Sharps Rifle Model 1874
"Shoots today and hits tomorrow" (Schieß t heute und trifft morgen)
Geschichte
Zu den Ikonen der amerikanischen Waffengeschichte gehören neben den frühen Modellen von Winchester (wie Henry, Modell 1866, Modell 1873) und dem Colt Single Action Army, die Waffen aus dem Hause Sharps. Speziell dem Modell 1874, eingerichtet für großvolumige und für die Jagd auf alles nordamerikanische Großwild geeignete Patronen, haftet ein besonderes Flair an. Zahlreiche Geschichten, Legenden und gelegentliche Rollen in einschlägigen Filmen haben zu einem Mythos der besonderen Art verholfen. Das Synonym "Buffalo Rifle" deutet auf ein (trauriges) Kapitel der Geschichte von der Eroberung des amerikanischen Kontinents hin, als in der Zeit zwischen 1867 und 1882 die professionellen Büffeljäger die Herden von Millionen von Exemplaren des amerikanischen Bison bis auf einen kläglichen Rest fast ausrotteten.
Im Prinzip bezeichnet "Sharps" eine robuste einschüssige Waffe mit langem und häufig schwerem Lauf in großem Kaliber, ohne viele Schnörkel, ohne unnötigen Luxus. Das Warenzeichen OLD RELIABLE (auf den ab 1876 in Bridgeport hergestellten Waffen) trägt ein Übriges dazu bei, den Nimbus zu festigen. Ähnlich wie man bei Colt vorrangig an das Modell 1873 (Single Action Army) denkt, hat man bei Sharps das Modell 1874 im Sinn.
Zu Beginn der Karriere einer ganzen Reihe von praktischen, langlebigen und vom äußeren Erscheinungsbild ansprechenden Waffen, die sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich erhebliche Popularität genossen, stand die Erfindung eines Christian Sharps (genauso so, mit "s" und ohne Apostroph!). C. Sharps lebte von 1811 bis 1874. Im Arsenal von Harpers Ferry arbeitete und lernte er unter John Hall, einem berühmten Erfinder aus Neu-England. Sein erstes Patent erhielt Sharps 1848 auf einen Fallblockverschluss, dem zu Grunde liegenden Prinzip aller Waffen, die man üblicherweise mit dem Namen Sharps verbindet.
Die beiden ersten Gewehrmodelle 1849 und 1850 werden noch von der Firma A. S. Nippes in Mill Creek, Pennsylvania gefertigt, der Karabiner des Modells 1851 von Robbins & Lawrence in Windsor, Vermont. Es folgt 1852 die Gründung einer Vertriebsfirma in Hartford, Connecticut, die als Sharps Rifle Manufacturing Company den Namen von Christian Sharps trägt und der Sharps als technischer Berater angehört. Für jede hergestellte Waffe erhält er einen Ertragsanteil. Unter dem selben Firmennamen wird die Produktion etwa 1855 ebenfalls nach Hartford verlegt. 1874 erfolgt eine Reorganisation, man firmiert nun unter Sharps Rifle Company. Zwei Jahre später wird die gesamte Fabrik von Hartford nach Bridgeport, Connecticut verlegt, wo man bis zum Ende im Jahre 1881 den Firmensitz beibehält. Doch bis dahin verlässt eine in Quantität, Qualität und Vielfalt eindrucksvolle Produktion die Fertigungsstätten. Schrotgewehre und Militärwaffen (Modell 1853) werden hergestellt, Beecher’s Bibles bzw. John Brown Sharps spielen ihre Rolle in der politischen Diskussion um die Sklavenfrage, auch für das Militär und England wird gefertigt. Mit den New Model 1859, 1863 und 1865 Gewehren und Karabinern wird der schräg nach unten vorne gleitende Verschlussblock durch einen senkrecht absenkbaren ersetzt. Nach dem Bruderkrieg zwischen Nord und Süd werden genau diese Modelle bei der Firma Sharps auf Metallpatronen abgeändert. Ein Modell 1869 und ein im Arsenal von Springfield und bei Sharps aus vorhandenen Bürgerkriegsbeständen abgeändertes Modell mit der Bezeichnung 1870 folgen in kleiner Zahl, bevor mit dem Modell 1874 die schillernde Palette jener legendären Jagd- und Sportwaffen aufgelegt wird, die Sammler und Historiker gleichermaßen beschäftigt. Obwohl bereits im Jahre 1871 erstmalig hergestellt, hat sich die genannte Jahreszahl 1874 eingebürgert für ein Modell, das in seiner Vielfalt von Verwendungszwecken, Kalibern und Ausführungen zehn Jahre lang als die Waffe der Wahl für Jäger auf alles nordamerikanische Wild und Schützen, vor allem über weite Distanzen bis 1300 Yards in Frage kommt. Bei nationalen und internationalen Wettbewerben ist es immer wieder ein Modell, das für Aufsehen sorgt. Für die Wettbewerbe letzterer Art wird noch ein spezielles Modell 1877 entwickelt. Die Gebrüder Frank und George Freund, aus Heidelberg, ihres Zeichens Büchsenmacher, machen durch eigene Modifikationen auf sich aufmerksam. Mit dem Sharps-Borchardt-Gewehr (Modell 1878) kommt das Ende einer Reihe, die in der hektischen Zeit permanenter Neuerungen auf dem Gebiet der Waffen- und Munitionsentwicklung erfolgreich Schritt hielt und dem Käufer Optimales für sein Geld bot.
Der Erfinder selbst hatte ein etwas gestörtes Verhältnis zu den Unternehmen, die seinen Namen trugen. Bereits 1853 trennte er sich davon und paddelte sein eigenes Kanu in Philadelphia, wo er 1854 eine Firma C. Sharps & Co. gründete, um einschüssige Hinterladerpistolen mit Perkussionszündung herzustellen, ab 1859 vierschüssige Pepperboxes. 1862 versuchte C. Sharps es mit einem Partner namens William Hankins. Die zwei produzierten ebenfalls "Pfefferstreuer" und Gewehre und Karabiner mit vertikal verschiebbaren Läufen, letztere fast alle für militärische Zwecke. 1866 trennte man sich. Es gab nun wieder eine C. Sharps Co. und vierläufige Pistolen bis 1874, als Christian Sharps verstarb und seine Firma mit ihm aufhörte zu existieren.
Die Exemplare des Modells 1874 wurden von 1871 bis 1876 von der Sharps Rifle Manufacturing Co. in Hartford hergestellt, danach bis 1881 von der Sharps Rifle Company in Bridgeport. Bezüglich Lauflänge, Kaliber, Schaftform, Finish und Visierung gab es eine bunte Vielfalt von Wahlmöglichkeiten mit einer entsprechenden Anzahl von Varianten. Bestimmte fixe Kombinationen wurden in den Katalogen unter speziellen Bezeichnungen angeboten, bzw. die Sammler einer späteren Generation schufen gängige Bezeichnungen, unter denen Sharps-Waffen heute in Typen eingeteilt werden. So findet man im "Flayderman", der Bibel für Sammler amerikanischer Waffen Unterteilungen in "Sporting (6500), Military Rifle and Carbine (1769 + 456), Hunter's (592), Creedmoor #1-3(149), Mid Range #1-3 (177), Long Range #1-4 (429), Business (1604), Schuetzen (69)" (in Klammern die Stückzahlen, die sich demnach auf 11745 summieren). Weitere 700 Exemplare gehören der sogenannten A-Serie an, die zwischen 1879 und 1882 in bunter Vielfalt aus Perkussionswaffen und übrig gebliebenen Teilen hergestellt und hauptsächlich an zwei bekannte Händler in Denver, Colorado, nämlich J. P. Lower und Carlos Gove geliefert wurden.
Die Popularität des Kalibers .45-75 Sharps hing mit der weiten Verbreitung der militärischen Patrone .45-70 Government zusammen. Sie war fast überall leicht zu erhalten, auf jeden Fall wo Militär in der Nähe war, und wurde angeblich zum Teil kostenlos an Büffeljäger ausgegeben, um die Ausrottung der Büffel und damit die der Indianer zu beschleunigen. Die Beliebtheit der Patrone .45-70 Government bei Sharps-Gewehren hält bis heute an. Ist sie doch Standard bei den heute wieder in zahlreichen Varianten angebotenen Neufertigungen des Modells 1874, das bei den in zunehmender Zahl nach alter Manier stattfindenden Wettbewerben stets zu finden ist.