Die preußische Kavalleriepistole M 1850


Geschichte


DIE PREUSSISCHE KAVALLERIEPISTOLE M 1850

Text: Udo Lander

Mit der Annahme der völlig neu konzipierten Perkussionspistole M 1850 erhielt die preußische Kavallerie und Artillerie ihre letzte, einschüssige, glattläufige Vorderladerpistole - dies zu einer Zeit, als in den USA Samuel Colt’s Six-Shooters und in Frankreich die hervorragenden Revolver von Emile Lefaucheux schon seit 15 Jahren für Furore sorgten.

Bereits 1849 hatte für Potsdam-Spandau ein Fertigungsauftrag über 15.000 Pistolen M 1850 vorgelegen, doch konnte dieser Auftrag vorerst nicht in Angriff genommen werden, weil die dazu erforderlichen Schablonen und Lehren der Einzelteile noch nicht zur Verfügung standen. Die diesbezüglichen Arbeiten begannen erst im Jahre 1850 und wurden 1853 beendet.

Genau in dieser Zeit fand auch der Übergang der Gewehrfabrik von einem Privat- in ein Staatsunternehmen statt Auslöser, jedoch nicht Hauptursache dafür war, daß eine Fertigung von Dreyse-Zündnadelgewehren, welche die Arbeitskapazität der Gewehrfabrik hätte auslasten können, nicht möglich war, da die durch Nikolaus v. Dreyse gehaltenen Patente eine Fertigung in den preußischen Fabriken zunächst unterband. Im September 1849 erklärte v. Dreyse sich jedoch bereit, den preußischen Fabriken eine Herstellung von Zündnadelgewehren zu erlauben, wenn diese vom Staat selbst betrieben und verwaltet würden (1) . So kündigte die preußische Militärführung am 27. Dezember 1850 den seit 1722 bestehenden Vertrag mit Wirkung zum 1. Januar 1852. Bei den auf Grund des o.a. Auftrages in jener Zeit hergestellten Pistolen M 1850 findet man daher das Signum der Gewehrfabrik auf dem Schloßblech einmal mit, einmal ohne das sattsam bekannte „G.S.“ der Gebrüder Schickler, ohne daß hierbei allerdings eine gewisse Regelmäßigkeit oder ein System zu erkennen wäre.

Die Pistole M 1850 besitzt das proportional verkleinerte Perkussionsschloss des preußischen Infanteriegewehrs M 1839, jedoch mit der bei Karabinern und Jägerbüchsen üblichen Pistonsicherung. Auch der erst wenige Jahre später gefertigte Karabiner M 1853 erhielt dasselbe Schloss (2). Die Pistole M 1850 wurde in zwei unterschiedlichen Varianten gefertigt: Eine Variante war ohne, die andere mit Kolbenring für unterschiedliche Verwendungen ausgestattet. Dabei ist der Kolbenring in einem im Kolben verankerten Eisenstück so verstiftet, daß er sich ohne dabei herausgeschraubt zu werden, um 360° drehen lässt.

Dieser drehbare Kolbenring ist auf Grund einer AKO vom 25.04.1867 bei den Pistolen der Dragoner, Ulanen und Husaren nachgerüstet worden, eine weitere AKO vom 16.01.1868 brachte schließlich auch den Kürassieren den Kolbenring. Bei den Pistolen der reitenden Artillerie und des Trains fehlte dieser Ring im Normalfall, wenngleich heute durchaus Pistolen M 1850 mit einer Artilleriestempelung und mit Kolbenring bekannt sind (3). Ab 1867 neu gefertigte Pistolen M 1850 schließlich besaßen generell einen Kolbenring (4) .

Die Pistole M 1850 war die Faustfeuerwaffe der preußischen Kavallerie und Artillerie im Krieg gegen Frankreich 1870/71 und blieb es bis weit in die 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Sie wurde erst nach der Einführung des Reichsrevolvers M/79 und M/83 allmählich abgelöst.

Auch in anderen deutschen Staaten gehörte die Pistole M 1850 zur Ausstattung der Kavallerie. Als Baden 1870 mit Preußen eine Militärkonvention schloss, mussten die badischen Unteroffiziere ihre bis dahin verwendete, gezogene Kolbenpistole M 1853/58UM abgeben und gegen die glattläufige preußische Pistole M 1850 eintauschen - die Geschossform und das Kaliber der Kolbenpistole entsprach nicht den preußischen Vorgaben (5) .

Pistole M 1850 mit Riemenöse, Fertigung Suhl S&C

Gefertigt von Spangenberg & Consorten in Suhl, entsprechende Signatur "SUHL" unter „Krone“ über "S&C" auf dem Schlossblech außen. Fertigungsjahr 1850, entsprechende Signatur "1850" an der Nahtstelle zwischen Lauf und Patentschwanzschraube oben links. Daneben an der Laufoberseite staatliche Superrevisionsmarke "FW" unter Krone. Nussbaum-Halbschaft mit Messingbeschlägen, diese bestehend aus einem von unten an einem Sockel des Laufs verschraubtem Laufring, Abzugsbügel mit Fingerhaken und Kolbenkappe mit eiserner, um 360° drehbarer Fangriemenöse. Flaches, s-förmiges Schlossgegenblech und oberer sowie unterer Kolbenbügel aus Eisen. Lauf mit Patentschwanzschraube und Mündungswulst. Standkimme auf dem Schwanzschraubenblatt, Eisen-Dachkorn auf dem Lauf, 26mm hinter der Mündung. Perkussionsschloss M/50 mit flachem, bündig in das Schaftholz eingelassenem Schlossblech und federgestützter Pistonsicherung. Alle Beschlag- und Eisenteile mit preußischen Kontrollstempeln. Auf dem Abzugsbügel der Truppenstempel "U.12.5.88." der 5. Eskadron des Litauischen Ulanen-Regiments N°12, welches 1860 errichtet wurde, in Insterburg stationiert war und zum I. AK gehörte.

Gesamtlänge 380mm, Lauflänge 220mm, Schlosslänge 129mm, Kaliber des glatten Laufs 15,2mm

Die Produktion der Pistole M 1850 lief neben der Fabrik in Potsdam-Spandau ab 1850 auch in Suhl bei den Waffenfabrikanten Gottlieb Hänel (G.H.), Spangenberg & Consorten (S&C) und bei Sauer & Sohn (S&S). Auch die preußische Gewehrfabrik Saarn war ab 1851, Danzig ab 1853 an der Herstellung beteiligt.

Die Verteilung der Pistole M 1850 auf die einzelnen Waffengattungen der Kavallerie ergab sich aus der Kabinettsordre vom November 1851.

Danach führten alle Kürassiere, Mannschaften wie Unteroffiziere jeweils nur noch eine Pistole, die bisher verwendeten Karabiner waren abzugeben. Gleiches galt für die Ulanen-Regimenter.

Bei den Dragoner-Regimentern führten nur die Unteroffiziere und Trompeter eine Pistole, die Mannschaften dagegen Perkussionskarabiner M 1821UM. Bei den Husaren-Regimentern besaßen nur die Trompeter jeweils eine Pistole; alle Mannschaften und Unteroffiziere dagegen hatten Karabiner , was sich aber ab Juni 1854 wieder änderte: Die Karabiner mussten abgegeben werden und dafür erhielt jeder Mann und Unteroffizier eine Pistole (6) .

Die Pistole M 1850 ersetzte die seit langem im Gebrauch befindliche Pistole M 1823, deren perkussionierte Form M 1823 UM nun an die Landwehrtruppenteile ausgegeben wurde. Die neue Pistole bedeutete jedoch in Bezug auf Handhabungsvereinfachung oder Schussleistung keinerlei Fortschritt gegenüber dem Vormodell. Daß die preußische Militärführung statt ihrer nicht eine der neuartigen Revolversysteme, oder zumindest eine Pistole mit gezogenem Lauf eingeführt hat, lag letztendlich am schlechten Ansehen der Kavalleriepistolen im Allgemeinen. Ihnen wurde die Eigenschaft „Waffe“ wegen ihrer völlig ungenügenden Treffleistung und Reichweite generell abgesprochen und nach Ansicht der Zeitgenossen taugte diese Faustfeuerwaffe nur zum Signalgeben oder um etwas in Brand zu schießen. Dazu aber reichten glattläufige Vorderlader durchaus!


  1. Wirtgen, R.: Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums im Schloss Rastatt, 2, Handfeuerwaffen, Teil II. Preußen (bis 1870), Freiburg 1979, S.21
  2. Wie Anm.1, siehe hierzu Katalognummer 39
  3. Wirtgen, A., Die preußischen Handfeuerwaffen, Modelle, Manufakturen, Gewehrfabriken 1814-1856, Steinschloss- und Perkussionswaffen, Bonn 2004, S. 250
  4. Sammlung AKOs Wehrgeschichtliches Museum Rastatt
  5. Lander, U.: Kolbenpistole der badischen Dragoner M 1853/58 UM, in Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums im Schloss Rastatt, 2 Handfeuerwaffen, Teil III, Baden (bis 1870), Freiburg 1987, S.152.
  6. Wirtgen, A., Die preußischen Handfeuerwaffen, Modelle, Manufakturen, Gewehrfabriken 1814-1856, Steinschloss- und Perkussionswaffen, Bonn 2004, S. 249ff

Pistole 1850 mit Holster

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