Aptiertes Württembergisches Infanterie-Faschinenmesser von 1829.


Geschichte


Text: Rolf Selzer

Von den in der Literatur, meist mit der Jahreszahl 1829 bezeichneten eisenmontierten Faschinenmessern existieren auch einige wenige Exemplare mit einer geänderten Parierstange. Die normalerweise gerade und mit einem vorn nach oben und hinten nach unten gezogenen flachen Rollknopf ausgestattete Parierstange wurde bei einer unbekannten Anzahl gegen ein neues Parierstück mit einem inneren und äußeren Parierring (Brille) ausgetauscht. Der dadurch erhöhte Schutz der Hand erscheint plausibel.

Eine spätere Entfernung des äußerst sperrigen inneren Parierrings dürfte das Versorgen der Waffe in der Seitengewehrtasche erheblich verbessert haben. Unklar bleiben die Gründe, welche spä¬ter zu einer nach vorne offenen Ausführung des Parierrings führten. Ein "Hängenbleiben" war quasi vorprogrammiert.

Es ist schwer nachvollziehbar, warum eine solche antiquierte Waffe aptiert wurde und gerade bei einer Fuhrpark-Kolonne Verwendung fand. Eher denkbar wäre ein Einsatz als Werkzeug um z.B. Draht oder Leitungen bei Telegraphen- oder Fernsprechabteilungen zu verlegen oder auch um Stacheldrahtverhaue und ähnliches damit zu räumen. Daß die Trainmannschaften gezwungen waren, kurzfristig Straßen auszubessern oder Hindernisse zu beseitigen, steht außer Frage. Nur wurde genau dafür Schanzzeug an den Wagen mitgeführt, so daß für veränderte Faschinenmesser keine Notwendigkeit bestand.

Das zweite Problem ist die zeitliche Zuordnung der aptierten Faschinenmesser. Der Truppenstempel taugt hierzu nur bedingt, da die für die Mobilmachung vorgesehen Waffen teilweise bereits durchgestempelt in den Artillerie-Depots lagerten.

Eine eindeutige Aussage, wann genau es zu diesem Truppenversuch kam, ist nicht möglich. Anfang der 70er Jahre erfolgte in Württemberg eine Reihe von Erprobungen von zumeist eisenmontierten Blankwaffen. Als Beispiel dafür sei das 1874 abgenommene Faschinenmesser U/M mit Eisengefäß genannt. Möglicherweise erfolgte in dieser Zeit auch die Aptierung des hier vorgestellten Faschinen-messers. Das 1899 errichtete Telegraphen-Detachement beim Telegraphen-Bataillon Nr. 1 in Berlin dürfte aber nicht im Zusammenhang mit der Aptierung gestanden haben.

Durch die Ausrüstung der Kriegsformationen sowie der Landwehr und des Landsturms mit 71er Gewehren verschwanden die Faschinenmesser allmählich aus dem Waffenetat. Wodurch sich auch die Frage stellt, in wie weit die alten Infanterie-Faschinemesser um 1914 überhaupt noch in den Depots vorhanden waren und nicht zwischenzeitlich veräußert wurden. Zumindest werden zu diesem Zeitpunkt in den einschlägigen in- und ausländischen Verkaufskatalogen diverse vergleichbare braunschweigische, badische oder auch sächsische Faschinenmesser bereits zum Verkauf angeboten.

In diese Richtung könnte auch der Abnahme- bzw. Depotstempel in Form einer Geweihstange hinweisen. Dieser erscheint auch auf Aushilfsseitengewehren im 1. Weltkrieg zusammen mit dem Stempel WÜRTTEMBERG in einer ovalen Umrandung. Sicherlich spekulativ, aber es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei Kriegsbeginn Waffen wieder aufgekauft wurden oder als Beute den deutschen Truppen in die Hände fielen und der Umbau erst zu diesem Zeitpunkt erfolgte. Als zitierfähige Quelle dient Deiß („Deiß, Das deutsche Soldatenbuch, Bd. 2, S. 184“), der französische Chassepot-Seitengewehre Mle 1866 mit aptiertem Tragehaken und deutschem Truppenstempel beschreibt, welche bereits bei Beginn des Weltkrieges in Frankreich erbeutet wurden: "Sie waren seinerzeit von den Militärbehörden nach genügender Herstellung des Gewehres 71 über Hamburg veräußert worden und dann wohl über Lüttich, dem zweiten großen Altwaffenhandelsplatz, wieder in französischen Besitz gelangt. Nun waren sie zum zweiten Mal erbeutet worden!" sowie "Ähnlich fanden übrigens auch die Körbe der französischen Säbel M 1822 ihren Weg in die Heimat wieder, da nur die Klingen und Scheiden dieser erbeuteten Waffen nach dem Feldzug 1870/71 für die preußischen Ulanensäbel Verwendung fanden."

Das von den Gebrüdern Weyersberg in Solingen hergestellte Faschinenmesser trägt den Truppenstempel der Württembergischen Train-Abteilung Nr. 13, Waffe Nr. 57 der 6. Fuhrparkkolonne, dazwischen ein württembergischer Abnahmestempel in Form einer Geweihstange

Auf dem Tragehaken der Scheide befindet sich ebenfalls ein Truppenstempel der 13. Train-Abteilung, nunmehr aber mit der 5. Etappen-Fuhrparkkolonne und der Waffennummer 39. Fuhrparkkolonne :

„Fuhrpark, beim Militär die zur Benutzung für Kriegszwecke vom Land gestellten und unter militärischer Aufsicht zur Verwendung kommenden Wagen. Im deutschen Heer sind militärisch organisiert die Fuhrparkkolonnen (je 6 beim Armeekorps, davon eine für die Etappeninspektion des Korps, jede zu 80 Wagen) zur Unterstützung der eigentlichen Proviantkolonnen des Trainbataillons. Die Wagen nebst ihren Führern werden für die Dauer des Kriegs gemietet oder bloß mit Bespannung gestellt und Reservisten oder Landwehrleute der Kavallerie und des Trains zu ihrer Führung eingezogen. Diese Kolonnen vermitteln unter dem Schutz einer Trainbegleitungs-Eskadron den Verkehr zwischen den Proviantkolonnen des mobilen Armeekorps und den rückwärts angelegten Lebensmitteldepots. Für jede Sektion des Belagerungsparks wird eine Munitions-Fuhrparkkolonne zu 40 Kasten oder Munitionswagen formiert. Ebenso wird in jeder Festung bei deren Armierung ein Festungsfuhrpark aufgestellt.“

Resümee: Ein zweifelsfrei württembergisches Faschinenmesser, dessen Aptierungen sich dem Verständnis des Betrachters entziehen und immer neue Fragen aufwerfen. Um Anregungen, Hinweise und / oder Kritik wird gebeten. Auch wäre die Dokumentation eines Modells mit dem kompletten inneren und äußeren Parierring wünschenswert.

Erweiterte Fassung des im Deutschen Waffen-Journal (DWJ) Heft 3 / 1992 erschienen Artikels „Trio – Drei ungewöhnliche deutsche Faschinenmesser!



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