Die Sächsische Kavalleriepistole M 1812/38UM


Geschichte


Text Udo Lander

Die meisten Sammler deutscher oder auch europäischer Militärpistolen der Vorderladerära kennen die sächsische Perkussionspistole mit dem unverkennbaren und in seiner ausladenden Größe charakteristischen Sicherungsflügel am Schloss, der dieses beinahe wie eine moderne Betonbrücke überspannt und damit das Zündhütchen vor ungewollten Hahnattacken schützt. Doch nur wenigen Interessierten dürfte der historische Background zu dieser formschönen Pistole bekannt sein, so dass es lohnenswert erscheint, diese Pistole und ihre Geschichte näher zu beleuchten.

Die Kavalleriepistole M 1812

Der früheste Hinweis auf eine neue sächsische Reiterpistole findet sich in einem Liefervertrag, den das sächsische Kriegsministerium mit Gottlieb Albrecht Goellner aus Suhl am 26. Dezember 1812 geschlossen hat. Hier taucht zum erstenmal die Pistole auf, die bis 1873 zur Standardbewaffnung der sächsischen berittenen Einheiten gehören sollte.

In diesem Vertrag geht es um eine besiegelte Probe, deren „....Schloss- und Hahnschrauben dergestalt nach einerley Größe und Muster“ gefertigt werden sollen, „dass sie bey jeder dieser Pistolen angewendet werden können....“ . Das Kaliber hatte mit 17,5mm dem französischen Kaliber zu entsprechen und als Preis für das Paar waren 5 Reichstaler und 10 Silbergroschen vertraglich vereinbart. Bis zum 31. Januar 1813 waren „600 Paar leichte halbgeschäftete Cavallerie Pistolen“ abzuliefern. Der Empfänger war vermutlich das Hauptzeughaus in Dresden.

Eine weitere Bestellung über 200 Paar dieser Pistolen erfolgte am 18. Juni 1813.

Als konstruktives Vorbild für die neue Pistole diente zum einen ganz offensichtlich die französische Kavalleriepistole M an 13, die, wie bekannt, ebenfalls nur einen Halbschaft besitzt, aber auch die bei den sächsischen Husaren seit 1796 eingeführte Husarenpistole M 1796, deren Schlossform und Beschlagteile für die neue Pistole übernommen wurden.

Wie die Husarenpistole M 1796 hatte die neue Pistole M 1812 auch keinen an der Waffe versorgten Ladestock; dieser wurde ab sofort auf der Patronentasche getragen. Darüber hinaus fiel bei der Neukonstruktion nun zum erstenmal der bisher für sächsische Faustfeuerwaffen so typische Riemenbügel an der Kolbenkappe weg.

Anlässlich der Neuformation der sächsischen Kavallerie während des Waffenstillstandes im Juni/Juli 1813 erhielten nun die Mannschaften des Ulanen- und des Husarenregiments die neuen Pistolen M 1812, allerdings behielten, wie die Geschichte des 18. Husarenregiments berichtet, die „Fouriere, der Profoss und die Trompeter.......da sie keine Patronentaschen führten und daher den Ladestock nicht unterbringen konnten, die Pistolen alter Facon mit an ihnen befindlichen Ladestöcken“. Bei diesen Pistolen handelte es sich um die sicherlich jedem Sammler bekannt Kavalleriepistole M 1789, die mit einem am Scharnier befestigten Gelenkladestock ausgerüstet war.

Letzte Lieferungen aus Suhl – Olbernhau übernimmt

Die Auslieferung der im Juni 1813 bei Goellner in Suhl bestellten 200 Paar Pistolen im September 1814 beendete die Lieferbeziehungen zwischen der sächsischen Armee und dem Waffenfabrikationszentrum in Suhl vorerst. Die Tatsache, dass Sachsen anlässlich der Völkerschlacht von Leipzig im Oktober 1813 auf der Seite des Verlierers gestanden hatte und die Ergebnisse des Wiener Kongresses brachten für das Königreich erhebliche Gebietsverluste, denen zufolge die leistungsfähige Suhler Waffenindustrie Preußen zugesprochen wurde. Damit war man in Dresden gezwungen, sich auf das bisher sehr vernachlässigte Waffenzentrum Olbernhau im Erzgebirge zu besinnen, dessen Meistern man nun mit zahlreichen Privilegien und Hilfen zu höherer Produktion verhelfen wollte.

Die erste Bestellung an Olbernhau von 58 Paar Pistolen M 1812 datiert vom 10. Dezember 1815, wobei der Preis pro Paar auf 6 Reichstaler festgesetzt worden war. Offensichtlich war die Lieferung zur Zufriedenheit des Kriegsministeriums ausgefallen, denn am 20. Mai 1816 erfolgte ein neuer Vertragsabschluss über die Lieferung von weiteren 716 „Ulanen- und Husarenpistolen“ M 1812. Pro Paar war jeweils ein Ladestock mitzuliefern.

Am 11. April 1818 erfolgte nochmals eine Bestellung über 463 ½ Paar Pistolen in Olbernhau, der im selben Jahr eine letzte Anforderung über 154 Paar folgte. Der Direktor der Olbernhauer Gewehrfabrik hatte aber diesesmal eine Preiserhöhung pro Paar 6 Reichstaler 20 Silbergroschen durchgesetzt

Damit waren bis 1820 insgesamt 1.833 ½ Paar Pistolen von Suhl und Olbernhau zur Verfügung gestellt worden. Da aber der Gesamtbestand bei der Armee sich am 1. März 1833 auf 2.298 Paar belief, ist anzunehmen, dass auch die restlichen 464 ½ Paare möglicherweise auch in Olbernhau gefertigt wurden. Allerdings dürfte aber auch Zella-St.Blasii an dieser Lieferung beteiligt gewesen sein, zumindest sind Realstücke mit entsprechender Stempelung bekannt.

Olbernhau disqualifiziert sich

Der kaum aufgegangene Stern von Olbernhau begann schon wieder zu sinken: Trotz wohlwollender Aufträge und großzügiger Privilegien waren die Olbernhauer Meister nicht gewillt, sich der neuen Zeit und vor allem neuen Produktionstechniken anzupassen. Den Herzberger Gewehrfabrikanten Crause, der von der sächsischen Regierung mit Auftragsgarantien zum Aufbau eines Zweigwerkes in Olbernhau ermutigt worden war, jagten die ortsansässigen Meister 1832 davon. Und als sich dann bei Beginn der Perkussionierung der alten sächsischen Infanteriegewehre herausstellte, dass nahezu ein Drittel kriegsunbrauchbar war, musste sich Dresden wohl oder übel nach neuen Lieferanten umsehen. Olbernhaus Waffenindustrie aber versank in der Bedeutungslosigkeit.

Die Perkussionszeit

Von 1827 bis 1833, also 6 Jahre hatten die Vorversuche mit der neuen Zündungsart bei zwei Dresdener Infanterie-Regimentern gedauert, die dazu jeweils 20 perkussionierte Gewehre erhalten hatten. Da diese Versuche erfolgreich verlaufen waren, begann man mit der Aptierung der sächsischen Jägerbüchsen noch im Jahr 1833 und ein Jahr später begannen die Umänderungsarbeiten an den alten, noch vorhandenen französischen Infanteriegewehren.

Auch bei der Reiterei befasste man sich relativ früh mit dem Gedanken an die Umrüstung der Kavallerie-Feuerwaffen auf das Perkussionssystem. Schon im Januar 1835 hatte das Generalkommando der Armee einen Auftrag erteilt, je drei Kavalleriepistolen M 1812 mit „Schlagschlossen“ herzustellen, die vom Garde-Reiterregiment erprobt werden sollten. Weitere Versuche folgten und im November 1835 meldete man schließlich den erfolgreichen Abschluss der Testreihe. Nachdem sich die Feldbrauchbarkeit erwiesen hatte, ging es nun darum, die zu erwartenden Kosten der Umänderungsarbeiten mit dem notwendigen Zubehör zu eruieren. Man stellte fest, dass für das Garde-Reiterregiment 1.503 Reichstaler und für ein leichtes Reiterregiment 1306 Reichstaler aufzubringen waren. Darin enthalten ein Zündhütchentäschchen mit Raumnadel und Kettchen, eine eiserne Gabel zum Abheben der verbrauchten Zündhütchen sowie ein Pistonschlüssel am Schraubenzieher.

Damit waren die Vorarbeiten zur allgemeinen Perkussionierung der Kavalleriefeuerwaffen erledigt und das Kriegsministerium ließ nun entsprechende Probestücke herstellen, die am 28. April 1838 besiegelt wurden.

Leider ist in der gesamten modernen und zeitgenössischen Literatur zu diesem Thema und auch in den entsprechenden Archivalien nirgendwo vermerkt, wer die sächsische Steinschlosspistole M 1812 und die anderen Kavallerie-Feuerwaffen ab 1838 auf das Perkussionssystem umgebaut hat.

Um die Jahreswende 1834/35 hatte zwar das Kriegsministerium einen Oberleutnant von Bosse in die deutschen Waffenzentren gesandt um nach möglichen Lieferanten für die sächsische Neubewaffnung zu suchen. Dieser hielt die Königlich Württembergische Fabrik in Oberndorf für das geeignetste Unternehmen, das auch bereit war, Lieferaufträge aus Sachsen anzunehmen. Das sächsische „Oberndorfer Gewehr M 18135“ ist so entstanden. Allerdings musste man wegen der damals noch bescheidenen Fertigungskapazitäten von Oberndorf noch einen zweiten Hersteller unter Vertrag nehmen, das war die Suhler Firme Spangenberg & Sauer.

Zu vermuten ist also, dass die Aptierungsarbeiten an den Kavalleriewaffen entweder in Oberndorf oder in Suhl durchgeführt wurden. Oberndorf kann aber wegen der starken Auslastung und nur geringer Kapazität nicht in Betracht kommen, die Werkstätten im Dresdener Hauptzeughaus dürften mit der zu bearbeitenden Menge in relativ kurzer Zeit und vor allem mit der Herstellung der Pistonsicherung in einer Gesenkschmiede ebenfalls überfordert gewesen sein, so dass als denkbare Alternative Suhl und damit die Firma Spangenberg & Sauer in Frage kommt. Tatsächlich sind aptierte Exemplare mit der Herstellersignatur „SP&SR“ auf dem Schlossblech bekannt.

Da aber gleichzeitig mit der Modellfestlegung eine „Instruction für die Cavallerie-Regimenter bei Abänderung der Carabiner und Pistolen zur Percussion“ erlassen wurde, die für die Büchsenmacher der betreffenden Regimenter genaueste Anweisungen für die Abänderungsarbeiten enthielt, muss davon ausgegangen werde,. dass ein Großteil der Arbeiten eben von den Regimentsbüchsenmachern bewerkstelligt wurde, welche dazu wahrscheinlich von der Industrie beschaffte Einzelteile wie Sicherungsflügel, Hahn, Pistonsockel etc. zur Verfügung gestellt bekamen.

Hauptmerkmal der perkussionierten Sachsenpistolen ist der auffällige Sicherungsflügel über dem Piston, welcher sich auf der noch vorhandenen, ehemaligen Batteriefeder abstützt. In die Sicherungsposition geklappt, überspannt der Bügel das Piston mit dem aufgesetzten Zündhütchen und dient gleichzeitig dem Hahn als Lager.

Diese Konstruktion wurde darüber hinaus an allen vorhandenen sächsischen Kavallerie-Feuerwaffen angebracht und dürfte letztendlich preußische Konstrukteure bewogen haben, für ihr viel später entstandenes Pistolenmodell M 1850 und die preußischen Perkussionswaffen der Kavallerie ebenfalls eine solche Sicherung vorzusehen.

Neufertigung aus Belgien

Neben den aptierten Pistolen M 1812/38UM sind aber auch Stücke in privaten, wie öffentlichen Sammlungen bekannt, die keinerlei Aptierungsmerkmale zeigen, dafür aber die Herstellersignatur eines Lütticher Waffenfabrikanten auf dem Schlossblech eingeschlagen haben. Hierbei handelt es sich um die nahezu typgleiche sächsische Kavalleriepistole M 1847, die bei der Firma P.J.Malherbe & Cie in Lüttich gefertigt worden sind.

Malherbe in Lüttich hatte 1848 einen Auftrag aus Dresden zur Lieferung von 240 neugefertigten Pistolen nach dem Muster 1812/38UM erhalten, von denen bis Juli 1849 150 Stück geliefert waren, die ausstehende Restlieferung wurde von Dresden reklamiert. Wann und ob sie ausgeliefert wurde, ist nicht nachweisbar.

Diese Lütticher Pistole diente vor allem als Ersatz für im Laufe der Jahre verschlissene Pistolen M 1812/38UM. Sie unterscheidet sich von der perkussionierten Version in einigen Details:

- der Kopf der Kreuzschraube ist nun erhaben und kantig, nicht gewölbt und versenkt

- der Hahnsporn ist oben abgerundet

- der Griff der Pistonsicherung ist abgerundet

- die Befestigungsschraube am hinteren Teil des Abzugsbügels ist entfallen

- die Stiftbefestigung des Abzugs im Schaft ist ebenfalls entfallen.


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