Haubajonett für das Württembergische Artilleriegewehr 1860
Geschichte
Nach Einführung der kleinkalibrigen Infanteriegewehre im Jahre 1857 wurden auch die Artillerie, die Pioniere und die Reiterei mit neuen Waffen im Kaliber 13,9 mm ausgerüstet. So wurde für die Artillerie und die Signalbläser der Infanterie 1860 das kleinkalibriges Artilleriegewehr 1860 mit Haubajonett eingeführt. Nach den Unterlagen wurden von den Waffenfabrikanten Spangenberg, Sauer und Hänel in Suhl 2100 und von der Gewehrfabrik in Oberndorf 370 Artilleriegewehre 1860 hergestellt. Die aufpflanzbare Haubajonette lieferte die Firma Weyersberg in Solingen. Nach einem Vertrag vom 30. Juli 1861 lieferte Weyersberg 47 Haubajonette an die Arsenalverwaltung, für welche schon 1859 "2100 Haubajonette mit gußeisernem Griff und schmiedeeiserner Parierstange" gefertigt wurden. Im Jahre 1863 ( Vertrag vom 15. Dezember) wurden nochmals 950 Haubajonette zum Preis von 4 Gulden 40 Kreuzer bestellt. Es wurden also 3097 Haubajonette für 2470 Artilleriegewehre gefertigt.
Das Haubajonett wird in der Literatur oft fälschlicherweise auch als Pionier-Faschinenmesser M-57 bezeichnet. Hierbei stimmt weder die Jahreszahl, noch die Verwendung. Die kleinkalibrigen Gewehre für Artillerie und Pioniere wurden erst 1860 eingeführt und die Haubajonette wurden nur bei der Artillerie und den Signalbläsern der Infanterie geführt. Die Pioniere hatten ein Gewehr ohne Aufpflanzvorrichtung und waren mit Beilen und nichtaufpflanzbaren Faschinenmessern bewaffnet.
In der Waffenlehre für die Artillerie, Pioniere und Reiterei des Königlich Württembergischen Truppencorps von 1864 wird die Waffe wie folgt beschrieben :
"Das Haubajonet hat eine zweischneidige gerade Klinge. Der Griff ist gerippt und hat an der einen der breiten Seiten eine Nut, in welche der Bajonethalter des Laufes paßt, an der einen schmalen Seite einen Druckstift, an der anderen eine Feder, zum Festhalten des Haubajonets am Bajonethalter.
Die Parierstange ist an den Griff gelötet und hat aus der Seite der Nute eine ringförmige Aushöhlung, welche bei aufgepflanztem Haubajonet zum Umschließen des Laufes an der Mündung dient.
Die Scheide hat oben das Mundband mit Steg und Lederstrupfen zum Befestigen im Bajonetträger, unten das Ortband. Als Seitengewehr dient das Haubajonet zu Batteriebau und Lagerarbeiten.
Das Reinigen des Haubajonets geschieht wie das der Eisenteile überhaupt. Griff und Parierstange, sowie das Beschläg der Scheide müssen mit bairischem Kalk glänzend geputzt werden. Die Klinge wird mit in Oel getränkter Asche vermittelst eines wollenen Lappens gereinigt. Die Scheide wird auf der äußeren Seite mit Lederwerkswichse wie die Patronentaschen behandelt. Naß gewordene Scheiden werden an der Luft langsam getrocknet, die vorher ausgezogene Klinge fett gemacht und wieder eingesteckt."
Die Länge der Klinge wird mit 457,8 mm oder 1680 württembergische Punkte angegeben.
Das Gewicht ohne Scheide wird mit 1 Pfund 27 Loth 3 Quentle und mit Scheide mit 2 Pfund 10 Loth 2 Quentle angegeben.
Erst nach dem deutsch-französischen Krieg, im Laufe der Jahre 1871/72 wurden auch die Artillerie und die Pioniere mit Zündnadelwaffen ausgerüstet. Dies geschah durch Umänderung von 1500 Jägerbüchsen in Zündnadel-Pionier- und Artilleriegewehre. Zum Aufstecken als Stoßwaffe war das seitherige Haubajonett des Artilleriekarabiners vorgesehen. Durch teilweise Ausfüllung der Griffnut sollte der Griff handlicher gemacht und durch Aufbohrung der Parierstangenring an den größeren Lauf-durchmesser angepaßt werden. Künftig sollten sämtliche Mannschaften des Pioniercorps, der Artillerie, der Arsenalabteilung, der bespannten Munitionskolonnen und des Proviantwesens ein und dasselbe Seitengewehr tragen. Die Pioniere erhielten zuerst das neue Gewehr. In der Regimentsgeschichte des Pionierbataillons 13 heißt es: "Den 18. August 1871 hatten die Pioniere die längstersehnten Zündnadelgewehre vorerst 450 Stück ohne Bajonette, welche erst später eintrafen erhalten." Von den so abgeänderten Haubajonetten sind bisher keine Realstücke gefunden worden. Die Klingen dieser Stücke sind wohl später teilweise wie in der Literatur beschrieben nach Einführung der Jägerbüchse M71 bei den Pionieren 1876 mit neuen Griffen zum Württ. Pionierfaschinenmesser M71 umgearbeitet worden. Die erhaltenen gebliebenen Stücke befinden sich alle noch im Originalzustand, einige verblieben auch nach 1871 bei der Infanterie, wie die Stempelungen "119. R. 4." - "119. R. 8." - "121. 10. 1." oder "122. R. 2. 9." auf der Stirnseite der Parierstange beweisen. Die Truppenstempel aus der Zeit vor 1871 wurden auf die Unterseite der Parierstange eingeschlagen z. B. "6. 3." oder "3. 96.". Da es in dieser Zeit nur ein Artillerieregiment gab, wurde auch nur die Batterie- und die Waffen-nummer eingeschlagen.