Preußische Zündnadel-Defensionsbüchse U/M
Geschichte
Defensions-Zündnadelwaffen.
Nach dem Krieg 1866 gelangte Preußen in den Besitz von nahezu neuwertigen Waffen seiner Kriegsgegner. Insbesondere waren es österreichische, bayerische und nassauische Vorderlader im süddeutschen Vereinskaliber 13,9 mm. Für die regulären Truppen reichten die vorhandenen Zündnadelgewehre aus, um den Bedarf zu decken, nicht aber für die Landwehr und rückwärtige Dienste. Die preußische Führung entschied, die in großen Mengen in den Depots eingelagerten Bestände erbeuteter österreichischer, nassauischer und bayerischer Perkussinoswaffen im Kaliber 13,9 mm auf das Zündnadelsystem Dreyse umzubauen. Auch die bereits ausgemusterten preußischen Jägerbüchsen M 1837/47 U/M wurden mit einbezogen. Aus den zur Verfügung stehenden Waffen wurden nach Aussonderung der nicht mehr zur Änderung geeigneten Stücke insgesamt 51716 Gewehre und Büchsen auf das Zündnadelsystem umgebaut. Beim Umbau sollten, soweit möglich, alle Teile weiter verwendet werden. Aus diesem Grunde hat man sich auch wohl für ein modifiziertes System des Zündnadelkarabiners M/57 entschieden. Hätte man nämlich die Gewehre mit längeren Verschlüssen versehen, wäre eine Neuschäftung notwendig geworden. Das für den Umbau verwendete System das äußerlich dem Karabinersystem entspricht, unterscheidet sich von diesem dadurch, dass die als Sicherungsrast gedachte zweite Querrille in der Sperrfeder fehlt und es im Gegensatz zum Karabinerverschluss, eine verkürzte Luftkammer und keine Kompressionskammer hat.
Die Änderung der Vorderlader vollzog sich folgendermaßen: Die Läufe wurden hinten nach Wegfall der Schwanzschraube auf das für die Anbringung der Verschlusses notwendige Maß abgeschnitten, mit einem Gewinde für die Einpassung in das Zündnadelsystem versehen und auf das preußische Kaliber 15,43 mm unter gleichzeitigem Einschneiden der Züge aufgebohrt.
Am Schaft wurde Schloss und Schlossgegenblech entfernt und die Aussparungen mit eingepassten Holzteilen verschlossen. Danach wurde der Schaft soweit ausgehöhlt wie für die Aufnahme der Verschlusshülse und der Abzugseinrichtung notwendig. Dann wurde der Lauf eingepasst und die fertige Waffe unter Verwendung der alten Beschlagteile wieder zusammengebaut. Auch die ursprünglichen Visierungen, außer bei den preußischen Büchsen wurden beibehalten Die Umbauten der Gewehre wurden von Suhler Firmen und der Gewehrfabrik in Herzberg vorgenommen.
Defensions-Zündnadelbüchse U/M
Neben den erbeuteten Perkussionsgewehren im Kaliber 13,9 mm wurden auch wie schon erwähnt die in den Depots lagernden ausgemusterten Jägerbüchsen M 1837/47 U/M in Zündnadel-Defensionsbüchsen U/M umgeändert. Diese Arbeiten wurden ausschließlich bei Dreyse in Soemmerda durchgeführt. Bei dem Umbau der Büchsen wurden wie bei den Gewehren möglichst viele Teile wiederverwendet. Die Läufe wurden hinten vor der Schwanzschraube auf das für die Anbringung des Verschlusses notwendige Maß abgeschnitten und mit einem Gewinde für die Aufnahme des Zündnadelsystems versehen. Der bei den Defensionswaffen entbehrliche Stecher wurde entfernt und durch einen normalen Druckpunktabzug ersetzt. Im Gegensatz zu den Gewehren wurden die Läufe nicht verändert, da sie mit einem Kaliber von 14,5 mm und acht Zügen mit dem Zündnadelkaliber kompatibel waren. Die nach Entfernung von Schloss und Schlossgegenblech entstandenen Öffnungen wurden mit eingepassten Holzteilen verschlossen. Danach wurde der Schaft für die Aufnahme der Verschlusshülse und der Abzugseinrichtung geändert und unter Verwendung der alten Beschlagteile wieder zusammengebaut. Bei den meisten Büchsen konnte der alte Schaft weiterverwendet werden, jedoch erhielten einige der Büchsen einen neuen Schaft ohne Kolbenfach. Die ursprüngliche Visierung der Büchsen wurde anders als bei den Gewehren durch ein Standvisier mit 4 Klappen ersetzt, welches eher der Ballistik der Zündnadelpatrone entsprach. Auch die eisernen Ladestöcke wurden in der Regel durch einfache Holzstöcke ersetzt.
Beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges am 15. Juli 1870 befanden sich 6594 Zündnadel-Defensionsbüchsen U/M bei der Truppe und 2068 in den Artilleriedepots. Nach Abschluß der Mobilmachung (Ende Juli 1870) befanden sich noch 6501 Büchsen in den Artilleriedepots.
Verwendung der Defensions-Zündnadelwaffen
Während des Krieges gegen Frankreich 1870/71 wurden durch A.K.O. vom 14. Dezember 1870 zur Bewachung der französischen Gefangenen aus den älteren Jahrgängen der Landwehr und aus Freiwilligen Garnison-Bataillone ( 9 Garde- Garnisonbataillone und 96 Garnison-Bataillone, zusammen 44227 Mann) errichtet. Die Mannschaften hatten statt der Czakots Schirmmützen, schwarzes Lederzeug (beim der Garde weiß) und an Stelle der Säbel das Bajonett in schwarzer Scheide am Leibgurt, die Unteroffiziere Hirschfänger. Laut Lehmann waren die Garnisonsbataillone mit allen verfügbaren Defensions-Zündnadelgewehren, sowie im 1866-Krieg erbeutete Kurhessische Infanterie- und Füsilier-Zündnadelgewehre und Zündnadelgewehren M/62 bewaffnet. Die Unteroffiziere waren laut Froelich mit Defesions-Zündnadelbüchsen U/M und Ö/M ausgerüstet.
Alle Garnisonsbataillone wurden nach dem Krieg wieder aufgelöst.