Die Husarenpistole M 1827/46UM des Kurfürstentums Hessen-Kassel


Geschichte


Text Udo Lander

Bündnispflichten

Bis 1830 war die Bevölkerung des Kurfürstentums Hessen-Kassel wieder auf rund 700.000 Einwohner angewachsen. Zwar herrschte in großen Teilen des Landes nach den langen Kriegsjahren der napoleonischen Zeit Bedürftigkeit, dennoch war das Land absolut kein „Armenhaus“. Wirtschaft und daraus resultierend die Steuerkraft waren recht ansehnlich und die Staatsverschuldung durchaus akzeptabel, so dass die kurfürstliche Herrschaft als eine der reichsten im Bund galt – was vielleicht eine positive Spätfolge des Soldatenhandels in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewesen sein mag.

Die 1821 aufgestellten Forderungen des Deutschen Bundes an seine Mitglieder bezüglich deren im Kriegsfall zur Bundesarmee zu stellenden Kontingente verschonten auch Hessen-Kassel nicht. Das Kurfürstentum hatte deshalb unter Zugrundelegung seiner Bevölkerungszahlen 1,883% seiner Einwohnerschaft, das waren

4.402 Infanteristen, davon 220 Jäger/Schützen,

811 Kavalleristen

409 Artilleristen

57 Pioniere/Pontoniere

insgesamt also 5.679 Mann zur Bundesarmee stellen. Diese waren gemäß einer Gliederung von 1821 im Bereich der berittenen Truppen auf ein Kürassier-Regiment und ein Dragoner-Regiment verteilt.

Unberührt von diesen Pflichtkontingenten blieben natürlich die Truppenteile, welche der nach dem Tod seines Vaters 1821 auf den Thron gekommene Kurfürst Wilhelm II. nach eigenem Dafürhalten zusätzlich aufstellen ließ. Wilhelm II. hat im übrigen als eine seiner ersten militärischen Maßnahmen den reaktionären Zopfbefehl seines Vaters mit sofortiger Wirkung aufgehoben, eine Maßnahme die in direktem Zusammenhang mit der von ihm eingeleiteten Reformen in Verwaltung und Militär stand.

Die aus einem Kürassier- und einem Dragoner-Regiment bestehende kurhessische Kavallerie, beide 1821 in Husaren-Regimenter umformiert, führten die aus der Franzosenzeit überkommenen Karabiner M an 9 und die Steinschlosspistole M an 13, beide einerseits aus der Fertigung französischer Manufakturen, andererseits aber auch produziert in der Gewehrfabrik Pistor in Schmalkalden.

Preußische Vorbilder

Der junge Kurfürst, welcher seit 1797 mit der Prinzessin Auguste, Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. verheiratet war, hatte 1813 in den Reihen der preußischen Armee an der Völkerschlacht bei Leipzig teilgenommen. Er hatte also aus eigener Anschauung das preußische Ladesystem bei den Kavalleriewaffen mit separat am Bandelier getragenem und für Karabiner und Pistole gleichermaßen verwendetem Ladestock kennengelernt.

So verwundert es nicht, dass Wilhelm II. nachdem er im Jahr 1814 den Oberbefehl über die kurfürstlichen Truppen übernommen hatte, dafür sorgte, dass die noch bei der Armee vorhandenen Kavalleriefeuerwaffen aus der westfälisch/französischen Zeit, Karabiner M an 9 und Pistole M an 13, auf das preußische Ladestocksystem umgebaut wurden.

Er ordnete deshalb 1827 an, dass die bei der Kavallerie vorhandenen Karabiner durch Abschneiden der Läufe zu kürzen und die Ladestocköffnung am Oberring auf Dauer zu verschließen waren. Darüber hinaus sollten die ehemals französischen Pistolen M an 13, ob von Pistor oder aus französischer Produktion stammend , war unerheblich, mit bis zur Mündung reichenden Schäften versehen werden. Vorbilder dafür waren offensichtlich der preußische Karabiner M 1821 und die Kavalleriepistole M 1823. Für einen großen Teil der vorhandenen Pistolen M an 13, deren Halbschäfte wegen der langen Verwendungszeit schon recht mitgenommen waren, hieß das, dass diese einen völlig neuen bis zur Mündung reichenden Schaft erhielten. Die französischen Messing-Beschlagteile blieben dabei jedoch mit Ausnahme des charakteristischen Laufrings erhalten. Dieser entfiel gänzlich und wurde durch eine Mündungskappe aus Messing ersetzt.

Aus Halb wird Ganz

Bei einer ganzen Reihe von gut erhaltenen Steinschlosspistolen aber wurde ganz offensichtlich die kurfürstliche Anordnung so umgesetzt, dass man dem Halbschaft des an13-Modells einen Vorderschaft ansetzte, der nun ebenfalls bis zur Mündung reichte. Wie bei den neu geschäfteten Pistolen war er mit einem Stift am Lauf befestigt war und besaß an der Mündung ebenfalls eine Vorderschaftkappe aus Messing, die von der Schaffinnenseite her mittels zweier Schrauben fixiert war und nur den Schaft bedeckte, also nicht Lauf und Schaft umfassend zusammenhielt.

Diese Holzarbeit ist von außen recht klar an einer senkrechten Naht am Vorderschaft zu erkennen, die so aussieht, als ob der neue Schaftteil stumpf an den Originalschaft angestückt worden wäre. Dem ist aber keinesfalls so. Vielmehr hat man das vorhandene Schaftbett etwas weiter ausgehöhlt und den neuen Schaftteil mittels einer Zunge in diese so entstandene Vertiefung eingepasst und danach eingeleimt, was eine recht stabile Verbindung beider Teile garantierte.

Dass der ehemalige Originalschaft tatsächlich von einer französischen M an 13-Pistole stammt, kann man an einer an dieser Stelle zerlegten Waffe erkennen. Das Abnehmen des eingeleimten Vorderschafts brachte recht augenscheinlich die alte Ladestockbohrung zum Vorschein, die in der modernisierten Form nicht mehr erforderlich war.

Ob diese Änderungsarbeiten in Schmalkalden bei der Gewehrfabrik Pistor oder von den Arbeitern des Zeughauses in Kassel durchgeführt wurden, ist an Hand der Aktenlage leider nicht eindeutig festzustellen. Doch sprechen zwei Dinge für eine Fertigung bei Pistor:

Zum einen besaß der Schmalkaldener Betrieb seit 1745 ein hochherrschaftliches Privileg zur alleinigen Fertigung von Militärwaffen für das kurhessische Militär, welches 1824 erneuert worden war. Zum anderen spricht der Umstand, dass für diese Umänderungen eine große Anzahl von Vorderschaftkappen aus Messing zu gießen und die dazu erforderlichen Schrauben für deren Befestigung am Vorderschaft zu fertigen waren, doch eher für eine Auftragsausführung durch die Firma Pistor.

Weitere Modernisierung

In dieser neuen Form blieb die Pistole M 1827 bei der Kavallerie bis zu einer weiteren Modernisierung, welche die nun schon recht betagten Waffen ab 1846 nochmals auf den neuesten Stand der Technik brachte.

Schon ab 1836 hatte man im hessischen Kurfürstentum umfangreiche Untersuchungen über die Verwendbarkeit der Perkussionszündung bei den vorhandenen Kavalleriewaffen durchgeführt, doch sollten noch weitere neun Jahre vergehen, bis sich diesbezüglich Entscheidendes tat.

Am 11. Januar 1845 legte ein Büchsenmacher Theodor Pfaff aus Kassel eine Perkussionspistole mit Pistonsicherung beim Kriegsministerium in Kassel zur Prüfung vor, was dazu führte, dass am 19. März 1845 genehmigt wurde, dass Pfaff zwanzig Pistolen aus dem Zeughausvorrat nach seinem System perkussionieren durfte. Seine Methode der Perkussionierung, insbesondere die Weiterverwendung der Batteriefeder und der darauf abgestützte Piston-Sicherungsflügel war offenbar sehr überzeugend: Sie wurde nicht nur für die hessischen Pistolen und Karabiner maßgebend, sondern fand ganz offensichtlich auch ihren Niederschlag beim Umbau der preußischen Steinschlosskavalleriewaffen sowie der Konstruktion der neuen preußischen Pistole M 1850.

Doch erst nach dem Abschluss der Perkussionierung des Bestandes an Infanteriegewehren beantragte das hessische Kriegsministerium die im Zeughaus in Kassel und bei den beiden Husarenregimentern vorrätigen Steinschlosspistolen M 1827 aptieren zu dürfen. Diesem Antrag wurde unter gleichzeitiger Rücksendung der gesiegelten Proben am 5. Juni 1846 entsprochen. Es folgte 1847 eine „Instruktion für den Gebrauch der Perkussionspistole“.

Stückzahlen

Über die an die kurfürstliche Kavallerie ausgelieferten Perkussionspistolen M 1827/46 UM gibt es leider keine zufriedenstellenden Nachrichten. Doch lässt die Mannschaftsstärke der entsprechenden Regimenter Rückschlüsse zu.

Zum Zeitpunkt der Perkussionierung der vorhandenen Pistolen 1846/1847 existierte in der kurhessischen Armee das 1. oder Leib-Husaren-Regiment und das 2. Husaren-Regiment, genannt Husaren-Regiment Herzog von Sachsen-Meiningen. Jedes Regiment war in vier Eskadrons unterteilt und hatte ausschließlich der Offiziere eine Gesamtstärke von 402 Mann. Daraus ergibt sich eine Stärke von insgesamt 804 Mann für die Husaren-Regimenter.

Weiterhin existierte das Regiment Garde du Corps zu zwei Eskadrons mit einer Mannschaftsstärke von etwa 200 Mann, die neben dem Pallasch ebenfalls Pistolen führten.

Daraus errechnet sich ein Gesamtbedarf von Pistolen bei der Truppe von rund 1000 Stück und als Ergänzungsbedarf im Zeughaus etwa 500 Stück, sodass man davon ausgehen kann, dass alles in allem etwa 1.500 Pistolen M 1827/46UM vorhanden gewesen sein dürften. Dies ist sicherlich verschwindend wenig im Vergleich zu den Mengen an Pistolen, die in den preußischen Fabriken und in Suhl für die preußische Kavallerie gefertigt wurden. Ihre heutige Seltenheit ist damit leicht verständlich.

Erwähnenswert ist, dass die kurhessischen Pistolen M 1827/46UM überraschend schnell einen nochmals verbesserten Nachfolger erhielten. Dieser besaß nun neben einem neu konzipierten Perkussionsschloss eine verbesserte Verbindung von Lauf und Schaft durch einen adäquaten Laufring, was den bisher verwendeten Stift im Vorderschaft erübrigte. Das aber ist eine andere Geschichte................



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