Die Kolbenpistole M 1853/58 UM der Badischen Dragoner


Geschichte


Text Udo Lander

Nach der Auflösung der badischen Armee in Folge der revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49 kam es auf Grund Höchsten Erlasses vom 6. Januar 1850 zur Neuaufstellung von drei Reiterregimentern zu je vier Schwadronen. Die Gesamtstärke jedes Regiments war anfänglich festgelegt auf 440 Mann einschließlich aller Offiziere und Unteroffiziere, die Mannschaftsstärke betrug 72 Carabiniers und 268 Reiter. Später wurde mit Erlass vom 14. August 1854 die Zahl der Carabiniers in einem Reiterregiment auf 48 gesenkt und die der Reiter auf 300 erhöht. Die beiden Gruppen unterschieden sich in der Feuerwaffenausrüstung: Während die Carabiniers – wie der Name sagt – Karabiner führten, erhielten die Reiter als Faustfeuerwaffe anfänglich ein Paar auf die Perkussionszündung umgebaute glatte Pistolen aus vormals St. Blasischer, aber auch französischer Fertigung., die sie jedoch ab 1853 gegen ein neues Waffensystem eintauschten.

Neues Waffensystem für die Reiterei

Nach dem Vorbild Hannovers hatte sich Baden zur Einführung einer Kolbenpistole für die Reiterei entschieden. Bei dieser Waffe handelte es sich um eine Kombination aus Karabiner und Pistole, da der ansteckbare Kolben den Gebrauch der Waffe auch im karabinermäßigen Anschlag möglich machte. Diese Pistole, nach dem Jahr der Einführung auch als M 1853 benannt, wurde nur einzeln geführt und hatte neben dem Ansteckkolben noch eine weitere Besonderheit zu bieten: Die Waffe war eingerichtet für ein Minié-Geschoss in dem für die damaligen Verhältnisse sehr kleinen Kaliber von „nur“ 0,43 Zoll oder 13,0mm. Noch im gleichen Jahr erging eine Laboriervorschrift, d.h. eine Vorschrift zur Herstellung der Munition für die Kolbenpistole und ein Jahr später erschien eine „Provisorischen Vorschrift zur Kenntnis, Behandlung, das Exerzieren und Schießen mit der Kolbenpistole“.

Die definitive Einführung eines für die Reiterei gültigen Exerzierreglements, das die bisher provisorische Vorschrift für die Kolbenpistole mit einschloss, erfolgte aber erst am 1. November 1857. Dies mag eventuell der Grund dafür gewesen sein, dass in manchen Regimentsgeschichten der badischen Reiterei als Einführungsdatum für die Kolbenpistole erst das Jahr 1857 angegeben wird, was allerdings, wie ausgeführt, nicht den Tatsachen entspricht.

Lieferung aus Württemberg

Im Jahr 1851 hatte das badische Kriegsministerium bei der Königlich Württembergischen Gewehrfabrik in Oberndorf am Neckar 1200 Kolbenpistolen für die drei neu aufgestellten badischen Dragoner-Regimenter in Auftrag gegeben, die ab 1853 den bis dahin geführten glatten Karabiner M 1816/40UM und die glattläufige Pistole gleichen Musters ersetzten. Lediglich die bei den Regimentern vorhandenen Carabiniers behielten ihre Karabiner.

Bei der Einführung der Kolbenpistole, die mit angestecktem Kolben ein sehr genaues Schießen ermöglichte, hatte man sich am hannoverschen Vorbild orientiert, dessen Reiterei schon seit 1819 eine derartige Kolbenpistole führte. Da dies nun der erste in der badischen Reiterei verwendete Ansteckkolben war, machte man sich Gedanken über die Unterbringung dieses Ausrüstungsstücks, so dass am 14. März 1854 per Allerhöchstem Befehl verfügt wurde, „dass die Kolbenhulfter mit dem Tragleder auf der rechten Seite zwischen der Schweißtasche und der Schweifriemenschnalle, ähnlich wie die Hufeisentascheangebracht werden soll. Der Kolben soll die Feder nach unten und die Parirstange nach rückwärts in die Kolbenhulfter gesteckt, das Sicherungsriemchen dahinter gelegt und die Hulfterklappe zugeknöpft werden“.

Aus Alt mach Neu

Zur Fertigung der Kolbenpistole hat Baden offenbar einen beträchtlichen Anteil an überzähligen Pistolen M 1816/40UM, die nicht mehr gebraucht wurden, zur Teilegewinnung nach Oberndorf geschickt. Dies lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass recht viele badische Kolbenpistolen existieren, deren Beschlagteile noch die alten Marken der Kontrolleure aus St. Blasien aufweisen und die ohne Abänderung für die Kolbenpistolen verwendet worden sind, ein Vorgang, der in auffälliger Weise die damaligen Sparsamkeitsbestrebungen verdeutlicht. Gleichzeitig erklärt dieser Vorgang aber auch die heute auf dem Sammlermarkt recht geringe Anzahl der badischen Kavalleriepistole M 1816/40UM!

Kaliberänderung

Im VIII. Bundes-Armeekorps, zu dem neben Württemberg und Hessen-Darmstadt auch das Großherzogtum Baden gehörte, wurde am 28. April 1857 das Muster des neuen gezogenen Infanteriegewehrs mit kleinem Kaliber 13,9mm nach österreichischem Vorbild angenommen. Damit erwies es sich im Sinne einer einheitlichen Munitionsversorgung als zwingend erforderlich, auch die neuen Kolbenpistolen diesem etwas größeren Kaliber anzupassen.

So wurde mit Allerhöchster Genehmigung vom 7. April 1858 angeordnet, dass die Pistolen der Reiterei zur Verwendung des neuen Infanteriegeschosses von 13,0 auf 13,75mm ausgekolbt werden sollten - der im Gegensatz zum Gewehr sehr kurze Pistolenlauf gestattete einen etwas kleineren Spielraum zwischen Geschoss und Laufwandung und somit auch ein geringfügig kleineres Laufkaliber als beim Infanteriegewehr. Überdies wurde die Kornhöhe auf 3,5mm vermindert und die Pulverladung für die Pistole auf 2,5g festgesetzt.

Dem großherzoglichen Wunsch wurde offensichtlich sehr rasch entsprochen, denn bereits am 29. Juni desselben Jahres wurde das Muster der im Kaliber vergrößerten Pistole M 1853/58 UM vorgelegt und genehmigt. Die entsprechenden Umänderungsarbeiten vergab das Kriegsministerium an die Vertragsfirma Georg Hänel in Suhl, wobei zur Schonung der Züge beim Hantieren mit dem Ladstock, aber auch zum leichteren Einführen des Geschosses in den Lauf der Mündungsbereich auf die geringe Länge von 8,5mm glatt blieb.

Neufertigung in Suhl

Offensichtlich war das badische Kriegsministerium mit der Auftragsdurchführung von Georg Hänel sehr zufrieden, denn die Waffenschmiede in Suhl erhielt wenige Jahre nach Abschluss der Umänderungsarbeiten einen Ergänzungsauftrag zur Neufertigung von 200 badischen Kolbenpistolen M 1858. Diese Maßnahme war notwendig geworden, weil die Stärke der Reiter innerhalb eines Regiments per Erlass vom 26. Oktober 1864 von 300 auf 352 erhöht worden war, so dass die vorrätige Anzahl an Kolbenpistolen M 1853/58 UM inklusive der notwendigen Reserven aus Oberndorfer Fertigung nicht mehr ausreichend war.

Verweildauer

Die Kolbenpistole ist erst nach dem Krieg 1870/71 bei den Mannschaften durch den preußischen Zündnadelkarabiner M/57 ersetzt worden, wobei die Unteroffiziere interessanterweise ihre bis dahin geführten Kolbenpistolen gegen glatte Pistolen des preußischen Musters M 1850 einzutauschen hatten. Die Erklärung dieses waffentechnischen Rückschritts lag in der im Jahr 1870 zwischen Baden und Preußen abgeschlossenen Militärkonvention, deren Artikel 18 bestimmte, dass „sämtliche vorhandenen Materialbestände für das badische Kontingent an Bekleidung, Bewaffnung, Munition (....) an den Bund übergehen“. Das aber bedeutete – um eine einheitliche Munitionsversorgung aller im Bund integrierten Kontingente sicherzustellen – dass die badische Kolbenpistole ausgemustert werden musste, weil sie in Geschossform und Kaliber nicht den preußischen Belangen entsprach.



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