Sponton für Artillerieoffiziere aus Hessen-Hanau um 1770
Geschichte
Im 18. Jahrhundert war neben Ringkragen, Schärpe, Stock, Degen mit Portepee das Sponton die Waffe bzw. das Offiziersabzeichen des preußischen Infanterieoffiziers. Es wurde während der Regierungszeit König Friedrichs I. (König 1701-1713) eingeführt und löste die Offizierpartisane als Stangenwaffe ab und besaß im allgemeinen eine breite, zweischneidige Klinge mit Längsgrad und zwischen Blatt und Tülle einen leicht vertikal S-förmig gebogenen Querknebel. Während die Klinge aus Eisen bestand, war der Schaft aus Holz gefertigt, von rundem Querschnitt und mit Farbe angestrichen wobei der Farbton im allgemeinen mit dem der Kurzgewehre, Fahnenstangen und oft auch der Gewehre innerhalb eines Regimentes übereinstimmte. Der Schuh bestand aus Messing oder Eisen.
Im unteren Teil der Klinge befanden sich Durchbrüche. Das etwa 180 bis 230 cm lange Sponton hatte als Klingenätzung ein Herrschermonogramm, welches auch als Chiffre bezeichnet wird, sowie im unteren Teil die Regimentsbezeichnung. Die Grundform des Spontons blieb bis zu seiner Abschaffung im Jahre 1807 gleich, lediglich dekorative Einzelheiten, wie Randverzierung und Durchbrüche an der Klinge, Profilierungen der Tülle sowie Farbgebung der Schäfte veränderten sich. Entsprechend dem Regierungswechsel wechselte die Chiffre „FR“ in „FWR“ auf dem Klingenblatt. Übernahm ein neuer Chef das Regiment, so wurde dessen Name als Regimentsbezeichnung auf einem fliegenden Band eingeätzt. In Kriegszeiten, bei steigendem Ausfall der Regierungschefs, wurde der Name einfach weggefeilt und die Buchstaben des Namens von neuen Chef eingeschlagen.
Das Sponton als Zeichen des Infanterieoffiziers, es wurde nur im militärischen Dienst getragen. Die Handhabung erfolgte nach den im Reglement festgelegten Regeln und zwar abgestimmt auf die Kommandos für die Mannschaft zur Handhabung des Gewehrs. Die Halte- und Trageweise des Offiziersspontons in der preußischen Armee war wie folgt festgelegt: „Im Halt wurde das Sponton stets auf den Boden aufgesetzt, im Glied dicht beim rechten Fuß, bei gewinkeltem rechten Arm, Hand in Schulterhöhe; stand der Offizier dagegen frei vor der Front, so stellte er es mit seitlich ausgestrecktem rechten Arm auf den Boden. Im Marsch war es steil in gestrecktem rechten Arm zu tragen, die rechte Hand fasste über den Schuh.
Das Sponton konnte das als Waffe nur im Nahkampf, nicht während des Feuergefechtes, eingesetzt werden. Da sich aber der Degen besser im Nahkampf handhaben ließ, schätzten die meisten Offiziere den Kampfwert nicht sehr hoch ein. Es diente wohl nur noch als eine Art von Würdezeichen der Offiziere.
Obwohl die Spontons noch zur ordonnanzmäßigen Ausstattung der Offiziere gehörten, sind sie bereits 1792 - 1795 aus den oben genannten Gründen nicht mehr mit ins Feld mitgenommen worden. Ab 1801 wurden sie nur noch zu Paraden und im Garnisonsdienst getragen. Bei der Reorganisation der Armee im Jahre 1808 wurden sie ganz abgeschafft.
Sponton für Artillerieoffiziere
Die preußische Form des Spontons übernahmen auch andere deutsche Territorialstaaten, wie z.B. auch Baden, Hessen-Kassel, Hessen-Hanau und Hessen-Darmstadt. Bei diesen Staaten wurde das Sponton genau wie auch in Preußen auch von den Offizieren der Artillerie getragen.
Wenn schon Spontons für Infanterieoffiziere der kleineren deutschen Staaten relativ selten sind, so darf man ein Sponton derselben für Artillerieoffiziere als absolute Rarität bezeichnen. Selbst preußische Artilleriespontons sind extrem selten. Das gilt besonders für das vorliegende Sponton, es hat ein zweischneidige Blatt mit Mittelgrad. In den eingezogenen gerundeten unteren Teil des Blattes sind fünf dreieckige und zwei halbmondförmige Verzierungen eingeschnitten. An dem kurzen profilierten Hals befindet sich ein Gewinde, das in die Tülle eingeschraubt ist. Der aufgeschraubte profilierte achtkantige Knebel ist an den Enden leicht auf- bzw. abgebogen. Die runde Tülle hat drei Querwulste. Zwei lange Schaftfedern sind mit zehn Nägel an dem runden Schaft befestigt. Der schwarze, gekürzte Schaft hat keinen Schuh. Auf beiden Seiten des Blattes befindet sich die geätzte, bekrönte Chiffre „WL“ und darunter in einem leicht durchhängenden Schriftband die Inschrift „ARTLLERIE“. Eine der beiden Schaftfedern ist mit der Arsenalnummer “A No 11“ gezeichnet.
Die Chiffre “WL“ steht für “Wilhelm Landgraf “ das bekrönte Monogramm des Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel ( regierte von 1751-1760) oder um das von Wilhelm IX dem Enkel von Wilhelm VIII, welcher ab 1764 für volljährig erklärt die Grafschaft Hessen-Hanau regierte. Nach dem Tod seines Vaters Friedrichs II regierte er dann von 1785 an als Landgraf Wilhelm IX. von Hessen und ab 1803 als Kurfürst Wilhelm I. von Hessen-Kassel.
Da Landgraf Friedrich II der Sohn und Nachfolger von Wilhelm VIII kein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte, kann man davon ausgehen, dass er 1763 wie damals üblich nach dem Tod seines Vaters die Chiffre “WL“ auf den Waffen durch seine eigene “LF“ ( Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, 1763-1785) ersetzen ließ. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb sehr groß, dass “WL“ für den Erbprinzen Wilhelm, seit 1764 selbstständiger Regent von Hessen-Hanau (der spätere Landgraf Wilhelm IX von Hessen-Kassel) steht.
Hanauer Artillerie
Der Erbprinz reformierte nach seinem Regierungsantritt das hanausche Militär und errichtete er am 3.6.1770 auch die Hessen-Hanauische Artillerie-Kompanie. Diese bestand anfangs aus 1 Kapitän, 1 Premierleutnant, 1 Sekondleutnant, 1 Stückjunker, 3 Feuerwerkern und 40 Kanonieren.
Die Uniform war fast die gleiche wie die der hessen-kasselschen Artillerie. Blaue Röcke mit roten Aufschlägen und Klappen, paille Westen und weißlederne Hosen; messingne Knöpfe. Weiße Gamaschen mit 5 Knöpfen an der Seite. Weißes Lederzeug, Kartuschen vor dem Leibe, desgleichen die hölzerne Pulverflasche. Hüte mit kamelhaarenen Schnüren. Die Offiziere waren mit Degen und dem Sponton bewaffnet.
In Amerika
Seit 1775 befanden sich die englischen Kolonien in Amerika in offenem Aufstand gegen die Krone. Die englische Regierung gelangte schon sehr früh zu der Ansicht, dass die eigenen Truppen in Amerika bei weitem nicht ausreichten, um die Rebellion zu unterdrücken, deshalb sollten fremde Hilfstruppen angeworben werden.
Die britische Regierung schickte Oberst William Fawcett (in den deutschen Quellen meist Faucett oder Faucitt geschrieben) als Bevollmächtigten nach Deutschland, um bei den Fürstenhöfen deutscher Kleinstaaten Truppen anzuwerben. Genau wie sein Vater der Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel schloss auch der Erbprinz am 4. Februar 1776 mit Oberst William Fawcett einen Subsidienvertrag ab. Dieser verpflichtete den Landgrafen bis spätestens 20. März ein Infanterieregiment von 668 Mann marschfertig zu machen und für die Dauer des amerikanischen Krieges in englische Dienste zu stellen. Der Erbprinz bot auch noch eine Kompanie Artillerie von 4 Offizieren und 126 Mann mit 6 leichten Geschützen der englischen Krone an. Der König nahm das Angebot an und am 25.4.1776 wurde der Vertrag mit Fawcett abgeschlossen. Über die Musterung der bereits auf Kriegsfuß gesetzte Kompanie berichtete Fawcett an den König wie folgt:
“Ich habe sie heute gemustert. Die Leute sind tüchtig, kräftig und stark und sehr gut für ihre Dienste eingeübt. Der Prinz ließ sie in meiner Gegenwart mit den für Amerika bestimmten Geschützen exerzieren. Sie haben neue Uniformen, neue Säbel, keine Gewehre, nach dem vom König von Preußen empfohlenen Muster, welches vom Landgrafen sowohl vom Erbprinzen aufs Ängstlichste und Gewissenhafteste nachgeahmt wird.“
Am 15. April 1776, wurde die Artillerie-Kompanie auf dem Main eingeschifft, um auf dem Rhein nach dem holländischen Ausfuhrhafen zu gelangen. Sie wurde von Kapitän Georg Henrich Päusch kommandiert. Ihm zur Seite standen Premierleutnant Wilhelm von du Fais sowie die beiden Sekondleutnants Johann Michael Bach und Karl Ditmar Spangenberg. Die restliche Mannschaft bestand aus: 11 Bombardieren, 1 Chirurgen, 3 Tambouren, 90 Kanonieren, 1 Wagenmeister, 1 Oberknecht, 2 Schmieden, 2 Wagner, 1 Sattler, 12 Artillerie-Knechte, in Summa 120 Köpfe; dazu 6 Kanonen, 1 Karren und eine Feldschmiede, alles ohne Bespannung. Für diese, die erst in Amerika angekauft werden sollte, war aber das ganze Geschirr bereits vorhanden.
Die Kompanie kam im Juni 1776 in Quebec an und nahm im Korps des englischen Generals Bourgoyne, der von Kanada aus den Versuch machte, sich mit dem von Südosten aus operierenden General Howe zu vereinigen an den Kämpfen bei Ticonderoga, Bennington , Coyk Mill und Freemans Farm teil und musste am 16. Oktober 1777 bei Saratoga die Waffen strecken. 5803 Mann, darunter 2431 Deutsche (auch die Hanauer), 30 Kanonen und 7000 Gewehre nebst allen Vorräten fielen in die Hände des Gegners.
Die gefangenen Hanauer Artilleristen kamen in ein Barackenlager bei Boston und von dort Ende des Jahres 1778 nach Virginien. Ihre Offiziere wurden von den Unteroffizieren und Gemeinen getrennt, um alle Verbindungen zwischen diesen abzubrechen. Erstere lagen in Winchester, auf dem Land verstreut, während ihre Mannschaften vier Meilen weit von diesem Ort entfernt in selbstgezimmerten Waldhütten bis zum Friedensschluss ausharren mussten. Nicht so die Offizieren der Kompanie: Georg Henrich Päusch wurde 1780 (23.11.) ausgetauscht, am 31.12.1780 zum Major befördert und versuchte in Kanada bis zu Kriegsende eine neue Kompanie aufzustellen. Wilhelm du Fais wurde im August 1782 ausgetauscht und 1782 zum Kapitän ernannt. Johann Michael Bach wurde bei Bennington (15.8.1777) schwer verwundet und gefangen. Nachdem er lange Zeit auf einem Wachtschiff im Bostoner Hafen krank gelegen hatte, wurde er Ende 1779 ausgewechselt und später im Laboratorium von Quebec mit Munitionsarbeiten bis zum Kriegsende beschäftigt. Karl Ditmar Spangenberg wurde am 16.8.1777 bei Coyk Mill gefangen und galt von da ab als verschollen
Die Rückkehr der Hanauer erfolgte nach dem Friedensschluss erst im Herbst 1783. Nach langer Seereise trafen sie am 12.11.1783 “in der besten Ordnung“ in Hanau ein.
Von den 160 Mann, die im Laufe der 7 Jahre der Kompanie angehört haben, sind 9 erschossen, 47 an Wunden und Krankheiten gestorben, 40 desertiert, 7 gefangen und nicht zurückgekehrt und 6 “haben sich verkauft“.
Vereinigung der Grafschaft mit Hessen-Kassel 1785
Als am 31.10.1785 Landgraf Friedrich von Hessen-Kassel starb, folgte ihm sein Sohn Wilhelm IX der selbstständig bereits seit 15 Jahren die Regierung der Grafschaft Hanau führte. Noch im Jahr seines Regierungsantritts am 12.12. 1785 fand die Übernahme des bisherigen Kontingents und damit auch die Einverleibung der hanauischen Artillerie-Kompanie in die hessen-kasselsche Artillerie statt. Mit ihr wurden auch die Offiziere Major Päusch, Premierleutnant Bach übernommen.
Die Spontons der vier Artillerie-Offiziere dürften in Amerika verblieben sein - das hier vorliegende wurde wohl später angeschafft oder stammt aus dem Arsenalvorrat.