Der sächsische Kavalleriekarabiner M 1847
Geschichte
Text Udo Lander u. Hans Dieter Brucksch
Ein Beschluss der deutschen Nationalversammlung und die darauf gegründete Verfügung des Deutschen Bundes besagten, dass die Stärke der Truppen sämtlicher Bundesstaaten je 2% der betreffenden Bevölkerung betragen sollte.. Deshalb forderte eine Kriegsministerialverfügung vom 7. Juni 1849, den Bestand der sächsischen Armee durch Einstellung der Kriegs- und Dienstreserve auf 25.000 Mann zu verstärken.
Nach §27 der Bundeskriegsverfassung waren für die doppelte Bewaffnung des zu stellenden Haupt- und Reservekontingents entsprechende Feuerwaffen bereitzustellen. Die Restbestände im Hauptzeughaus Dresden von 116 Pistolen und 115 Karabinern M 1812/38 UM reichten jedoch für die Kriegsreserve nicht mehr aus. Deshalb erging durch Kriegsministerialverfügung vom 15. November 1846 die Anweisung, in den Jahren 1847 und 1848 neue Waffen anzuschaffen. Speziell für die Reiterei sollten neben einer stattlichen Anzahl von Pistolen auch noch 417 Karabiner als Kriegsreserve neu gekauft werden
Zwang zur Erneuerung
Da von den Reiterregimentern immer wieder Beschwerden über die Brauchbarkeit der Feuerwaffen eingegangen waren, erließ das Kriegsministerium am 2. Juni 1847 weitern den Befehl, 700 Karabiner und 484 Pistolen neu fertigen zu lassen.. Daraufhin unterbreitete der Vorstand der Hauptgewehrkommission Oberstltn. Allmer den Vorschlag, diese Waffen mit Schlössern nach der Probe der neuen Infanteriegewehre zu versehen. Der Kriegsminister Generalmajor v. Oppell lehnte dies aber am 6.Juni ab, mit dem Hinweis, dass dadurch eine Verschiedenheit in der Kavalleriebewaffnung entstehen würde. Er bestimmte deshalb, dass die neu zu beschaffenden Waffen der Form nach mit der bisher bestandenen Vorschrift übereinstimmen müssen Nun wurden auf Vorschlag der Hauptgewehrkommission durch den Büchsenmacher Walther vom Garde-Reiterregiment im August 1847 je ein Karabiner und eine Pistole als Probestücke für eine Neubestellung gefertigt.
Die Unterschiede zu den bisher verwendeten Karabinern lagen darin, dass die Pistonsicherung beim neuen Modell abgerundete Kanten hatte. Der Griff an der Sicherung war unten rund zu fertigen und der Bügel oben mit einem runden Knopf zu versehen. Dadurch sollte ein Zerreiben der Oberdecke oder des Futtersackes verhindert werden. Des Weiteren waren Nuss und Abzugstange am Karabiner auf Vorschlag der Hauptgewehrkommission von Stahl gefertigt sowie der Abzug mit einer Schraube durch einen an der inneren Seite des Abzugsbleches befindliche Lappen angebracht und nicht mehr wie an den alten Waffen mittels eines durch das Holz gehenden Stiftes im Schaft befestigt.
Das Probestück wurde dem Kriegsministerium vorgelegt und von dort am 2. Oktober 1847 dem Generalkommando der Armee zur Prüfung übergeben. Hier stellte man fest, dass das Stück hinsichtlich des Gewichts von der Probe von 1838 abwich und schwerer war. Deshalb sollte ein neues Probestück von entsprechend geringerem Gewicht gefertigt werden. Gleichzeitig schlug man vor, beim Karabiner auch am Hahnsporn und am Visier die scharfen Kanten abzurunden.
Normierung
Das neue Probestück fertigte der Büchsenmacher Richter vom 3. Bataillon des Leibinfanterie-Regiments. Zum Karabiner war auch ein Ladestock gefertigt worden. Richter erhielt für seine Arbeit eine „Gratification“ von 6 Thlr.
Am 13. November 1847 wurde die neue Probe an das Kriegsministerium übergeben, anschließend vom Generalkommandostab gesiegelt und in das Hauptzeughaus eingeliefert. Der Büchsenmacher Richter hatte nun noch einmal eine identische Arbeitsprobe für den Lieferanten der neuen Waffen zu fertigen, die am 16. Februar 1848 abgeliefert wurden.
Malherbe kommt ins Spiel
Als Lieferant für die neuen Karabiner kam der Waffenfabrikant Philippe Joseph Malherbe aus Lüttich in Betracht. Dieser war bereits seit Januar 1846 mit der Herstellung von Linien- und Schützengewehren M 1844 beauftragt. Schon 1837 hatte er acht Probegewehre für das Oberndorfer Gewehr M 1835 eingereicht. Bereits am 2. April 1848 teilte der Zeughauptmann Oberst Dietrich mit, dass wegen der noch nicht erfolgten Festsetzung des Preises zwar noch kein Kontrakt abgeschlossen worden ist, aber die Bestellung von 700 glatten Karabinern sowie die Absendung eines Probestücks an die Lütticher Fabrik bereits erfolgt ist. Von dieser Menge sollten nach Konkretisierung vom 14. Juni 1848 zunächst 414 Karabiner noch im Jahr 1848 abgeliefert werden. Dabei handelt es sich um den Ersatz der Stücke, die auf Verordnung vom 4. Dezember 1846 an die Truppenteile ausgegeben worden waren und deren Anschaffung am 15. November 1846 angewiesen worden war. Bestellt wurden am 14. Juni 1848 die 414 Karabiner, deren Anschaffung am 15. November 1846 angewiesen worden war. Die festgestellten Mängel, wie zu enge Abzugsbügel und das Hängenbleiben der Sicherungsklappe am Zündhütchen, wurden von der Kommission repariert.
Bereits am 6. Juli 1848 kamen die ersten 11 Karabiner im Hauptzeughaus an. Der Preis lag bei 42 Francs = 11 Thlr. 13 Ngr. für einen Karabiner.
Lieferprobleme
Aber bereits am 24. Oktober 1848 teilte der Zeughauptmann Oberst Carl Dietrich dem Kriegsministerium mit, dass Malherbe ihm schriftlich erklärt habe, den Rest der Waffen entweder gar nicht liefern zu wollen oder nur zu einem späteren Zeitpunkt. Da die Bereitstellung gebrauchstüchtiger Waffen aber drängte, schlug Dietrich nun vor, die Bestellung ein Vertrag war nicht extra abgeschlossen worden aufzuheben und nur noch auf 100 Stück zu beschränken.
Dafür sollten aus den Vorräten des Hauptzeughauses Teile von den 400 vorhandenen Steinschlosskarabinern M 1820 Verwendung finden. Es würde sich darüber hinaus der Ankauf neuer Läufe als notwendig erweisen. Die Änderungskosten lägen dann bei 6 bis 7 Thlr. Daraufhin wurde für 1849 die Herstellung von 100 Karabinern unter Benutzung der brauchbaren Teile von 200 Steinschlosskarabinern zu 5 Thlr. 8 Ngr. befohlen. Aus dem Anschaffungsfonds des Hauptzeughauses besorgte man dazu 10 Karabinerläufe zu 2 Thlr. 15 Ngr.
Malherbe liefert nun doch
Malherbe erklärte sich entgegen seinen früheren Absichten am 7. November 1848 nun aber doch bereit, bis Ende April 1849 die restlichen Waffen zu liefern, verlangte jedoch eine deutlich kulantere Haltung der Hauptgewehrkommission bei der Abnahme der fertigen Waffen.
Am 22. September 1849 verstarb aber Philippe Joseph Malherbe und als Nachfolger trat nun eine Handelsgesellschaft P. J. Malherbe & Compagnie. mit Adolphe Malherbe, dem Sohn des Verstorbenen an der Spitze auf. Diese firmeninternen Veränderungen dürften mit der Grund dafür gewesen sein, dass 216 Karabiner erst im September 1849 und die restlichen 187 Karabiner im darauf folgenden Dezember geliefert wurden.
Anderweitige Fertigungsbemühungen
Der Chemnitzer Maschinenfabrikant Richard Hartmann bat am 28.Juni 1848 um Überlassung einer Kavalleriepistole als Muster, da die Chemnitzer reitende Kommunalgarde eine Anzahl solcher Pistolen in Auftrag gegeben habe. Gleichzeitig wollte er noch einen Karabiner, um gegebenenfalls auch solche fertigen zu können. Er erhielt beide am 30. Juni leihweise für einige Wochen per Post aus dem Hauptzeughaus.
Am 29. Februar 1849 reichte der Mechanikus Friedrich Liebisch zwei Pistolen nach Lütticher Muster als Arbeitsprobe ein, um eventuelle Aufträge des Hauptzeughauses zu erhalten. Bei der Prüfung durch die Hauptgewehrkommission erhielten die Waffen eine gute Bewertung, obwohl sie ohne die für eine moderne Produktion notwendigen Werkzeuge gefertigt worden waren. Eine der Pistolen ist am 3. Mai bei den Tumulten am Zeughaus aus dem „Local“ der Gewehrkommission entwendet worden.. Des weiteren verschwanden auch drei abgeschnittene Karabiner, welche zum Untersuchen der Zündhütchen bestimmt waren. Unter den vielen entwendeten Lehren und Werkzeugen befand sich auch ein Satz Stempel mit
AR mit Krone = Abnahme- bzw. Gutstempel
V mit Krone = Verworfen
Krone = Gutstempel für Kleinteile, z.B. Gefäße
von Stichwaffen
ZB = Zum Beschießen
II ZB = Zum zweimaligen Beschuss
sowie die Dienstsiegel für die „Königlich Sächsische Haupt Gewehr Kommission“ und für die „Gewehr Commission der Cavallerie“.
Revolutionswirren 1848
Aus der „Militair Zündhütchen Fabrik“ wurden u.a. 25.000 vorlackierte Zündhütchen für Kavallerie und eine Mustersammlung von 2.500 fertigen Zündhütchen für Kavallerie gestohlen. Zum selben Zeitpunkt gelang es den Aufständischen, aus der Kaserne des Garde-Reiterregimentes in Dresden unter anderem 42 Karabiner, 53 gewöhnliche Pistolen und drei Pistolen französischer Facon in ihren Besitz zu bringen. Wenn aus einer Kaserne Waffen gestohlen werden, gibt das immer ein schlechtes Bild über die Bewachung eines solchen Objektes. Hierzu muss zur Erklärung eingefügt werden, dass sich die 4. Schwadron des Gardereiterregimentes, welche hier stationiert war, mit dem Regiment in Schleswig befand. In der Kaserne verblieb nur das Depot mit 11 Offizieren, 171 Mann und 85 Pferden. Die Reiter waren zum Zeitpunkt des Überfalls am Theaterplatz und am Zeughaus eingesetzt, sodass die Kaserne ohne Bewachung verblieb.
Am 13. Juli 1849 lieferte Liebisch erneut einen Karabiner an das Hauptzeughaus, der. 9 Thlr. 5 Ngr. Kosten sollte
Auch Olbernhau lieferte Musterkarabiner
Im Juli 1849 hatte Olbernhau neben zwei Pistolen einen neuen Karabiner nach „Lütticher Muster“ als Arbeitsprobe beim Hauptzeughaus eingereicht. Der außergewöhnlich gute Zustand des hier gezeigten Stückes lässt vermuten, dass es sich hier um eben diesen Karabiner handeln könnte. Allerdings spricht die Waffennummer 41 dagegen, dass es nur ein Exemplar aus Olbernhau gegeben hat.
Der hier vorgestellte Karabiner stammt aus dem in den 1990iger Jahren veräußerten Depotbestand der französischen Staatsmanufaktur Tulle. Im Sommer 1857 hatte Dresden sechs gezogene, sechs glatte Karabiner und sechs Pistolen an die französische Gesandtschaft verkauft.
Die Patrone für den Reiterkarabiner hatte eine eigenartige Form. Das Stöckchen, mit dem die Patronenhülse geformt wurde, war am Boden mit einer Warze versehen. Dadurch wurde die Bodenfläche der Patrone konkav gestaltet. Die dabei entstehenden Kanten sollten der Patrone im Lauf einen größeren Halt verleihen und ein Vorgleiten beim Reiten vermeiden.
Kugelkaliber 16,31 mm
Spielraum der Kugel 1,18 mm
Patronenlänge ≈ 50 mm
Patronendurchmesser ≈ 17 mm
Pulverladung 6,38 g
Kugelgewicht 25,54 mm
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Patrone für den Karabiner M 1847 (nach Thierbach) |