Eine Zündnadelpistole von Valentin Christoph Schilling in Suhl


Geschichte


Text: Udo Lander

Die entsprechend der Herstellerstempelung von Valentin Christoph Schilling in Suhl gefertigte Pistole ist formal von stark militärischem Habitus und erinnert auffallend an die preußische Kavallerie- und Artilleriepistole M 1850. Insbesondere der eiserne Laufring erscheint baugleich mit demjenigen der preußischen Grenzaufseherpistole. Dies verwundert insofern nicht, als V.C. Schilling auch diese Pistole im Auftrag des preußischen Innenministeriums gefertigt hat.

Die Verwendung des Prinzips des Zylinderverschlusses von Dreyse durch Schilling in Suhl war nur deshalb möglich, weil Nikolaus Dreyse zwar 1828 ein Patent erhalten hatte, dieses sich aber auf ein Vorderladergewehr bezog. Der später von Dreyse konstruierte Zylinderverschluss in Zusammenhang mit einem Hinterladergewehr, aus dem in der Folge das Zündnadel-Infanteriegewehr M/41 entstand, war niemals patentiert worden. Preußen hatte stattdessen das Zündnadelgewehr zum Staatsgeheimnis erklärt, so dass man ein Bekanntwerden der Konstruktion ausschloss. Dass dann während der revolutionären Umtriebe des Jahres 1848 mehrere Zündnadelwaffen in die falschen Hände kamen und sogar ins Ausland verbracht wurden, das Staatsgeheimnis somit offenbar wurde, konnte man nicht ahnen.

Änderungen

So konnte auch Schilling das Grundprinzip des Zylinderverschlusses übernehmen. Allerdings hat er sich bemüht, seine Pistolenkonstruktion gegenüber der Zündnadelpistole 1856 grundlegend zu ändern. Der wie bei den Gewehren weit abstehende und sperrige Kammerstengel der Pistole 1856 von Dreyse war für Schilling bei einer Faustfeuerwaffe offensichtlich unakzeptabel. Bei seiner Pistole ist der Kammerstengel abklappbar und wird in dieser Stellung durch eine Feder fixiert. Zum Öffnen klappt man den Kammerstengel gegen die Federkraft nach oben, wo die Feder wieder einrastet. Zieht man Verschlusszylinder zum Laden nach hinten, hält die Federkraft den Kammerstengel in Position. Erst nach dem Schließen, wenn der Vierkant am Fuß des Kammerstengels wieder am Verschlussgehäuse anliegt, kann man den Kammerstengel wieder gegen die Federkraft abklappen. Die Verschlusskonstruktion der Schilling-Pistole entspricht dagegen weitgehend derjenigen des preußischen Zündnadelkarabiners M/57, auch hier ist die Luftkammer am Verschlusskopf sehr kurz und ohne herausragendes Nadelrohr. Darüber hinaus hat die Schilling-Pistole gegenüber der Pistole 1856, in deren glatten Lauf ein Rotationsstück eingearbeitet ist, einen auf der ganzen Länge gezogenen Lauf.

Nicht exakt zu bestimmen ist das Fertigungsjahr dieser Pistole. Da ihre Hauptmerkmale mit denjenigen der Dreyse-Pistole 1856 und denen des Zündnadelkarabiners M/57 nahezu übereinstimmen, kann man davon ausgehen, dass ihr Entwurf und die Produktion nicht vor 1857 erfolgten. Ob allerdings Schilling seine Pistolenkonstruktion dem preußischen Militär vorführen konnte, ist zwar nicht belegt, doch der an der Waffe vorhandene Vorratsstempel „V“ unter Krone nach dem Beschussgesetz von 1891 belegt zweifelsfrei, dass die Pistole zumindest zu dieser Zeit im Staatsbesitz gewesen sein muss. Dies aber könnte implizieren, dass Schilling seine Waffe der preußischen Artillerie-Direktion gegen Bezahlung zu Versuchszwecken überlassen hat, diese Tests aber ergebnislos verliefen und die Waffe so in den Staatsbesitz übergegangen war.



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