Die peußische Jägerbüchse M 1811
Geschichte
Text: Udo Lander
Nach eingehenden Versuchen in den Jahren 1809 und 1810 erhielten die preußischen Jäger ab 1811allmählich eine neue Steinschlossbüchse mit Stecher, die von ihrer Konstruktion her weitaus solider war, als ihre Vorgängermuster. Zwar wurde eine Einführungsordre für diese neue Büchse bis heute nicht gefunden, doch ist ein Lieferauftrag vom 1. Juli 1811 an die Potsdamer Gewehrfabrik belegt, nach dem die Gebrüder Schickler zunächst 100 Jägerbüchsen liefern sollten, jedoch eine jährliche Fertigung von 500 Stück vertraglich festgelegt war. Leider sind jedoch bis heute keine Realstücke aus der Zeit der frühen Fertigung aufgetaucht. Die wenigen, bis heute unverändert erhalten gebliebenen Büchsen M 1811 stammen zumeist aus der Fertigungsperiode der 20er-Jahre des 19. Jahrhunderts.
Interessant an der vorliegenden Büchse ist die nicht aus Messing, sondern aus Eisen gefertigte Pfanne, die an weiteren Exemplaren nachgewiesen werden kann. Die Hintergründe für diese unterschiedliche Fertigung sind bisher leider nicht bekannt geworden.
Auch nach dem Fertigungsbeginn der Büchse im Jahre 1811 hat es noch Überlegungen zu Detailänderungen gegeben. So wurde ab 1812 der Vorderschaft etwas verkürzt und anstelle eines Nasenbandes erhielten die Büchsen nun ca. 83mm lange, an der Laufunterseite doppelt verschraubte Vorderschaftkappen, an denen gleichzeitig der Hirschfängerhaken angebracht war. Dies hat sich offensichtlich aber nicht bewährt und bereits ab 1823 wurden diese großen Schaftkappen durch weitaus kleinere ersetzt und der Hirschfängerhaken am Lauf direkt befestigt.
Entsprechend dem taktischen Auftrag der Jäger war die Büchse als Präzisionswaffe konstruiert, mit der gezielte Einzelschüsse auch auf große Entfernung abgegeben werden konnten. Diese Präzision wurde durch den gezogenen Lauf erreicht, dessen Züge dem Geschoss einen stabilisierenden Drall vermittelten. Die damit erreichte Treffgenauigkeit musste aber mit einem aufwendigen und zeitraubenden Ladevorgang erkauft werden, bei dem die von einem Pflaster umkleidete Kugel (Barchent) nach dem Einbringen des Pulvers in den Lauf erst mit dem Ladehammer an der Mündung angesetzt, mit dessen Stil etwas den Lauf hinuntergedrückt und dann mit dem stabilen Ladestock den Lauf hinuntergerammt wurde. Das mit zunehmender Schusszahl durch die Pulverrückstände immer kleiner werdende Laufkaliber erschwerte den Ladevorgang immer mehr, bis es auch unter größter Kraftanstrengung, selbst unter Zuhilfenahme von schweren Feldsteinen, mit denen der Ladestock nach unten geschlagen wurde, nicht mehr möglich war, die Büchse zu laden. In diesem Falle musste der Lauf ausgewaschen werden. Während dieser umständlichen und sehr langwierigen Ladeprozedur war der einzelne Jäger völlig wehrlos. Um aber solche prekären Situationen zu verhindern, führte der Jäger noch zwei Sorten Patronenmunition, bestehend aus Papierhülse, Kugel und Pulver mit sich. Die sogenannte „Passpatrone“ war ein fertig abgepackter Einzelschuss mit Pflasterkugel und ersparte dem Schützen den Gebrauch von Pulverflasche und Lademaß. Das Geschoss der „Spielpatrone“ hatte ein etwas kleineres Kaliber als das Passgeschoss und konnte deswegen ohne große Mühe in den Lauf eingebracht und nach unten gedrückt werden. Die Führung der Züge übertrug sich in diesem Fall auf das mit eingeschobene Patronenpapier und damit auch auf das Geschoss.
Die Jägerbüchsen M 1811, deren mengenmäßig größter Anteil sicherlich erst nach den Befreiungskriegen in den Gewehrfabriken Potsdam und Neiße sowie in Suhl produziert wurde, blieben nach weiteren, noch zweimaligen Änderungen, bis zum Jahre 1854 Standardwaffe der preußischen Jäger. Danach begann ihr Ersatz durch die Zündnadel-Pikenbüchse M/54 und damit ihre zweite Karriere als Defensionsbewaffnung bei der Landwehr.