Die kurhessische Husarenpistole M 1848


Geschichte


Text Udo Lander

Wie bereits im früheren Artikel über die modernisierte kurhessische Pistole M 1827/45UM ausgeführt, war die Bewaffnungsgeschichte der kurhessischen Truppen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts geprägt von der recht umfangreichen Zusammenarbeit des Kasseler Kriegsministeriums mit der Gewehrfabrik Pistor in Schmalkalden. Dieser langjährigen Zusammenarbeit, deren nahendes Ende sich im Laufe der 1840/50er-Jahre jedoch abzeichnete, ist auch die im Nachfolgenden vorgestellte Kavalleriepistole zuzuschreiben.

Vorgeschichte

Schon 1836 hatte man in Kassel Untersuchungen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Kavalleriebewaffnung durchgeführt und ein Bericht vom 31. März 1839 legte schließlich die Details der zukünftigen Kavalleriebewaffnung fest, die zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht auf das Perkussionssystem umgeändert war.

Festgelegt hatte man, dass für Karabiner und Pistole, beide ehemals französischen Musters, nur ein Ladestock zur Verfügung stehen sollte, welcher am Bandelier zu tragen war. Wie berichtet, hatte man den bisher nur halb geschäfteten französischen Pistolen M an 13, welche nun als M 1827 bezeichnet wurden, darüber hinaus auf kurfürstliche Anordnung einen Vorderschaft mit lediglich den Schaft umgreifender Vorderschaftkappe angepasst

Der Bericht der Waffenkommission von 1839 bemängelte obendrein aber die Befestigung des Pistolenlaufes am Schaft mittels Stift und Öse und schlug statt dessen vor, Lauf und Vorderschaft mit einem Laufring aus Eisen oder Messing zu versehen, welcher sowohl über den Lauf als auch über den Schaft greift. Vorbild für diese Änderung mag wohl Badens Pistole M 1816 gewesen sein

Luftschlösser

Noch aber war nicht die Rede von einem entsprechend verbesserten Nachfolger. Vielmehr dachte man in Kassel auf einmal über die Einführung der in Dänemark bereits verwendeten Hinterladerpistole System Löbnitz nach. Diese Überlegungen gipfelten darin, dass das hessische Kriegsministerium im Januar 1841 dem Kurfürsten empfahl, bei der Kavallerie die Löbnitzpistole einzuführen, dafür aber den Karabiner der Reiter wegfallen zu lassen.

Der Kurfürst aber entschied sich im November 1841 klar gegen die Löbnitzpistole, welche er – nicht ganz zu Unrecht - für den militärischen Gebrauch für viel zu kompliziert und in der Produktion für zu teuer hielt. Damit aber wurden auf einmal die kriegsministeriellen Vorschläge von 1839 hinsichtlich der Änderung der Laufbefestigung an der neu zu beschaffenden Pistole wieder aktuell.

Leider ist aufgrund der ungenügenden Aktenlage eine exakte Darstellung der Abläufe, welche zur Fertigung und Einführung der Nachfolgepistole führten, nicht möglich, doch kann man an Hand der Kontrollstempelungen an der vorliegenden Pistole doch einiges herauslesen.

Hessische Kontrolleure in Schmalkalden

Am 31. März 1848 hat das hessische Kriegsministerium den Premier-Leutnant Darapsky von der kurhessischen Artillerie-Brigade und den Büchsenmacher Stockenius vom 2. Husaren-Regiment nach Schmalkalden abkommandiert, welche für die Inspektion und Kontrolle der von Pistor gefertigten Waffen verantwortlich waren. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Eintrag zu Stockenius im Neuen Stöckel Band 2, S.1225 hinsichtlich seiner Wirkungszeit in Schmalkalden offensichtlich nicht korrekt ist.

Da die vorliegende Pistole auf dem Lauf, am Schlossblech und am Schaft sehr deutlich die Kontroll- und Endabnahmemarke von Stockenius, ein „ST“ mit oder ohne Krone zeigt, kann sie folglich nicht vor dem 31. März 1848 gestempelt worden sein. Erst ab diesem Zeitpunkt ist Stockenius nach Schmalkalden kommandiert und folglich erst ab diesem Zeitpunkt dort arbeitsbereit. Daraus ergibt sich aber, dass die Waffe an sich auch nicht früher gefertigt, bzw. endkontrolliert worden sein kann. Mangels aktenmäßig belegter Nachweise über den Zeitpunkt der Normierung der neuen Waffe und im Hinblick darauf, dass Stockenius sicherlich vordringlich die bei Pistor in der Produktion befindlichen Infanteriewaffen des Musters M 1848 abzuarbeiten hatte, sollte man die Pistole bis zur exakten Klärung des Sachverhalts als „Husarenpistole M 1849“ bezeichnen.

Änderungen und Verwendung

Auffallend an der hier vorgestellten Pistole M 1849 im Vergleich zur Vorgängerwaffe M 1827/45UM ist die Form des Schlossblechs und natürlich die andere Art der Laufbefestigung durch einen an der Laufunterseite verschraubten Messingring. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Pistonsockel keine Putzschraube mehr besitzt. Der Wegfall dieser leicht verlierbaren Schraube war deswegen möglich geworden, weil man den Zündkanal nicht erst vertikal von oben und dann im rechten Winkel mehr oder weniger waagerecht nach innen, sondern von oben schräg zum Laufinnern hin gebohrt hat. Dies machte nach dem Entfernen des Pistons eine leichte Reinigung des Zündkanals möglich und die vormals unbedingt erforderliche Reinigungsschraube konnte entfallen.

Die Abrundung am linken Ende des Schlossblech hat man von den 1848 bei der Linieninfanterie eingeführten neuen Gewehr- und Karabinergarnituren, ebenfalls aus Pistor’scher Produktion, übernommen. Mit der Anpassung des Schlossblechs an dieser Stelle an die äußere Schaftkontur der Pistole war eine Verringerung der Materialstärke verbunden, wodurch eine Gewichtsreduzierung erreicht wurde. Dies konnte angesichts des erheblichen Gewichts der neuen Waffe von nahezu drei Pfund nur von Vorteil sein.

Jeder Husar erhielt neben einem Karabiner eine Pistole, die in einem Holster an der rechten Seite des Sattels geführt wurde, die Unteroffiziere dagegen besaßen keinen Karabiner mehr, führten dafür aber zwei Pistolen.

Bestand

Die kurhessische Reiterei hatte entsprechend der Matrikel für das Deutsche Bundesheer von 1842 im Jahr 1860 zwei Eskadrons Garde-du-Corps, ein Husaren-Regiment mit vier Eskadrons und ein halbes Husaren-Regiment mit zwei Eskadrons. Zusammen waren das acht Eskadrons. Da jede Eskadron 132 Mann stark war, ergab das eine Mannstärke in der Kriegsformation von insgesamt 1048 Kombattanten. Dazu kam als Ersatztruppe nochmals ein halbes Husaren-Regiment mit zwei Eskadrons von zusammen 264 Mann.

Um diese Reiter mit Pistolen auszurüsten, waren also insgesamt 1.312 Stück erforderlich. Hinzu kam, wie bereits erwähnt, dass Unteroffiziere zwei Pistolen führten. Da nach den Bundesmatrikeln von 1842 die Anzahl der Unteroffiziere wie 11:1 gefordert war, d.h. auf je 11 Soldaten ein Unteroffizier kam, ergibt das eine Gesamtzahl von 119 Unteroffizieren bei der Garde-du-Corps und den Husaren-Regimentern zusammen. Die zur Ausstattung der Berittenen Mannschaften und Unteroffizieren erforderliche Anzahl an Pistolen belief sich also auf 1.431 Stück.

Diese Menge an Pistolen M 1827/45UM und M 1849 dürfte wohl auch vorhanden gewesen sein, zumindest wird das so auch in der einschlägigen Literatur bestätigt, wo für das Jahr 1856 ein Gesamtbestand von 1.442 glatten Pistolen im Kaliber 17,5mm angegeben wird. Allerdings fehlt bei dieser Gesamtzahl ein sicherlich notwendiger Ersatzbedarf, welcher, so ist anzunehmen, durch die Bestellung von Pistolen M 1849 bei Pistor in Schmalkalden gedeckt wurde.

Dieser Ersatzbedarf dürfte bei etwa 500-600 Pistolen gelegen haben und wie die hier vorgestellte Pistole an Hand ihres Truppenstempel an der Unterseite des Vorderschafts belegt, wurden die neuen Pistolen ersatzweise auch an die Truppe ausgegeben. Ältere, zu diesem Zeitpunkt schon über 30 Jahre alte und wahrscheinlich mit Mängeln behaftete Pistolen M 1827/45UM wurden dafür, so ist anzunehmen, im Zeughaus eingelagert.

Unrühmliches Ende

Als am 23. Juni 1866 als Folge des deutsch-deutschen Krieges die preußische Armee in Kassel einmarschierte und den hessischen Kurfürsten als Kriegsgefangenen nach Preußen abführte, war auch für die kurhessische Armee das unrühmliche Ende gekommen.

Beide Husaren-Regimenter wurden am 1. November 1866 als Husaren-Regiment N°13 und N°14 in die preußische Armee integriert. Die hessischen Husarenpistolen M 1827/45UM und M 1849 aus Pistor’scher Produktion aber wurden schließlich eingezogen, gegen preußische Kavalleriepistolen M 1850 ersetzt und später an den Handel verkauft.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die beiden kurhessischen Perkussionspistolen M 1827/45UM und M 1849 neben der sächsischen Pistole M 1812/38UM schon in den 1840er-Jahren die einzigen deutschen Kavalleriepistolen waren, die eine federbeaufschlagte Pistonsicherung besaßen. Speziell die Ausführung der Sicherung an den kurhessischen Pistolen hat möglicherweise die Konstruktion der allgemein bekannten preußischen Kavalleriepistole M 1850 beeinflusst. Deren Sicherungssystem entspricht im Großen und Ganzen exakt dem der kurhessischen Vorbilder.



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