Büchse der Hessen-Hanauischen Jäger um 1776


Geschichte


Die Büchsen der Hessen-Hanauischen Jäger im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776 –1783.

Seit 1775 befanden sich die englischen Kolonien in Amerika in offenem Aufstand gegen die Krone. Die englische Regierung gelangte schon sehr früh zu der Ansicht, dass die eigenen Truppen in Amerika bei weitem nicht ausreichten, um die Rebellion zu unterdrücken, und dass der eigene Bevölkerungsanteil nicht genügte, um die Armee mit den benötigten Leuten aufzufüllen. Deshalb sollten fremde Hilfstruppen angeworben werden. Nachdem die größeren Staaten wie z. B. Russland es ablehnten Truppen zu stellen, schickte die britische Regierung Oberst William Fawcett (in den deutschen Quellen meist Faucett oder Faucitt geschrieben) als Bevollmächtigten nach Deutschland, um bei den Fürstenhöfen deutscher Kleinstaaten, deren Verschuldung es erwarten ließ, Truppen anzuwerben.

Verträge mit England - So wurden bereits 1775 und 1776 von Waldeck (750 Mann), Braunschweig (4000 Mann), Ansbach-Bayreuth (1160 Mann), Anhalt-Zerbst (1160 Mann) und Hessen-Kassel (12500 Mann) die ersten Subsidienverträge (lat. Subsidium = Hilfe, Beistand) mit England unterschrieben.

Fawcett wurde 1776 auch in Hessen-Hanau vorstellig. Hier regierte seit 1764 Wilhelm (IX.) als Erbprinz von Hessen und Graf von Hanau selbstständig das Ländchen. Die Grafschaft hatte damals 10 Städte, 116 Dörfer mit etwas über 50000 Einwohner auf einem Areal von etwa 20 Quadratmeilen.

Wilhelm (IX.) Erbprinz von Hessen und Graf von Hanau
Bereits am 4. Februar 1776 dem Tag seiner Ankunft schloss Oberst William Fawcett mit dem hanauischen Minister Malsburg dem Beauftragten des Erbprinzen einen Subsidienvertrag ab. Dieser verpflichtete den Landgrafen bis spätestens 20. März ein Infanterieregiment von 668 Mann gegen eine doppelte Subsidie von 25000 Kronen und ein Werbegeld von 30 Kronen pro Mann marschfertig zu machen und für die Dauer des amerikanischen Krieges in englische Dienste zu stellen,.

Fawcett war ganz begeistert von dem Regiment, als der Erbprinz es ihm selbst auf der Parade vorführte, und schrieb nach London: „Ich muss gestehen, dass ich seit langer Zeit keinen schöneren Truppenkörper gesehen habe, alle Soldaten sind Eingeborene des Landes und prächtig ausgerüstet, sie handhaben ihre Waffen ausgezeichnet und marschieren wie altgediente Leute.“ Der Erbprinz bot auch noch eine Kompanie Artillerie von 4 Offizieren und 126 Mann mit 6 leichten Geschützen der englischen Krone an. Der König nahm, trotzdem die Stärke der Artillerie im Verhältnis zum Hanauer Regiment zu groß sei, das Angebot an, weil auch die Artillerie bei der Musterung durch Fawcett einen sehr guten Eindruck machte. Der Vertrag wurde am 25. April durch einen entsprechenden Zusatz ergänzt.

Am 14. März 1776, 3 Uhr nachmittags wurde das Regiment unter dem Oberst von Gall auf dem Main eingeschifft, um auf dem Rhein nach dem holländischen Ausfuhrhafen zu gelangen; die Artillerie folgte einige Wochen später am 15. Mai.

Nachdem sich im Laufe des amerikanischen Feldzug die Notwendigkeit von leichten Truppen erwiesen hatte, wurden gegen Ende 1776 von den Engländern die Aufstellung von Jägern verlangt. General Heister hatte ihre Bedeutung in den Long-Island-Gefechten vom 27. bis zum 29. August 1776 erkannt und in einem aus Brooklyn am 3. September 1776 an Lord Suffolk datierten Brief ihrer 800 Mann zur Vermehrung der englischen Armee für unbedingt notwendig erklärt. Er wollte in ihnen einen den amerikanischen Riflemen ebenbürtigen, wenn nicht überlegenen Gegner schaffen.

So errichtete auch Hessen-Hanau im Frühjahr 1777 ein Jägerkorps von vier Kompanien, das 1779 durch eine fünfte vermehrt wurde. Der Vertrag durch den zugleich die Subsidie im Verhältnis der gelieferten Jäger vermehrt wurde, kam am 10. Februar 1777 für 412 Mann zustande. In acht Paragraphen wurden die Bedingungen festgelegt, unter denen das Korps in englische Dienste treten sollte; es durften mehr, aber nicht weniger als vier Kompanien zu 100 Mann zählen. Die Hanauer Jäger werden mit den kasselschen auf gleichen Fuß gestellt, und ihre Löhnung war höher als die der Infanterie.

Die Bewaffnung - Bewaffnet waren die Hanauer Jäger mit der damals üblichen Jägerbüchse und einem nichtaufpflanzbaren Hirschfänger. Die kurzläufige Büchse, überwiegend aus Hanauer und Schmalkaldener Fertigung, entspricht bis ins Detail der Büchse, wie sie auch das Ansbach-Bayreuthsche Jägerbataillon im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg geführt, und von Dieter Lehner, A. Wirtgen (S. 102-106) und H. Müller (S. 100 f.) beschrieben wurde.

In den Rechnungen für die Uniformierung und Ausrüstung der nach Amerika bestimmten Hessen-Hanauischen Truppen tauchen zwei Hanauer Büchsenmacher auf; Andreas Albrecht (1750 erwähnt) und Andreas Schwalbach. Sie waren hauptsächlich mit Reparaturen an den Gewehren der hanausichen Truppen beschäftigt, lieferten aber auch am Anfang des Jahres 1777 zusammen (wohl in Kooperation) noch 100 neue Büchsen für das hanauische Jägerkorps. Da die beiden Hanauer Büchsenmacher mit ihrer Produktion nicht den Bedarf der Hanauer Jäger decken konnten, mussten im selben Jahr noch 300 Büchsen von Pistor in Schmalkalden gekauft wurden.

Die vorliegende Büchse ist eindeutig Hessen-Hanau zuzuordnen, denn sie zeigt auf dem Daumenblech das Monogramm WL (= Wilhelm Landgraf) unter Landgrafenkrone und auf dem Schlossblech als Hersteller den oben schon erwähnten A. Schwalbach ,welcher laut Stöckel von ca. 1730 bis 1780 in Hanau als Büchsenmacher tätig war.

Die bis auf die Signatur auf dem Daumenblech mit der Ansbach-Bayreuthschen Büchse identische Waffe weißt folgende Daten auf: Gesamtlänge 1110 mm, Lauflänge 725 mm, Gewicht 3,566 g, Kaliber 16,2 mm, Vollschaft mit Backe auf der linken Kolbenseite, Kolbenfach mit Holzschieber auf der rechten Kolbenseite, Messingbeschläge, drei Ladestockröhrchen, eiserner Ladestock mit Messingknopf, Messingkorn, Standvisier mit einer Klappe (für 150 und 300 Schritt), Achtkantlauf mit sieben Zügen, Steinschloss mit Schwanenhalshahn, eckiger Eisenpfanne ohne Verbindungssteg zum Batteriedeckel, und Abzugsbügel mit Fingerauflage. Der obere Riemenbügel sitzt kurz hinter dem Nasenband, während der untere hinter dem Abzugsbügel angebracht ist.

Die Jäger in Amerika - Der erste Transport 117 Jäger und 100 Rekruten verließ Hanau am 7. März 1777; der aus drei Kompanien bestehende Rest wurde Anfang April auf Main und Rhein eingeschifft. Das Hanauer Jäger Corps stand unter dem Kommando von Oberst Creutzburg.

Um die in den Subsidienverträgen und den Zusatzvereinbarungen festgelegten Bestimmungen zu erfüllen, wonach die durch Krankheit, Verwundung, Desertion und Tod entstandenen Lücken wieder gefüllt werden mussten, wurden verstärkt Fremde angeworben. So waren fast ein drittel der letzten drei Hanauer Jägerkompanien, welche im April in Nimwegen ankamen Württemberger. Auch bemühte sich die englische Regierung, über die Ersatzlieferungen hinaus weitere Truppen anzumieten. Hierauf wurde 1781 noch ein sogenanntes Freikorps von 830 Mann unter Major Janecke gebildet. Es hatte 5 Kompanien und bestand wie das Jägerkorps überwiegend aus Ausländern. Das war die letzte hessen-hanauische Truppe die den weiten Weg über das Weltmeer antrat. Insgesamt sind 2422 Mann auf Grund der Subsidienverträge nach Amerika gegangen, eine beachtliche Zahl für das kleine Land, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Nachschübe hauptsächlich durch gewobene Ausländer ergänzt wurden. Nur der Kern, das Infanterie-Bataillon und die Artillerie bestanden durchweg aus Landeskindern.

Die Kampfesweise der Rebellen war anders als man es seither kannte. Deshalb mussten die deutschen Offiziere kaum angekommen alles Silber von ihren Uniformen abtrennen lassen, wie es die britischen bereits getan. Man wollte sich dadurch den gefürchteten Riflemen, die besonders die Offiziere auf Korn nahmen, unkenntlicher machen. Über die Riflemen schrieb ein hessischer Offizier in seinem Tagebuch unter anderem: „Die Rebellen haben einige sehr gute Schützen, doch manche darunter haben sehr schlechte Gewehre. Aber sie sind listig wie die Jäger. Sie erklimmen Bäume, kriechen auf dem Bauch wohl 150 Schritt vorwärts, schießen und gehen ebenso schnell wieder zurück. Sie machen sich Deckungen von Ästen usw. aber heute hatten sie große Verluste durch unsere „Grünröcke“, denn wir lassen unsere Leute nicht eher schießen, als bis sie einen Mann gut aufs Korn nehmen können, so dass sie nicht mehr wagen, irgend etwas gegen uns zu unternehmen.“

Die Hanauer in Amerika fochten nicht an der Seite ihrer althessischen (Hessen-Kassel) Leidensgefährten. Während diese in den Neuenglandstaaten gegen die amerikanischen „Rebellen“ kämpften, gehörten die Hanauer mit den ebenfalls in englischen Diensten stehenden Braunschweigern zu dem Korps des Generals Bourgoyne, der von Kanada aus den Versuch machte, sich mit dem von Südosten aus operienden General Howe zu vereinigen, um einen Keil zwischen die aufständischen Kolonisten zu treiben. Dieser Versuch, dessen Gelingen dem ganzen amerikanischen Feldzug wohl eine andere Wendung gegeben hätte, misslang durch die Schuld des unfähigen Bourgoyne. So wurde zwar anfangs das Forts Ticonderoga eingenommen und die Amerikaner am 19. September bei Stillwater geschlagen,

doch schon bei Brennington wurden sie überrumpelt und von einem Heer von 22350 Mann unter General Gates umzingelt. Ein Vorstoß des englischen Obersten St. Leger, der sich mit einem kleinen Korps, worunter sich auch die erste hanauische Jägerkompanie unter Leutnant Hildebrand befand, von Ontario aus mit Bourgoyne vereinigen sollte, war gescheitert und musste aufgegeben werden. So musste dann am 16. Oktober 1777 Bourgoyne mit seinem kleinen Korps bei Saratoga die Waffen strecken. Unter den 5803 Gefangenen befanden sich allein 3431 deutsche Soldaten. Außerdem erbeuteten die Amerikaner 30 Kanonen und Haubitzen, 7000 Feuergewehre, die Zelte und alle übrigen Ausrüstungen und Vorräte.

Die Nachricht von der Katastrophe von Saratoga kam im Dezember 1777 in Hanau an und traf den Erbprinzen, der den Verlust seines ganzen Feldregiments beklagen musste, sehr hart. Ein schwacher Trost für ihn war es, dass wenigstens die Jäger, die auch an Bourgoynes Expedition teilnehmen sollten, zu spät nach Quebec gekommen waren und so zum Glück nicht in die Kämpfe bei Saratoga verwickelt wurden. Eine Teilnahme an größeren Waffentaten war ihnen und den später in Kanada eintreffenden Hanauern nicht vergönnt. Sie wurden unter Oberst v. Creutzburg zu Streifzügen und Spähtrupps in der Wildnis zur Sicherung der kanadischen Kolonie eingesetzt.

Ein späterer hessischer Offizier, schreibt über das hanauische Jägercorps in Kanada:

„Hatten auch die hanau’schen Jäger nicht viel von eigentlichen Waffenthaten zu sagen, so hatten sie doch ein frisches und waidmännisches Leben in der großartigen Natur von Canada mitgelebt. An dem majestätischen St. Lorenzstrome, an den großen Seen, bis zum Riesen-Stromsturze des Niagara hinauf, in den unermesslichen Waldungen, wetteiferten sie mit den Indianern in der Fahrt im leichten Boote oder in spähenden Streifzügen auf Feinde oder Wild. Eine reiche Tierwelt von Wölfen, Elenthieren und Bären und die Gewässer mit ihrer reichen Bevölkerung von Fischen, luden sie zur Jagd ein. Unter dem Feuerglanze des Nordlichts, über die weiten Schnee- und Eisflächen, ihre Füße mit Schneeschuhen versehen, wurden sie selbst in den langen Wintern durch den Dienst zu ernsten Streifzügen gerufen, und wenn sie in den Indianerdörfern von leichten Hütten aus Baumrinde des Wilden Weise und fürchterliche Kriegstänze gesehen, so nahm sie nachher wieder die freundliche Einsamkeit der weit zerstreuten Höfe auf, in denen die meist französischen Insassen durch das ganze weite Thal des Lorenzstromes als Landleute, Fischer und Jäger lebten.“

Da die Hanauer Jäger anders wie die Infanterie und Artillerie nicht in Gefangenschaft gerieten, haben sie neben ihrer Ausrüstung wohl auch die Büchsen wieder mit in die Heimat verbracht.

Rückkehr in die Heimat - Die Rückkehr der Hanauer erfolgte nach dem Friedensschluss erst im Herbst 1783. Nachdem am 22. September die ersten drei Kompanien des Freikorps in Hanau eingetroffen, waren, welche sofort aufgelöst wurden, folgte am 2. November die Infanterie. Wilhelm eilte seinen Soldaten bis Nauheim entgegen und führte das von dem Obersten Lenz kommandierte Bataillon selbst nach Hanau. Am nächsten Tag folgte Creutzburg mit seinen Jägern. Sie wurden zwar von dem Erbprinzen mit besonderem Wohlwollen empfangen, aber auch bis auf einen kleinen Stamm von 30 Mann entlassen. Dagegen wurde das aus Amerika gekommene Infanteriebataillon mit dem 1777 neu errichteten zu einem Regiment von 2 Bataillonen formiert.

Die Verluste der Hanauer in dem ganzen Feldzug waren verhältnismäßig gering. Bis zur Kapitulation von Saratoga hatte das Infanterieregiment nur 108 Mann verloren, wovon 19 tot, 37 verwundet und 52 gefangen waren. Von den 2422 ausgerückten Soldaten kehrten 1783 nur noch 1441 Mann in die Heimat zurück, doch war der Abgang zum größten Teil freiwillig, da viele an das Leben in der neuen Welt gewöhnt, es vorzogen sich in Amerika anzusiedeln.

England zahlte an Hessen-Hanau für die Soldaten 268.035 Pfund Sterling, 9 Shilling, 9 ¼ Pence und an den Erbprinzen 173.174 Pfund, 9 Shiling und 7 ¾ Pence, insgesamt etwa 3,8 Millionen Taler in der damaligen Währung.

Die Angehörigen der Feldzugsteilnehmer wurden durch einen Erlass des Erbprinzen von 23. September 1776 von allen Kontributionen, Steuern und Abgaben für die Dauer des Feldzuges befreit. Den Ausfall für die Landeskasse übernahm die fürstliche Kammerkasse.

Friedrich


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