Ein Artilleriekarabiner aus Suhl für Peru
Geschichte
Die Bewaffnung des peruanischen Heeres sollte1856 vereinheitlicht werden. Der General der Artillerie José Àlvarez schickte eine Kommission nach Europa um Minié-Gewehre für die Infanterie und Karabiner für die Artillerie und Kavallerie zu kaufen. Zuvor kaufte man für die Infanterie und die Fußartillerie Miniè-Gewehre in den Vereinigten Staaten. Für die Kavallerie und die reitende Artillerie wurden Sharps-Karabiner, für die Pioniere glatte Perkussionsgewehre bezogen..
Der Major der Artillerie Emeterio Pereja von der Armee der Republik Peru reiste nach Deutschland und verhandelte im Auftrag der peruanischen Regierung in Suhl mit verschiedenen Fabrikanten über die Lieferung von Waffen.. Mit den Fabrikanten Haenel und Schilling wurde man sich handelseinig. Nach den noch vorhandenen lückenhaften Aufzeichnungen des ehemaligen Firmenarchiv der Firma C. G. Haenel, welche sich nun im in der Außenstelle Suhl des Thüringischen Staatsarchiv befinden, wurden schon im Jahre 1857 Lieferungen nach Peru getätigt. Es liegen Lieferscheine über die Lieferung von 500 Hähne für Minièschlösser, 200 Bajonette mit kurzen Tüllen, 500 Bajonette mit langen Tüllen und 500 Ladestöcke vor. Auch wurden nach einer Bestellung vom 18. März 1857 ein Artillerie-Karabiner mit Pionierfaschinenmesser zum Aufpflanzen, ein Karabiner für Spielleute ohne Bajonett, ein Pistole für Marine (mit Charnierladestock) und eine Pistole für Kavallerie als Musterwaffen geliefert. Vor diesen Ersatzteillieferungen dürfte wohl eine erste Bestellung von 4000 Minié Gewehre in den Jahren 1857 oder 1858 ausgeliefert worden sein. Unterlagen sind zwar keine mehr vorhanden, aber in dem nachfolgenden, im Original noch vorliegenden Vertrag aus dem Jahre 1859 wird ausdrücklich auf die schon von Haehnel gelieferten 4000 Gewehre verwiesen.
Bei diesem Vertrag vom 19. Januar 1859, der übrigens wie alle vorliegende Verträge in deutscher und spanischer Sprache abgefasst ist, wird zwischen der Republik Peru und den Waffenfabrikanten C.G. Haenel und V.Chr. Schilling in Suhl ein Kontrakt über 8000 Gewehre abgeschlossen. Der Sarjento Major der Artillerie Emeterio Pareja von der Armee der Republik Peru unterzeichnete im Auftrag der Peruanischen Regierung.
„Die Fabrikanten C.G. Haenel und V.Chr. Schilling verpflichteten sich 8000 Stück Miniè Gewehre mit Bajonett und Ladestock gleich dem Modell, welches mit dem Siegel eines jeden der kontrahierenden Teile unterschrieben ist, zu fertigen und an Herrn E. Pareja zu verkaufen.“
Als Zubehör wurde noch für jedes zehnte Gewehr ein Schraubenzieher, ein Krätzer und eine Federklammer geliefert.
Es wurde vereinbart, „dass alle Teile nachgesehen und kontrolliert werden durch den Revisor der Fabrik, wie es der Brauch ist und in Abstimmung des Herrn Major Pareja ganz in derselben Art wie die ersten 4000 Stück derselben Gattung welcher der Herr C.G. Haenel der Republik Peru schon geliefert hat, nachgesehen und geprüft worden sind.“
Die Fabrikanten verpflichteten sich, die 8000 Gewehre in vier Partien zu liefern und zwar sollten
zweitausend St. am 30. April
zweitausend St. am 31. Juli
zweitausend St. am 31. Oktober
zweitausend St. am 31. Dezember
des laufenden Jahres, auf Kosten und Gefahr obiger Fabrikanten nach Hamburg abgehen.
Für die ersten 4000 Gewehre wurden dreizehn Taler (Preuß. Court), für die restlichen 4000 Gewehre und den Preis von Zwölf Talern und zwanzig Silbergroschen für jedes Gewehr bezahlt. Die Lieferungen und Bezahlungen wurden über das Hamburger Handelshaus Feldmann, Böhl und Co. abgewickelt.
In einem weiteren Vertrag mit gleichem Datum wurden noch: 800 000 Kugelpatronen, 2000000 Zündhütchen, 8000 Regenpfropfen, 7200 Kugelzieher, 7200 Schraubenzieher,
7200 Federklemmen und an Ersatzteilen 100 Läufe mit Visier, 800 Bajonette mit Ring, 800 Ladestöcke, 200 ganze Schafthölzer, 400 halbe Schafthölzer, 400 Zündstifte, 60 fertige Visiere, 100 Visierklappen, 200 fertige Schieber u.s.w. geordert. Weiterhin wurde am 4. Juni 1859 von Peru bei C.G. Haenel 1 Million Cülots gut verpackt in Kisten und zu liefern innerhalb von zwei Monaten über die Firma Feldmann Böhl und Comp. in Hamburg bestellt.
Mit diesen Lieferungen war anscheinend der Bedarf der Peruanischen Armee noch nicht gedeckt, denn am 14. Juni 1859 schloss der peruanische Major der Artillerie Emeterio Pareja nochmals einen Vertrag mit C.G. Haenel und V.Chr. Schilling über 4000 Minié -Gewehre mit Bajonett und Ladestöcken, sowie 1000000 Zündhütchen, 4000 Regenpfropfen, 4000 Reinigungsbürsten, 3600 Kugelzieher, 3600 Schraubenzieher, 3600 Federklemmen, 50 Läufe fertig mit Visieren und Zündstiften, 400 Bajonette mit Ring, 400 Ladestöcke, 100 ganze Schafthölzer, 200 viertel Schafthölzer, 200 halbe Schafthölzer, 200 Zündstifte, 30 fertige Visierklappen, 50 Visierklappen u.s.w. Die ersten 2000 Gewehre sollten bis zum1. März und der Rest bis zum 1. Mai 1860 geliefert werden. Wie vereinbart sollte die Bezahlung jeweils bei Ankunft einer Lieferung in Hamburg durch die Herren Feldmann, Böhl und Co. in Preuß. Court. erfolgen.
Von welcher Art diese Gewehre waren ist aus den Verträgen nicht ersichtlich, es wurde wie in der damaligen Zeit üblich, nach gesiegten Mustern; „gleich dem Modell, welches mit dem Siegel eines jeden der kontrahierenden Teile unterschrieben ist“ bestellt.
Es müssen aber doch unterschiedliche Modelle gewesen sein, da man Bajonette mit kurzen Tüllen und mit langen Tüllen bestellt hatte. Bisher wurden bei uns keine Gewehre gefunden, welche eindeutig den Lieferungen zugeordnet werden konnten. Auch im Waffenmuseum in Suhl sind keine Belegstücke mehr vorhanden. Erst durch einen glücklichen Zufall konnte der Autor im letzten Jahr ein Exemplar erwerben, welches eindeutig Peru zugeordnet werden kann. Es wurde vor Jahren von einem Mitglied des diplomatischen Dienstes in Chile erworben und nach Deutschland verbracht. Es ist ein kurzer gezogener Artillerie-Karabiner mit einer Aufpflanzvorrichtung für ein Faschinenmesser. Die Schlossplatte ist in der Mitte mit FABR. HAENEL A SUHL und auf der linken Seite mit REP. PERU unter dem Wappen von Peru gezeichnet. Das Wappen aus der Kriegsflagge Perus, welche am 25. Mai 1825 offiziell eingeführt wurde, zeigt in drei Feldern die Reichtümer des Landes: Flora (Quina-Baum), Fauna (Lama) und Mineralien (Füllhorn) und ist heute noch gültig. Der vorn achtkantige, dann runde Lauf ist 55,2 cm lange, hat ein Kaliber von 15,2 mm, 3 Züge und 3 Felder. Auf dem achtkantigen Teil befindet sich ein Standvisier mit 2 Klappen und auf der rechten Seite eine Aufpflanzvorrichtung für ein Seitengewehr. Er ist gekennzeichnet mit der Jahreszahl 1857 und einem Abnahmestempel. Die dreiviertel Schäftung reicht bis 15 cm vor dem Laufende. Von den Beschlägen sind die Schaftringe und der Abzugsbügel aus Messing, die Kolbenkappe aus Eisen. Auf den Beschlagteilen, dem Lauf und dem Schloss befindet sich der Abnahmestempel „S“ unter Krone. Die Waffe entspricht dem Artillerie-Karabiner mit Aufpflanzvorrichtung für ein Pionierfaschinenmesser wie er in der Musterbestellung vom 18. März 1857 aufgeführt ist. Da der Karabiner keine Waffennummer und auch keinerlei Gebrauchsspuren aufweist, dürfte es sich wohl um ein Muster gehandelt haben, vielleicht sogar die Musterwaffe aus der Lieferung von 1857. Ob dieser Minié -Karabiner eingeführt wurden, konnte an Hand der vorhandenen lückenhaften Unterlagen nicht ermittelt werden. Da man aber in Südamerika diese Karabiner im Antikhandel noch findet, ist davon auszugehen, dass sie wohl vor 1859 an Peru geliefert wurden. Über die erste Lieferung von 4000 Waffen liegt zwar kein Vertrag mehr vor, jedoch wurde schon in dem Vertrag von 1859 auf diesen Bezug genommen.
Nach den Verträgen wurde von 1857 bis 1860 sechzehntausend Gewehre von den Suhler Gewehrfabrikanten C.G. Haenel und V.Chr. Schilling an die Republik Peru geliefert. Alle gelieferten Waffen, Gewehre und Karabiner sind mit dem Peruanischen Wappen auf der Schlossplatte gezeichnet und nach dem System Minié gezogen.