Preußischer Zündnadelkarabiner M/57

aptiert für Metallpatronen


Geschichte


Als die preußischen Truppen 1870 in den Krieg gegen Frankreich zogen, waren sie mit veralteten Zündnadelgewehren des Systems Dreyse bewaffnet, welches seit der Einführung 1841 nicht verändert worden war. Auch die Aptierung nach dem Beckschen System welche eine Verbesserung des Verschlusses und der Munition beinhaltete war, da nur wenige Gewehre bei Ausbruch des Krieges geändert waren auf die Zeit nach dem Krieg verschoben worden. So zogen die preußischen Truppen mit Zündnadelwaffen in den Krieg, welche nicht mehr dem neuesten technischen Stand entsprachen und so die preußischen Infanterie gegenüber den zum überwiegenden Teil mit weittragenden und schneller schießenden kleinkalibrigen Chassepot-Gewehren ausgerüsteten Franzosen in erhebliche Nachteile brachte. Was dann auch zu entsprechenden Verlusten führten. Es hieß damals, 300 Chassepot-Gewehre seien im Gefecht ebenso viel wert wie 500 Dreyse-Gewehre. Einzig das 1869 in Bayern eingeführte kleinkalibrige Werder-Gewehr mit Metallpatrone war hinsichtlich seiner Leistung dem Chassepot-Gewehr ebenbürtig. Leider waren aber nur vier Jägerbataillone versuchsweise damit ausgerüstet. Dass die deutschen Staaten trotzdem den Krieg gewannen ist daher umso bemerkenswerter.

Auch die Altmeister der Waffenkunde Wilhelm von Plönnies und Herrmann Weygand hatten in ihrer Publikation von 1872 „Die Deutsche Gewehrfrage“ die veraltete Bewaffnung der Preußen kritisiert:

„Der Dreyse´sche Mechanismus, welcher noch vor wenigen Jahren den Eindruck kunstvoller Einfachheit machen konnte, ist durch die daraus entsprungenen neuesten Konstruktionen der anderen europäischen Modelle jetzt in so eminentem Grade übertroffen, dass er in mechanischer Hinsicht beinahe als unbehilflich und jedenfalls als vollkommen veraltet erscheinen muss. Denn dieser Apparat braucht in der Tat sechs Griffe, um die mehrerwähnten vier Funktionen zu vollziehen, und hierbei kommt noch in Betracht, dass von diesen Griffen drei mit bedeutenden Kraftanstrengungen verbunden sind, und dass trotzdem durch die ganze Arbeit von jenen vier Funktionen eigentlich nur zwei (nämlich das Öffnen des Verschlusses und das Spannen der Nadel) in befriedigender Weise erledigt werden. Das Schließen findet bekanntlich nur in ziemlich einseitiger und unvollkommener Weise statt, und von einem Auswerfen der Patronenreste durch den Mechanismus ist gar keine Rede, sodass in diesem Punkte durch Pusten, Fingern, Spucken usw. nachgeholfen werden muss.

Welcher Kontrast z.B. zu dem Werdergewehr, welches so zu sagen mit anderthalb Griffen jene vier Funktionen wirklich besorgt. Durch die Umänderung nach Beck werden wenigstens die zwei anstrengendsten Griffe und Mängel des undichten Verschlusses beseitigt doch steht das „aptirte“ Gewehr noch nicht wieder ganz auf der Höhe der zeitgemäßen Mechanik, wenn auch natürlich unter günstigen Umständen, durch eingeübte Schützen ein sehr rasches Schnellfeuer vor der Scheibe mit diesen umgeänderten Gewehren zu Stande gebracht werden kann.“

Versuche zur Verbesserung der Zündnadelgewehre

In Preußen war nach Einführung des Chassepot-Gewehrs 1866 dessen Vorteile gegenüber dem Dreyse-Gewehr nicht verborgen geblieben, man verhielt sich aber zunächst abwartend. Man entschloss sich dann zunächst die vorhandenen Zündnadelgewehre und die Munition zu verbessern, bevor man ein neues kleinkalibriges Gewehr mit Metallpatronen in Angriff nehmen wollte. Hierzu wurden in den Jahren 1867 – 1869 umfangreiche Versuche bei der Militär-Schießschule in Spandau durchgeführt. Hier wurden neben den Verbesserungsvorschlägen des Betriebsinspektors Redlich von der Zündspiegelfabrik Spandau und des Kommissars Beck von der Gewehrfabrik Spandau, auch die Hinterlader-Systeme anderer Staaten sowohl mit Papier- als auch Metallpatronen geprüft. Als Ergebnis wurde der Vorschlag von Beck mit der besseren Abdichtung des Zündnadel-Verschlusses und eine neuen Patrone mit erleichtertem Langblei angenommen. Bei all diesen Versuchen wurde keine Waffe aus der Dreyse-Entwicklungsabteilung mit einbezogen, obwohl entsprechende Vorschläge zur Abänderung der Zündnadelgewehre auf Metallpatronen vorlagen.

Franz von Dreyses Vorschläge zur Änderung der Zündnadelwaffen auf Metallpatronen oder Papierhülsen mit Metallboden

Als Nikolaus von Dreyse am 9. Dezember 1867 in Sömmerda starb, ging die Firma an seinen Sohn Franz von Dreyse (1822–1894), welcher schon vor dem Tode seines Vaters den technischen Betrieb geleitet hatte über. Er war schon bisher als Konstrukteur und Erfinder tätig und besaß einen selbständigen Betrieb. Seine Jagdwaffen zeichneten sich durch die leichte Handhabung aus. Franz setzte das unternehmerische und erfinderische Werk seines Vaters zunächst erfolgreich fort. Er beschäftigte sich selbstverständlich auch mit der Umänderung der Zündnadelwaffen auf Metallpatronen bzw. Papierpatronen mit Metallboden. So befinden sich laut Rolf Wirtgen (Das Zündnadelgewehr) in den Beständen des Militärhistorischen Museums Dresden und im Deutschen Historischen Museum (Zeughaus) in Berlin folgende auf Metallpatronen bzw. Papierpatronen mit Metallboden geänderte Zündnadelgewehre:

Zündnadelgewehr M/62 (MHM Dresden Ba-765) mit Verschlusskopf mit Auszieherkralle und Auswerfer.

Zündnadelgewehr M/62 (MHM Dresden Ba-3224) Zylinderverschluss mit Schlagbolzen und Patronenauszieher, aber ohne Auswerfer.

Zwei Zündnadelgewehre M/41 (MHM Dresden Ba-284, Ba-82) mit langer Zündnadel, Verschlusskopf mit Auszieherkralle und Auswerfer. Beide Waffen sind mit der Beschriftung „F, v, Dreyse umgeändert 1869“ versehen.

Zündnadelgewehr M/41 (Zeughaus Berlin Inv.-Nr, W 59821) mit Verschlusskopf mit Auszieherkralle und Auswerfer.

Die oben angeführten Gewehre wurden mit Auszieher, mit oder ohne mit Auswerfer, teils mit Nadel- oder Schlagbolzenzündung versehen.

Zündnadelkarabiner M/57 auf Metallpatrone oder Papierpatrone mit Metallboden geändert.

Dass auch an eine Veränderung der Kavalleriewaffen gedacht wurde, zeigt der hier vorgestellte, für Metallpatronen oder Papierpatronen mit Metallboden abgeänderte Zündnadelkarabiner M/57. Bei diesem wurde am Verschluss die Luft- bzw. Kompressionskammer ausgebuchst und mit einer Auszieherkralle versehen. Auf eine Auswerfer wurde verzichtet. Das Patronenlager wurde oben soweit ausgefräst, dass die die Patrone nach dem Abfeuern leicht mit dem Auszieher entfernt werden konnte. Die Zündnadel wurde doch einen Schlagbolzen für Zentralfeuer ersetzt. Diese Abänderung entspricht genau dem abgeänderten Zündnadelgewehr M/62 (Ba-3224) aus dem Bestand des Militärhistorischen Museums Dresden.



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