Ein kursächsischer schwarzer Puffer


Geschichte


Text: Udo Lander

Ein kursächsischer schwarzer Puffer - Anfänge militärischer Ordonnanz-Feuerwaffen im 16. Jahrhundert

Vor der Errichtung stehender Heere war es im allgemeinen erforderlich , zu Beginn eines Feldzuges Söldner-Kontingente anzuwerben. In allen europäischen Armeen verlieh dazu der jeweilige Landesherr einem Obristen als Kriegsunternehmer ein entsprechendes Patent nebst einem Artikelbrief, welcher die Pflichten der angeworbenen Landsknechte und die Strafen für Vergehen enthielt . Seine Waffen hatte jeder angeworbene Söldner zur Truppe mitzubringen und sie bestanden je nach den finanziellen Möglichkeiten des Mannes entweder aus einer vollen Rüstung oder nur aus einem Brust- und Rückenharnisch mit Eisenhaube. Als Handwaffen war der lange Spieß gefordert, ersatzweise eine Helmbarte oder eine Muskete und eine kurze Blankwaffe. Auch kamen die langen, zweihändig zu führenden Schlachtschwerter oder Bidenhänder als einzige Handwaffe vor. Von der Güte und Art ihrer Waffenausrüstung, aber auch von der Fähigkeit der Landsknechte, ihre Waffen zu gebrauchen, hing letztendlich die Besoldung der Landsknechte ab. Einzig Pulver, Blei und Lunte sowie der für die Funkenzündung der Radschlosswaffen unabdingbare Pyrit wurde vom Kriegsunternehmer zur Verfügung gestellt.

Neben diesen angeworbenen und allein schon aus finanziellen Gründen zeitlich nur befristet präsenten Truppen unterhielten viele Landesherren, so auch der Kurfürst von Sachsen kleine Truppenteile meist in der Stärke weniger Kompanien am Hof, die sogenannten Leibgarden oder Trabanten. Im Gegensatz zu den Söldnertruppen und wohl hauptsächlich aus Gründen der Repräsentanz erhielten diese Hoftruppen einheitliche, also uniforme Kleidung, Schutz- und Handwaffen vom Kurfürsten gestellt und sie hatten ihrem Dienstherrn jederzeit zur Verfügung zu stehen.

Die sächsische Leibgarde zu Pferd

Diese fürstliche Leibwache, die auch in Kursachsen schon vor der Errichtung stehender Heere bestanden hat, unterteilte sich in Fußtruppen und Truppen zu Pferd, wobei die bewaffneten Fußtruppen zur Bewachung der fürstlichen Residenzen dienten. Die berittenen Leibgarden hingegen hatten den Kurfürsten auf Kriegszügen, auf Reisen von Residenz zu Residenz, zu Auslandsaufenthalten an andere Höfe oder bei Einberufungen an den Reichstag zu Regensburg zu begleiten.

Bei solchen Unternehmungen stand natürlich die lückenlose Bewachung der leiblichen Unversehrtheit des Kurfürsten an erster Stelle, an zweiter Stelle stand aber die durch prächtige Bekleidung, Ausrüstung und Bewaffnung deutlich zur Schau getragene Repräsentanz kurfürstlicher Macht und Würde.

Wann diese Leibgarde zu Pferd am sächsischen Hof errichtet wurde, ist leider nicht zu ermitteln, als sicher kann man jedoch annehmen, daß diese Truppe, die auch als „Hoffahne“ bezeichnet wurde, schon zur Regierungszeit von Kurfürst Moritz (1541-1553) bestanden hat und damals wohl aus dem Hofgesinde rekrutiert worden war . Unter seinem Nachfolger Kurfürst August (1553-1586) soll diese Garde immerhin 500 Mann stark gewesen sein, eine Stärke, die unter den nachfolgenden Kurfürsten Christian I. (1586-1591) und Christian II. (1591/1601-1611) zumindest beibehalten, wenn nicht gar vergrößert worden sein dürfte.

Kurfürst Christian I., der im Urteil seiner Zeitgenossen als schwächlich und unbegabt, dafür aber um so genusssüchtiger galt, war um eine möglichst große Prachtentfaltung an seinem Hof bemüht. Politische Erfolge waren ihm dabei weniger wichtig, die notwendigen, politische Entscheidungen überließ er lieber einem bürgerlichen Kanzler.

Seinem frühen Tod, er starb 1591 mit 31 Jahren an den Folgen übermäßigen Alkoholgenusses, folgte wegen der Minderjährigkeit des Thronfolgers eine Zeit des Interregnums: Herzog Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar-Altenburg führte von 1591 bis zur Volljährigkeit des Thronfolgers 1601 die Regierungsgeschäfte.

Der Amtsnachfolger Christian II. war mit acht Jahren im Jahre 1591 Erbprinz von Sachsen und Kurprinz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation geworden. Im Jahre 1601 übernahm er die Regierung in Sachsen und wie sein Vater auch das Erzmarschallamt des Reiches. Er führte die väterliche Prunk- und Genusssucht sowie den Anspruch nach absoluter Macht bedenkenlos weiter, insbesondere seine Vorliebe für den Alkohol jedoch blieb auch bei ihm nicht ohne Folgen für seine Gesundheit: Er starb im Sommer 1611 mit 28 Jahren!

Der Hang zu verschwenderischem, pompösem Ambiente und prächtigster Darstellung absoluter Fürstenmacht war wohl auch der Hintergrund zur entsprechend prunkvollen Ausstattung und gleichförmigen Ausrüstung der sächsischen Leibgarde zu Pferd zur Zeit der sächsischen Kurfürsten Christian I. und Christian II. und damit neben anderen Requisiten auch zur Fertigung von ganz charakteristischen Radschlosspistolen für diese Truppe.

Radschlosspuffer von Michael Müller in Dresden, 1597

Gesamtlänge: 580mm

Lauflänge: 375mm

Kaliber des glatten Laufs:12,3mm

Äußerer Laufdurchmesser an der Mündung:18,2mm

Äußerer Laufdurchmesser am Pulversack: 22,7mm

Schlossblechlänge: 180mm

Raddeckeldurchmesser: 45,0mm

Raddurchmesser: 30,2mm

Durchmesser der Kolbenkugel: 64,2mm

Fast schwarz gebeizter Nussbaum-Noppenschaft mit angesetztem Kugelknauf, um die Löcher der Laufstifte beinerne, ovale Plaketten bündig eingelegt. Vorderschaftkappe, Schiene an der Unterseite des Vorderschafts, Ladestockführung und Umgebung des Schwanzschraubenblattes aus graviertem Bein. An der linken Schaftseite an der hinteren Schlossschraube intarsiertes Dekor in Form einer Schnecke und an der vorderen Schlossschraube ein doppelköpfiges Ungeheuer. Gravierte Silberbandage am Übergang von Schaft zu Kugelknauf. Am Knaufabschluss ein silbernes, mit drei Silbernägeln befestigtes Medaillon mit dem sächsischen Rautenwappen. Mehrfach unterteilter Lauf, von achtkantig auf rund übergehend mit gestauchter Mündung. Der Mittelbereich des Laufs mit den typischen Dresdener Spitzen. Der hintere, kantige Laufteil mit sparsamen Floralgravuren und zwei Perllinien quer zur Laufachse. Am Pulversack links und rechts signiert mit „MM“ als Büchsenmachermarke (Michael Müller, Dresden) und Jahreszahl „1597“ längs auf dem Achtkantteil des Laufs. Schloss mit außenliegendem Rad, gewölbtem, vergoldetem und floral graviertem Raddeckel und bündig im Schaft eingelassenem Schloßblech. Pfanne mit federbelastetem Schiebedeckel und seitlichem Drücker in Löwenkopfform, dieser vergoldet. Federbeaufschlagte Wirbelsicherung. Der Hahn mit Sporn unten balusterförmig, oben flach ausgeschmiedet und gewinkelt. Eiserner, breit ausgeschmiedeter Abzugsbügel. Holzladestock mit graviertem Beindopper und Eisenhülse am Ende, diese mit einem Innengewinde zum Aufschrauben eines Krätzers.

Dieser Radschlosspuffer, der ausweislich seiner Herstellersignatur „MM“ auf dem Pulversack und der Datierung „1597“ auf dem Lauf mit großer Wahrscheinlichkeit von dem Büchsenmacher Michael Müller gefertigt wurde, welcher für die Jahre von 1589 bis 1598 in Dresden nachgewiesen werden kann, ist eines der ganz wenigen Stücke, die von diesem Meister noch vorhanden sind. So sind in den vergangenen 172 Jahren die nicht eben zahlreichen Waffen aus der Werkstatt von Michael Müller, kurze Büchsen, Gewehre und Pistolen aus dem heutigen Dresdener Bestand bis auf zwei Radschlossmusketen der Trabantengarde Kurfürst Christians I. von 1589 verschwunden . Grund dafür ist, daß sehr viele Radschlosswaffen dieses Typs in den Jahren von 1832 bis 1970 zuerst durch den sächsischen Staat, dann durch die DDR-Regierung (Schalck-Golodkowski), jeweils zur Devisenbeschaffung an den Handel verkauft worden sind.

Die vergoldeten Applikationen, insbesondere der ins Auge stechende, vergoldete Raddeckel heben den vorliegenden Puffer aus der großen Zahl noch erhaltener, einfacherer Pistolen heraus, wenngleich dieses Detail keineswegs unikat ist. Es taucht an sächsischen Radschlosspistolen zum erstenmal an einem Stück auf, welches der Dresdener Büchsenmacher Marx Wiedemann 1569 , also zur Zeit der Regierung von Kurfürst August von Sachsen gefertigt hat.

Der genoppte Schaft

Das Hauptcharakteristikum vieler dieser Radschlosspuffer ist ihr mit sparsamen Beineinlagen versehener Noppenschaft, der, so ist zu vermuten, eine Art Hirschhornstruktur imitieren und gleichzeitig die Griffigkeit des Schaftes erhöhen sollte. Der Arbeitsvorgang zum Erreichen dieser Oberflächenstruktur sah folgendermaßen aus:

Zuerst fertigte man das Schaftholz mit einem gewissen Übermaß, dann schlug man mittels eines speziellen Werkzeuges, dessen Eindringtiefe begrenzt war, unzählige, gleichmäßig tiefe Löcher in den Schaft, deren Anbringung und Anzahl mit den späteren Noppen übereinstimmte. Danach wurde der Schaft um das Maß abgeschliffen, mit dem die späteren Noppen über dessen Niveau überstehen sollten. Schließlich wässerte man das Holz und nach und nach dehnte sich das in den unzähligen Löchern verdichtete Holz wieder in seine natürliche Lage zurück, welches sich nun, da nicht abgeschliffen, über das beschliffene Schaftniveau erhob: Der Schaft war jetzt übersäht mit deutlichen, feinen Noppen!

Eine weitere Besonderheit am Schaft der hier vorgestellten Pistole ist eine etwa 20mm breite und an der Unterseite des Vorderschafts angebrachte Beinschiene, die vom Schloss bis zum Eingang des Ladestockkanals reicht. Auf den ersten Blick erscheint ihr Zweck, wenn man von der Dekorationswirkung absieht, recht unklar. Bedenkt man aber, daß die berittenen Offiziere der Trabantenleibgarde neben einem Kürass sicherlich auch eiserne Armzeuge getragen haben und unterstellt man, daß die Pistolen zur besseren Zielerfassung zu Pferd möglicherweise auf den Armen aufgelegt wurden, wird die Funktion dieser Beinschiene zumindest theoretisch klar: Wahrscheinlich sollte sie den Vorderschaft vor Beschädigungen durch das Eisen schützen.

Kurfürstliche Aufträge an die Dresdener Büchsenmacher

Aus der Regierungszeit von Kurfürst Christian I., der Zeit der Regentschaft von Herzog Friedrich Wilhelm I. zu Sachsen-Weimar-Altenburg und der Zeit Christians II. von dessen Regierungsantritt 1601 bis 1611 sind heute noch zahlreiche, in etwa gleichartige sächsische Puffer in öffentlichen und privaten Sammlungen bekannt. Sie wurden von unterschiedlichen Dresdener Büchsenmachern gefertigt, darunter so berühmte Namen wie Steffan Schickradt, Bartel und David Wechter, Abraham, Christoph und Balthasar Dressler oder Zacharias Herold.

Das gemeinsame Charakteristikum dieser etwa bis 1603 gefertigten Pistolen ist immer der schwarze, genoppte Schaft mit einer großen Kolbenkugel und sehr oft das mit langen Spitzen dekorierte Mittelfeld der Läufe, wenngleich die Detailausführungen, insbesondere die Beineinlagen im Bereich der Laufstifte, Schlossschrauben und beiderseits des Schwanzschraubenblattes sowie die Ausführung der Radschlösser von Pistole zu Pistole durchaus unterschiedlich sein können. Diese unübersehbare Gleichartigkeit und Übereinstimmung in vielen Details lässt darauf schließen, daß es in der Zeit von 1586 bis etwa 1603 zumindest einen, wahrscheinlich aber mehrere kurfürstliche Großaufträge an Dresdener und im Umland ansässige Büchsenmacher zur Fertigung einheitlicher Feuerwaffen für die berittenen Garden gegeben hat.

Ab 1603 , also kurz nach dem Regierungsantritt von Christian II., setzte sich schließlich eine völlig andere, fast gerade Schaftform mit Birnknauf und feinen Beinstegen an den Schaftkanten durch, deren beinahe standardisiert zu nennende Fertigung in stattlicher Zahl vermutlich auf Vorstellungen und Vorlieben des neuen Kurfürsten zurückzuführen sind. Ab dieser Zeit sind Puffer im alten Stil nicht mehr nachzuweisen!

Anfänge der Ordonnanzbewaffnung

Die generelle Einheitsform der sächsischen Radschlosspuffer mit schwarzem, etwas verbeintem Noppenschaft und großer Kolbenkugel setzte einen entsprechenden und vor allem allgemeingültigen Entwurf voraus, dem die beauftragten Büchsenmacher so weit wie technisch und praktisch möglich zu folgen hatten.

Diese Verfahrensweise führte nach dem Aufkommen stehender Heere und dem daraus resultierenden Zwang zur Einheitlichkeit in Ausbildung und Taktik rund 130 Jahre später in den französischen Gewehrfabriken zur arbeitsteiligen Produktion nach strengen, königlichen Vorgaben. Diese, von einem straffen und ausgeklügelten Qualitäts-Kontrollsystem begleitete Arbeitsweise gewährleistete die Homogenität in Bezug auf Ausführung, Güte und Kaliber der von nun an beim Militär verwendeten „Ordonnanz“-Waffen.

Unter diesem Aspekt muss man die sächsischen Radschlosspuffer der berittenen Leibgarde vom Ende des 16. bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts als die Vorläufer der militärischen Ordonnanzbewaffnung des 18. Jahrhunderts sehen. Sicherlich gab es bei der kurfürstlichen Leibgarde zu Pferd keinen Zwang zur Vereinheitlichung der Feuerwaffenausrüstung in Bezug auf Ausbildung und Taktik, dieses für den Begriff „Ordonnanzwaffe“ wichtige Kriterium wurde durch den fürstlichen Willen ersetzt. Die weiteren Kriterien, „gleichförmiges Muster“ und „landesherrliche Approbation“ sind ganz offensichtlich erfüllt worden.

Unterschiedliche Wappendarstellungen - warum?

Eine nähere Betrachtung der Wappendarstellungen an den Kolbenmedaillons, seien sie aus Bein oder aus Silber gefertigt, zeigt, daß wenn solche Darstellungen vorhanden sind, diese abhängig vom Material unterschiedlich ausgeführt wurden. Die vorliegende Pistole zum Beispiel zeigt an ihrer silbernen Kolbenplatte nur das sächsische Herzogswappen, den Rautenschild. Auch ein weiterer, noch deutlich dekorativer ausgeführter Puffer aus der Werkstatt von Zacharias Herold/Dresden um 1596 trägt auf seinem ebenfalls silbernen Kolbenmedaillon, welches zusätzlich mit einem Strahlenkranz umgeben ist, auch nur den sächsischen Rautenschild .

Andere, nahezu typgleiche, jedoch weit einfacher ausgeführte Pistolen, bei denen das Kolbenmedaillon aus Bein hergestellt wurde, zeigen hier jedoch einen senkrecht zweigeteilten Schild, links das sächsische Herzogswappen, rechts die gekreuzten Schwerter als Zeichen für das den sächsischen Kürfürsten verliehene Erzmarschallamt und damit das Signum der Kurwürde .

Überlegungen, wonach die Pistolen mit dem einfachen Wappen ohne die Kurschwerter während der Zeit der Regentschaft, also zwischen 1591 und 1601 gefertigt wurden, als ein stellvertretender sächsischer Herzog und nicht ein veritabler Kurfürst das Land regierte, der Thron sozusagen vakant war, sind durchaus stichhaltig.

Beide angeführten Pistolen mit dem einfachen Wappen sind tatsächlich während der Zeit der Regentschaft gefertigt worden. Daß dies ausgerechnet Pistolen sind, die etwas aufwendiger mit Silber- und Goldapplikationen gestaltet wurden, ist sicherlich Zufall; gewiss existieren auch gewöhnliche Mannschaftspistolen aus dieser Zeit mit einfachem Wappenschild. Auch die Existenz einer Mannschaftspistole mit der Laufdatierung 1594, die das zweigeteilte Wappen als Beinmedaillon auf der Kolbenkugel zeigt, widerlegt die These nicht. Möglicherweise entstand der Lauf noch während der Regentschaftszeit, die Schäftung hingegen wurde aus welchen Gründen auch immer aber erst ab 1601 unter Christian II. ausgeführt.

Ein zufriedenstellenderer Lösungsansatz zu dieser Frage findet sich trotz vielfachen Bemühens bis heute leider nirgendwo!

Verwendung und Anschaffungskosten

Die recht aufwendige Ausführung der hier vorgestellten Pistole mit vergoldetem Raddeckel, vergoldetem Pfannendrücker in Form eines Löwenkopfes und Silbermedaillon an der Kolbenkugel nebst der gravierten Silbermanschette am Übergang von Schaft zu Kolbenkugel deutet darauf hin, daß es sich hier um die Waffe für einen höheren Dienstgrad innerhalb der Leibgarde zu Pferd handelt, also um eine Pistole für einen Offizier. Die vergleichbaren, im Allgemeinen weit einfacher gehaltenen Mannschaftswaffen zeigen solche Details nicht, bzw. die an der vorliegenden Pistole in Silber gefertigten Teile sind dort allgemein aus Bein gearbeitet.

Der damalige Kaufpreis der hier vorgestellten Offizierswaffe dürfte etwa 18 Reichstaler betragen haben , was im Vergleich zu den einfachen Mannschaftswaffen viel Geld war: Diese kosteten als Paar im Durchschnitt 15 bis 20 Reichstaler . Das hört sich nach heutigen Vorstellungen recht wenig an, wenn man jedoch bedenkt, daß 1667, also gerade mal 70 Jahre später ein Regensburger Zimmerermeister 20 Kreuzer am Tag, ein Taglöhner 12 Kreuzer erhielt, und wenn man dann noch weiß, daß ein Taler zu 100 Kreuzern gerechnet wurde, kann man den wahren Wert solcher Pistolen ermessen. Ein Pfund Rindfleisch kostete im übrigen damals 4 Kreuzer, ein Abendessen mit Bier 2 Kreuzer und ein Weißbier 6 Pfennige (= 1½ Kreuzer) . Daraus ergibt sich, daß man für einen Taler 50 und für den Preis eines

Radschlosspuffers in Offizierausführung 900 Abendessen mit Bier kaufen konnte.

Wenn man diese Preise auf die aktuellen Verhältnisse hochrechnet und wenn man von einem heutigen Abendessen mit Getränk von durchschnittlich 20.-€ ausgeht, dann ergibt sich für 900 Abendessen mit Getränk ein Wert von 18.000.-€, was bei paarweiser Ausstattung mit solchen Pistolen immerhin 36.000.-€ bedeutet. Damit erhalten diese Radschlosswaffen plötzlich einen ganz anderen Stellenwert!

Beim Adel oder der Ritterschaft galt auch am Ende des 16. Jahrhunderts immer noch die uralte Tradition, mit auf eigene Kosten beschaffter Bewaffnung und Ausrüstung dem Landesherrn im Falle eines Krieges zur Seite zu stehen. Dies galt natürlich auch für die Kommandierenden der Trabantenleibgarde. Der adlige Offiziersstand war aus den Rittern des 13. und 14.Jahrhunderts hervorgegangen, welche die schwere Reiterei gebildet hatten. Die daraus entstandene Truppe der Kürassiere, ebenfalls noch aus Adligen bestehend und gleichermaßen schwer gerüstet wie die Ritter, führten jedoch nun statt der Lanze das Schwert und zwei Radschlosspistolen, welche zu beiden Seiten des Sattels in Holstern versorgt waren.

Es versteht sich von selbst, daß normalerweise die Beschaffung dieser Waffen auf Kosten des Trägers eine Angelegenheit des freien Handels und keinerlei Reglement unterworfen war. Die einzigen Zwänge, denen sich die Käufer der oft sehr hochwertigen Waffen in den allermeisten Fällen freiwillig unterwarfen, dürften gesellschaftlicher Natur gewesen sein - je aufwendiger die Waffen und die diversen Ausrüstungsstücke verarbeitet und dekoriert waren, desto höheres Ansehen genoss man innerhalb der eigenen Standeskreise. Ein Paar schön dekorierte Radschlosspistolen, denen man ihren Kaufpreis schon von weitem ansah, dokumentierten somit den Wohlstand ihres Besitzers.

Das galt natürlich auch für die Pistolen der Offiziere der kurfürstlichen Trabantenleibgarde. Allerdings hatten diese in ihrem äußeren Habitus den kurfürstlichen Vorstellungen hinsichtlich einer gleichförmigen Ausrüstung der Trabantenleibgarde weitestgehend zu entsprechen, ohne daß dabei jedoch auf offiziersmäßige Eigenmächtigkeiten in Form gebläuter Läufe und Schlossbleche, vergoldeter Raddeckel und anderer Beschlagteile, feinerer Gravur der sparsamen Verbeinung und sogar Ersatz verschiedener Beineinlagen durch solche aus schön graviertem Silber verzichtet werden musste.


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