Seitengewehr 71/84


Geschichte


Der neuartige Typ des Seitengewehrs 71784 wurde am 31. Januar 1884 angenommen. 1885 begann die Herstellung, und 1886 erfolgte die Ausgabe an die Truppe. Die Jägerbataillone gaben ihre Hirschfänger ab und erhielten das Seitengewehr 71/84. Nach der Einführung des (neuen) Gewehrs 88 wurde aufgrund des kürzeren Gewehrs 88 - man erachtete die Gesamtlänge Gewehr plus Seitengewehr im Vergleich zum französischen Gegenmodel aus paritätischen Gründen für den Bajonettkampf als zu kurz - das alte Seitengewehr M7/1 wieder eingeführt. Die Seitengewehre 71/84 kamen ins Depot für Ersatzbataillone und Landwehr.

Besonders zu erwähnen ist, dass das Seitengewehr 71/84 die erst preußische Standartbeiwaffe mit innenliegender Spiralhaltefeder (Spiraldrückerfeder) für den Haltestift darstellte. Die Zeit der ausenliegenden, L-förmigen Haltefedern (Drückerfedern) war vorüber. Alle folgenden preußisch-deutsche Seitengewehre wurden von nun an ,mit dem neuen - von der Firma Gebr. Weyerberg, Solingen, patentierten Spiralfedersystem versehen.

Am 6. Januar 1882 erteilte das Kaiserliche Patentamt den Gebr. Weyersberg Rechtsschutz auf ihre Erfindung einer "Feder-Einrichtung an Infanterie-Seitengewehren". Die erläuternde Zeichnung zur Patentschrift No. 18823 zeigt ein Seitengewehr mit aufgenieteten Holzschalen und einer kurzen Parierstange, deren Bohrung nach Art des französischen Chassepot-Yatagans mittels einer Schraube verändert werden kann. In den Figuren 2 und 5 ist die neue Mechanik mit der internen Spiralfeder dargestellt, während in Figur 7 noch die frühere Blattfeder zu sehen ist. Obwohl über die Klingenlänge keine Aussagen vorliegen, darf die dargestellte Seitenwaffe als Vorläufer des Seitengewehrs 71/84 angesehen werden.

Es gab zwei Klingenversionen des Seitengewehrs 71/84: eine mit langen, flachen eckigen, bis zur Klingenschwäche durchgezonen und eine mit kürzeren, flachen eckigen Hohlkehlen.

Weitere Varianten des Seitengewehrs 71/84:

1. Seitengewehr 71784 mit Sägerücken und eckigen, langen, beiderseitigen Hohlkehlen.

2. Seitengewehr 71/84 mit außenliegender L-förmiger Haltefeder und Haltestift.

3. Seitengewehr 71784 mit Parierstück ohne Bohrung für den Lauf. Der Parierstangenring wurde bis über die Hälfte entfernt, so dass eine halbrunde Auflage für den Lauf, in gabelförmigen Parierlappen endend, verblieb, oder der Parierstangenring wurde gänzlich entfernt und flach abgefräst, so dass keine Auflage für den Lauf verblieb. Die abgefräste Fläche kann an den Ecken kantig, abgerundet oder das gesamte Parierstück sogar zu einem Oval (im Querschnitt) gerundet sein. Diese Varianten gibt es mit und ohne Sägerückenklingen.

4. Andere Varianten sind existent, jedoch für den Verfasser nicht verfügbar.

Das Seitengewehr 71/84 wurde in einer Lederscheide mit Stahlbeschlägen geführt. Eine Ausnahme bildete das Seitengewehr 71/84 für die "kaiserliche Schutztruppe": es hatte eine Ganzmetallscheide aus Stahlblech.

Bayern erwarb im August/September 1914 von den Firmen Benny Spiro, Hamburg, und Fechheimer & Co., Nürnberg, größere Mengen Seitengewehre 71/84 mit brünierten Stahlblechscheiden.

Folgende Hersteller sind bekannt:

Alexander Koppel & Co., Solingen

Gewehrfabrik Erfurt, Erfurt

C. G. Haenel, Suhl

E. und F. Hörster & Cie., Solingen

P.D. Lüdeschloß, Solingen

V. C. Schilling, Suhl

Simson & Cie., Suhl

Weyersberg, Kirschbaum & Co Solingen

Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft (OEWG), Steyr

Besondere Merkmale:

Bisher konnten nur Seitengewehre 71/84 Säge mit bayerischen Truppenstempel nachgewiesen werden; neuerdings sind aber auch Sägeseitengewehre mit Truppenstempel von süddeutschen, elsässischen und lothringischen Reserve-Infanterie-Regimentern bekannt geworden.



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