Preußischer Zündnadelkarabiner M/57

aptiert für Metallpatronen


Munition


Munition:

Nun erhebt sich die Frage, welche Art von Munition wurde wohl für die Versuchswaffen verwendet. Laut Wirtgen, konnte nicht geklärt werden, ob es sich bei der Patrone für die Versuchswaffen um eine mit vollständiger Metallhülse oder nur um eine Papierhülse, welche mit einem Metallboden kombiniert wurde handelte. Da bei einigen die Zündnadel beibehalten wurde, bei anderen diese durch einen Schlagbolzen ersetzt wurde, dürfte es sich wohl zumindest um zwei verschiedene Modelle gehandelt haben.

Wenn man das Rätsel der Dreyse´schen Patronen lösen will, muss man sich mit den Aktivitäten Dreyses im Bereich der Jagdwaffen beschäftigen, den hier waren die Innovationen schneller umsetzbar als im militärischen Bereich. So hatte Franz von Dreyse schon im Jahre 1856 ein doppelläufiges Zündnadeljagdgewehr konstruiert, welches unter dem Namen „Selbstspannendes Zündnadelgewehr mit seitwärts beweglichen Läufen“, als Doppelbüchse, Doppelflinte oder Büchsflinte vermarktet wurde. Das anfänglich für Papierpatronen konzipierte Gewehr hatte natürlich die für Zündnadelgewehre bekannten Nachteile.

Erstens war konstruktionsbedingt ein gasdichter Abschluss nicht zu erreichen und ein Eindringen der Pulvergase in die inneren Schlossteile und eine dadurch hervorgerufene Verschmutzung derselben, unvermeidlich. Zweiten verlangsamte der lange Weg der Zündnadel durch die Pulverladung die Zündung erheblich und führte zu häufigen Nadelbrüchen. Außerdem kam das 1832 in Frankreich erfundene Lefaucheux-Gewehr Mitte der 1850ger Jahre auch in Deutschland auf den Markt und erfreute sich wegen seiner im Gegensatz zum Dreyse-Gewehr einfacheren Handhabung und Munition in Jägerkreisen großer Beliebtheit.

Als Antwort auf die Konkurrenz versah Dreyse seine Papierpatrone mit einem Messingboden (Schlussspiegel) und verlegte die Zündpille vom Treibspiegel in den Metallboden um den langen Nadelweg zu verkürzen. Auch wurde das Patronenlager so verändert, dass der Schlussspiegel, welcher durch den starken Druck des Exzenterverschlusses fest in die betreffende Laufeinfräsung eingepresst wurde eine optimale Abdichtung der Patrone gewährleistete. Die entsprechende, patentierte (DRP 33275) Patrone wird in der Literatur wie folgt beschrieben:

„Die Hüls ist am unteren Ende mit einem Schlussspiegel verbunden, in welchem zugleich der Zünder eingeleimt ist. Die Entzündung erfolgt also am Boden der Patrone, die Nadel braucht nur um 10 mm aus dem Nadelrohr vorzuschnellen. Das auf die Messingkappe geklebte Guttaperchablättchen welches von der Nadel durchstoßen wird, soll sich kragenförmig um dieselbe anklemmen und das Eindringen von Rückstand im Nadelrohr hindern.“

Zur Entfernung des Schlussspiegels der Abgeschossenen Patrone aus dem Lauf wurde anfangs ein besonderes, bohrerartiges oder hakenförmiges Instrument benutzt. Diese Manipulation verlangsamte natürlich erheblich das Laden. Daher wurden im Jahre 1865 von Franz v. Dreyse eine aus zwei federnden Häkchen bestehende Ausziehvorrichtung, von denen eines den vorstehenden Rand des Schlussspiegel oben, das andere unten erfasst entwickel und zum Nachrüsten angeboten.

Diese Patronen wurden jedoch immer noch mit der Nadel gezündet, deshalb verlegte Dreyse die Zündnadel in den Patronenboden und tauschte die Zündnadeln der Gewehre durch Schlagbolzen aus. Bei der patentierten Zündvorrichtung (DRP 46700) von Franz v. Dreyse , Nadel-Mittelzünder genannt, befindet sich in dem Schlussspiegel, nun die nach außen durch ein Deckhütchen abgeschlossene Zündervorrichtung, welche aus einer kleinen Nadel oder Stift und dem die Zündpille enthaltendes Hütchen bestand. Die Erfindung wird wie folgt beschrieben:

„Der Zünder besteht aus einem aus Weißblech hergestelltem und an seiner oberen Fläche mit einem weiten Kreutzschnitt versehen Zündhütchen, das die altbewährte Chlorkalipille der Zündnadelpatrone enthält (a). dasselbe wird durch ein über dasselbe hinweg greifendes Deckhütchen von Messingblech geschlossen (b), welches gleichzeitig eine zwischen beiden befindliche, mit ganz kurzer Spitze und einem breiten Kopfe versehenen Nadel (c) so fixiert, dass ihre Spitze ohne Bewegung an der Zündpille anliegt. Um der Nadel eine genau zentrische Lage in dem Hütchen zu geben, ist sie durch ein dünnes Metallplätchen vom Durchmesser des Hütchens hindurchgesteckt. Über beide Zündhütchen greift eine Zünderröhre (d), die durch den Boden der Patronenhülse hindurch, bis in den Pulverraum hineinreicht. Durch den Schlag des Schlagstiftes wird die Nadel in die Pille getrieben und bringt diese zur Entzündung.“

Diese Zündvorrichtung war ursprünglich für die auf Schlagbolzenzündung umgeänderten Zündnadelgewehre konstruiert, ist aber auch auf die neuen Zentralfeuerpatrone anwendbar.

Wie aus dem Vorgetragenen ersichtlich, hatte Franz von Dreyse schon frühzeitig die Papierpatronen der Zündnadeljagdgewehre mit einem Metallboden versehen. Ähnlich könnten auch die Patronen für die Versuche mit Militärgewehr ausgesehen haben, sowohl mit Nadel-als auch mit Schlagbolzen-Zündung. Leider konnten nur zwei Patronen aus dem jagdlichen Bereich gefunden und fotografiert werden, eine mit Kugel- und eine mit Schrot-Ladung. Beide waren am Boden mit “ F v DREYSE 0,70“ gezeichnet. Beide sind für die Nadelzündung eingerichtet.

Eine letzte Frage bleibt noch offen, gab es auch Patronen mit Metallhülsen. Einen Hinweis finden wir in der Veröffentlichung von Plönnies/Weygand, „Die deutsche Gewehrfrage“ auf Seite 224: „Wir würden der Sache gar keine Erwähnung mehr getan haben, wenn uns nicht dieser Tage eine messingene Patronenhülse großen Kalibers in die Hand gefallen wäre, welche zu Versuchen mit umgeänderten preußischen Zündnadelgewehren bestimmt schien. Bei dem Geheimnis, welches noch immer alle preußischen Versuche mit Handfeuerwaffen umgibt, enthalten wir uns jeder Vermutung über den Stand der Sache und der deutschen Gewehrfrage in Preußen überhaupt.“

Durch einen Zufall gelang es tatsächlich bei einem Patronensammler aus Süddeutschland eine passende Patrone zu finden. Es handelt sich um eine Patrone, welche mit einen Messingboden mit Zentralzündung und dünnem Messingmantel versehen ist. Das Geschoss in der Form des preußischen Langbleis (Durchmesser ca. 15 mm) ist zusammen mit dem Treibspiegel in Papier eingepackt und oben wie üblich abgebunden. Das Ganze ist in die mit Pulver gefüllte Hülse gepresst, welche noch zu Schutz mit blauem Papier umwickelt ist. Die Patrone ließ sich ohne Probleme in das Patronenlager des oben beschriebenen Zündnadelkarabiners M/57 schieben. Da die Patrone genau in das Patronenlager passt und sich auch ausziehen lässt, kann man wohl davon ausgehen, dass sie für die Versuchswaffen mit Schlagbolzen konzipiert wurde.

Warum man in Preußen die Dreyse´schen Vorschläge zur Verbesserung der vorhandenen Zündnadelwaffen bei den Tests in der Militär-Schießschule in Spandau nicht berücksichtigte ist bis heute nicht endgültig geklärt. Zumal die hier beschriebene Lösung mit der Metallpatrone im Vergleich mit der Aptierung nach Beck wohl die bessere Lösung gewesen währe.

Herrn Antonius Rauch gestattete mir freundlichst die in seiner Sammlung befindliche Patrone nicht nur zu fotografieren, sondern diese auch versuchsweise in meinen Karabiner zu laden. Ihm sei hiermit nochmals herzlichst gedankt.


Patronen

Kammerreiniger u. Schraubenzieher
Metallpatrone für Zentralfeuer vor dem Patronenlager und eingeführt.

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