Mit Scharnier - die bayerische Kürassierpistole M 1816


Geschichte


Text: Udo Lander

Jeder Sammler historischer Militärpistolen der Vorderladerära kennt das: Vieles besitzt man selbst, noch viel mehr hat man gesehen, aber manche Stücke kennt man nur vom Hörensagen oder aus der Literatur. Diese aus heutiger Sicht äußerst raren Exemplare verdanken in aller Regel ihre Existenz dem Umstand, dass in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts bei allen Armeen das großen Umbauen der vorhandenen Waffenbestände auf das damals moderne Perkussionssystem einsetzte. Nur verschwindend wenige Stücke entkamen diesem rigorosen Prozess, sei es, weil sie nicht mehr zum Umbau taugten, sei es, weil sie vorher in irgendwelchen dunklen Kanälen verschwunden oder im offiziellen Tausch an Fremdstaaten abgegeben worden waren.

In diese Reihe deutscher Militär-Faustfeuerwaffen gehören solche Steinschloss-Raritäten wie die preußische Kavalleriepistole M 1823, die badische Pistole M 1816 oder die württembergische Pistole M 1817, um nur einige zu nennen. Ganz sicher aber gehört auch die bayerische Pistole M 1816 dazu, die in der ursprünglichen Steinschlossversion heute zu den wirklich absoluten Raritäten gehört.

Die bayerischen Kürassiere erhalten neue Karabiner

Im Laufe des Jahres 1815 hat Bayern durch Umorganisation vorhandener Chevauxlegers-Verbände zwei Kürassier-Regimenter aufgestellt, von denen das 1. Regiment mit Order vom Juni 1815 als Feuerwaffenausrüstung 300 preußische Karabiner erhielt.

Allerdings erfreute sich dieses Utensil bei den bayerischen Kürassieren keiner allzu großen Beliebtheit, weil, wie man Ende des Jahres an das übergeordnete Brigade-Kommando meldete, der preußische Karabiner zur Handhabung zu Pferd nicht geeignet sei, weil die Ladestöcke leicht verloren gingen.

Da man beim Brigade-Kommando in dieser Sache nicht entscheidungsbefugt war, ging die Meldung auf dem Dienstweg an das Königliche Generalkommando in München, welches eine Stellungnahme an den König sandte. In dieser Stellungnahme schlug man eine Veränderung der vorhandenen Karabiner dahingehend vor, dass für die Ladestöcke an der jeweiligen Laufunterseite ein beweglicher Bügel angebracht werden sollte, wie dies bei den sächsischen Karabinern und Pistolen der Gardes du Corps der Fall war.

Die vom König als beratende Institution eingeschaltete Zeughaus-Hauptdirektion unterstützte diesen Vorschlag, worauf der König am 30. Januar 1816 anordnete, dass das 1. Kürassierregiment seine 300 preußischen Karabiner an das Zeughaus einzuliefern hatte, wo diese mit einem Scharnierbügel für den Ladestock nachzurüsten waren.

Entscheidung mit nicht bedachten Folgen

Nachdem die nun mit einem Scharnierbügel versehenen Karabiner wieder an das 1. Kürassier-Regiment ausgegeben waren, sah man sich jedoch schlagartig mit einem Problem konfrontiert, das bei der ganzen Angelegenheit überhaupt nicht berücksichtigt worden war:

Hatte man bisher zum Laden der Ordonnanzpistolen den Ladestock des Karabiners verwendet, war dieses Verfahren nun nicht mehr möglich, weil der Ladestock seit der Umänderung fest mit dem Karabiner verbunden war. Die entsprechende Meldung der Kürassiere mit diesem Sachverhalt kam prompt und man bat darin abschließend um Befehle, wie man zukünftig zu verfahren habe.

Eine denkbare Lösung war sicherlich das Verfahren, einen zusätzlichen Pistolenladestock in den Stiefelschaft zu stecken, wie man dies bisher mit dem separat mittels eines Riemens am Bandelier befestigten Karabinerladestock gemacht hatte. Doch darauf wollte sich der König nicht einlassen. Er ordnete diesbezüglich an, dass die von den Kürassieren zur Zeit geführten Pistolen auf dieselbe Art und Weise umzurüsten seien, wie man dies bereits bei den Karabinern vollzogen hatte.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang allerdings, welchen Pistolentyp die bayerischen Kürassiere zu jener Zeit führten. In Frage kommen eigentlich nur die österreichische Pistole M 1798 und die preußische Pistole M 1789. Da das 1. Kürassier-Regiment ja wie berichtet, einen preußischen Karabiner führte, ist alleine schon wegen der anzustrebenden Kalibergleichheit der Munition davon auszugehen, dass die bayerischen Kürassiere anfänglich die preußische Pistole M 1789 verwendeten. Doch Ende April 1816 verfügte der bayerische König, dass für die beiden Kürassierregimenter Pistolen M 1804 in der Weise umzuändern seien, dass diese wie die Karabiner einen Scharnierladestock erhielten.

Nachdem die Zeughaus-Hauptdirektion dem König entsprechend umgeänderte Muster vorgelegt hatte, genehmigte der König am 8. Juni 1816 die allgemeinen Änderungsarbeiten an den für die Kürassiere vorgesehenen Pistolen M 1804. Die Änderungsarbeiten bezogen sich auf die Anbringung einer Ladestockfeder im Vorderschaft, festgenietetauf dem Vorderteil des Abzugsbügels, das Anbringen eines größeren Laufrings mit zwei Bünden und weit nach hinten reichendem Trichter zur Aufnahme des Ladestocks sowie das Anbringung eines Scharniers an der Unterseite des Laufrings zur Aufnahme eines eisernen Ladestocks.

Suhl kommt ins Geschäft

Wie sich an den wenigen, heute noch erhaltenen Pistolen dieses Typs nachweisen lässt, stammen diese allesamt aus Suhler Fertigung. Zumindest das im Bayerischen Armeemuseum Ingolstadt vorhandene, gesiegelte Stück, das ebenfalls dort vorhandene, aus der ehemaligen Sammlung Ernst stammende Waffe und die hier vorgestellte Pistole zeigen eindeutig Suhler Marken auf den Läufen und keinerlei Herstellerangabe auf den Schlossplatten, wie dies bei den aus Fortschau oder Amberg gelieferten Waffen regelmäßig der Fall war.

Dies aber führt zu dem Schluss, dass es sich bei den aus Suhl gelieferten Waffen nicht um geänderte Pistolen M 1804 handelt, sondern um dort produzierte Neufertigungen. Andernfalls müssten die Suhler Pistolen irgendwelche Hinweise auf eine Amberger oder Fortschauer Fertigung zeigen, was aber bei keiner der bekannten Pistolen der Fall ist. Ob Suhl auch Pistolen 1804 für die Kürassiere umgeändert hat, ist eher unwahrscheinlich. Anzunehmen ist vielmehr, dass diese Umänderungsarbeiten ausschließlich von den Büchsenmachern in den bayerischen Zeughauswerkstätten erfolgte, wobei diese Arbeiten mit 54 Kreuzer pro Stück veranschlagt waren.

Unerwartete Entwicklung

Knapp neun Jahre nach Einführung der Scharnierpistole M 1816 bei den beiden Kürassier-Regimentern setzte eine Entwicklung ein, die in letzter Konsequenz dafür sorgte, dass die Scharnierpistole als Bewaffnung der Kürassiere wieder in der Versenkung verschwand.

Auslösendes Moment dafür war die Tatsache, dass die bayerische Garde du Corps – wie bereits erwähnt - seit 1806 mit der sächsischen Pistole M 1789 ausgerüstet war, die einen Scharnierladestock besaß und damit vorbildgebend war für die bayerischen Bemühungen um ähnliche Systeme.

Mit Entscheidung vom 30. November 1825 war das bisherige 1. bayerische Kürassier-Regiment aufgelöst worden. Zwei seiner Eskadrons vereinigten sich mit dem 2. Kürassier-Regiment, die anderen Eskadrons vereinigten sich mit der bisherigen Garde du Corps und bildeten von nun ab das 1. Kürassier-Regiment Prinz Karl. Das Regiment Garde du Corps war damit aufgelöst.

Das neue 1.Kürassier-Regiment Prinz Karls hatte nun aber als Überbleibsel aus der Zeit als Garde du Corps noch immer 632 Paar ehemals sächsische Pistolen M 1789 mit Scharnierladestock in Verwendung und nun bat man darum, diese messingmontierten Waffen gegen solche des neuen Musters 1816 umtauschen zu dürfen. Von diesem Muster befanden sich seit der Umorganisation bereits 382 Paar beim Regiment.

Da sich aber nach Bericht der Zeughaus-Hauptdirektion nur noch 318 ½ Paar derartiger Pistolen im Vorrat befanden und das Kriegsministerium bei Genehmigung des Umtauschbegehrens 2972 ½ Paar Pistolen M 1816 neu anschaffen hätte müssen, suchte man nach Lösungsmöglichkeiten für das Problem.

Als erstes wurde das Armee-Kommando angewiesen, bei den betreffenden Regimentern zu eruieren, ob die Bewaffnung mit Scharnierpistolen besondere Vorteile hätte, oder ob es nicht doch sinnvoller wäre, die Kürassier-Regimenter mit den in Amberg und Fortschau gefertigten Pistolen M 1804 auszurüsten, wie sie von der leichten Reiterei geführt wurden. Das Ergebnis dieser Nachfrage war überzeugend. Beide Kürassier-Regimenter beanstandeten übereinstimmend, dass sich der Ladestock der Pistolen oft im Scharnier sperre, dass seine Stoßfläche zu klein sei und daher das Aufsetzen der Patrone erschwere und dass letztlich diese Pistolen insgesamt sehr reparaturanfällig wären.

Dies genügte dem Kriegsministerium zu einer entsprechenden Entscheidung: Man befahl beiden Kürassier-Regimentern, alle Pistolen mit Scharnierladestock an die Zeughäuser zurückzuliefern. Ersatzweise erhielten die Kürassiere im Jahr 1827 Chevaulegers-Pistolen M 1804.

Das Kapitel mit den Scharnierpistolen M 1816 bei den bayerischen Kürassieren war damit beendet.

Eine neue Karriere

Da nach Rücklieferung der bei den Kürassieren vorhandenen Scharnierpistolen nun in den Zeughäusern 2.106 völlig unbrauchbare und 428 reparaturbedürftige Pistolen mit Scharnierladestock – 96 ehemals sächsische M 1789 und 332 bayerische M 1816 – lagerten, ordnete das Ministerium im November 1828 an, dass die als unbrauchbar bezeichneten 2.106 Pistolen zu zerstören waren, wobei die anfallenden Ersatzteile einer geeigneten Verwendung zuzuführen waren.

Nach dieser Rücklieferungs- und Ausmusterungsaktion lagerten in den bayerischen Zeughäusern immer noch insgesamt 2.489 Pistolen M 1816, die es nun nutzbringend zu verteilen galt. Diesbezüglich hatte der König im November 1828 befohlen, dass die Mannschaften der Mineur-Kompanie und der beiden Sappeur-Kompanien zusätzlich zu ihren leichten Gewehren auch noch jeweils eine Pistole M 1816 zur Verteidigung in den Minen erhalten sollten. Die dazu notwendigen 120 Pistolenholster wurden allerdings erst 1832 gesiegelt und im Mai 1833 an die Truppe ausgegeben.

Die nächste Gruppe, welche mit der Pistole M 1816 ausgerüstet wurde, waren die Pioniere der Infanterie. So erhielten 1841 je 12 Pioniere pro Bataillon eine solche Pistole, so dass einschließlich des Reserve-Bataillons und 36 Pistolen je Regiment insgesamt 432 Pistolen M 1816 ausgegeben wurden. Dazu kamen noch jeweils 12 Pioniere der 6 bayerischen Jäger-Bataillone, die insgesamt 72 Scharnierpistolen erhielten.

Das war aber noch nicht alles. Mit Verfügung vom Februar 1841 gab man den Offizieranwärtern, Veterinär-Praktikanten, ärztlichen Praktikanten, Aktuaren, Rechnungspraktikanten, Büchsenmachern, Profossen und deren Gehilfen, Trompetern, Sattlern und Schmieden der Kavallerie-Regimenter die Scharnierpistole M 1816. Somit gab es bei den Kürassier- und Chevaulegers-Regimentern inklusive der erforderlichen Reserven einen Gesamtbestand von jeweils 45 Pistolen M 1816.

Alles in allem waren somit etwa 750 dieser Pistolen bei der Truppe, doch auch deren Ende nahte mit Riesenschritten: Ab Februar 1843 zog man die bei der Truppe und in den Zeughäusern vorhandenen Pistolen M 1816 nach und nach ein - die Truppe erhielt im Austausch dafür perkussionierte Waffen - und gab die Scharnierpistolen zur geeigneten Verwendung an die Gewehrfabrik Amberg. Damit war das Schicksal der bayerischen Scharnierpistole M 1816 in der ursprünglichen Steinschlossversion besiegelt und ihre heutige Seltenheit hinreichend erklärt.

Das Ende

In einer Auflistung vom 4.Oktober 1852 ist der Bestand an perkussionierten Pistolen M 1816/43 UM mit insgesamt 3.183 Stück ausgewiesen. Davon lagen 1.560 Stück in der Gewehrfabrik Amberg und in den Zeughäusern und 1.623 Pistolen waren an die Truppe ausgegeben.

Nach den Formationsbestimmungen vom Mai 1868 hatte sich dann der an die Truppe ausgegebene Anteil an Pistolen M 1816/43UM auf 2.152 Stück erhöht und nachdem die bayerische Kavallerie mit Karabinern und Pistolen M/69 System Werder ausgerüstet war, legte das bayerische Kriegsministerium am 13.Juli 1872 den Sollstand an Scharnierpistolen auf 2.000 Stück fest, die überzähligen Pistolen wurden verkauft. Als schließlich der Reichsrevolver M/79 eingeführt wurde, ging der Rest dieser Pistolen letztendlich auch noch an den Handel.


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