eine Beschussschwanzschraube ersetzt, um den Lauf für den Beschuss zu verschließen. Da das Zündloch im Lauf erst nach dem Beschuss gebohrt wurde, besaß die Beschussschwanzschraube ein Zündloch, durch das die Beschussladung gezündet wurde. Das Tormentieren erfolgte mit doppelter Ladung unter Aufsicht eines Offiziers.

Nach erfolgreichem Beschuss wurden die Läufe mit dem Beschusszeichen, dem Doppeladler, gestempelt. Daraufhin entfernte man die Beschussschwanzsschraube, die vorher eingepasste Schwanzschraube wurde wieder eingesetzt und das Zündloch gebohrt. Die Läufe setzte man einige Wochen der Witterung aus, damit die Oberflächen Rost ansetzten. Der Rost ließ erkennen, ob sich an den Läufen Unregelmäßigkeiten wie Schiefer, Brüche, schlechte Schweißnähte oder andere Fehler zeigten.

Das endgültige Fertigstellen der Läufe geschah nach einer Kontrolle, und wenn es erforderlich war, durch Nacharbeiten mit einer Feile,

Die Schloss- und sonstigen Pistolenbestandteile wurden aus Gusseisen hergestellt und nach Schablonen bearbeitet.

Nach Ausschneiden der Schlossplatte wurde diese mit Lehren vermessen und gegebenenfalls durch Feilen nachgearbeitet. Ebenso wurden Schablonen verwendet, um die erforderlichen Ausnehmungen und Muttergewinde an der Schlossplatte zu bohren, Eine weitgehende Gleichförmigkeit der Schlösser konnte damit erreicht werden.

Die Nussen der Schlösser wurden auf einer Nuss-Abdrehmaschine aus- gearbeitet, die nach einer Erfindung eines Meisters der ärarischen Feuergewehrfabrik angefertigt wurde. Diese Erleichterung machte es möglich, dass die Herstellung einer Nuss nur mehr vier Minuten in Anspruch nahm.

Das Zusammensetzen der Schlösser erfolgte von gut eingearbeiteten Meistern, die auf Grund ihrer Erfahrung dazu ausgewählt wurden. Die Schlösser wurden anschließend zum Härten gegeben und dann in Essig gebeizt,

Die als gut und brauchbar angeerkannte Schlösser wurden vom Obermeister oder Controller mit der Jahreszahl und dem Doppeladler gestempelt. Diese Schlossbestempelung fand aber erst ab 1828 statt.

Die Bearbeitung des Schaftholzes wurde nach einer Untersuchung, ob Sprünge, Risse und dergleichen vorhanden waren, vorgenommen. Die Verarbeitung des Schaftes geschah auf einem Schraubstock und auf einem hölzernen Sattel, der entweder zur Unterstützung des Kolbens oder des vorderen Schaftteiles diente. Mit einem Schneidmesser wurde das rohe Holz auf sein Modell vorbereitet und mit Handbeilen und Meißel weiter bearbeitet. Die Einlassung des Laufes wurde mit dem Hohlmeißel ausgeführt und die Laufmulde mit dem Nuthobel nachgehobelt.

Die Einlassung des Schlosses musste die genaue Kontur der Schlossinnenseite aufweisen. Lediglich die Hauptschlagfeder und Nuss durften für Ihre Bewegungen einen Spielraum erhalten.

Nachdem der Schaft aus den Händen des Schäfters kam, wurde er vom Meister untersucht und gestempelt. Die Nussholzschäfte wurden zur Konservierung mit Öl eingestrichen,

Nach Fertigstellung und ordnungsgemäßer Übernahme wurden die Hand- und Faustfeuerwaffen ins Artillerie-Zeugs-Depot (AZD) eingeliefert und dort bis zu ihrer Verteilung konserviert und aufbewahrt.



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