Deutsches Reich: Das Infanterie-Seitengewehr M / 71

Geschichte

Nach umfangreichen Versuchen wurde am 22. März 1872 das Gewehr M 1871 eingeführt und damit gleichzeitig auch eine einheitliche Bewaffnung des Reichsheeres geschaffen. Zum Gewehr wurde gleichzeitig ein aufpflanzbares „Infanterie-Seitengewehr M 1871“ ausgegeben, eine Waffe, welche nun die Einheitsblankwaffe des Infanteristen war.
Das Gefäß des Seitengewehrs M/71 basiert auf den Gefäßformen des Füsilier-Seitengewehrs M/60. Die äußere Griffseite hat 17 diagonale Rillen (Rippen), die innere Seite ist glatt. Der Drücker sitzt innen, die Haltefeder (Drückerfeder) außen, gehalten durch eine Haltefederschraube (eine Rundkopfschraube). In der eisernen Parierstange ist hinter dem Kreuzstück eine Bohrung von 17,4 mm Durchmesser ausgespart. Schneide und Rücken der der schmalen Klinge verlaufen annähernd parallel bis fast zu dem in der Mittellinie liegenden Ort. Beidseitig eingeschliffene Hohlkehlen erleichtern das Gewicht. Die Scheide besteht aus schwarzem Leder, welches mit zwei Messinggarnituren montiert ist. Am Mundblech befindet sich ein Tragehaken (bei bayerischen eine Trageöse).
F.W. Deiß schreibt über das Seitengewehr M/71 in seinem Artikel „Preußens Blankwaffen der letzten 100 Jahre“: Mit Einführung des Infanteriegewehrs M /71 erhielt die gesamte Infanterie das Seitengewehr 71. Es ist im Großen und Ganzen dem erstbeschriebenen (Füsilier-Seitengewehr M 1860) sehr ähnlich. Am Griff liegt der Druckknopf der Aufpflanzvorrichtung entgegengesetzt, mit ihm auch die Feder, also letztere auf der Vorderseite des Griffes, was eine bequeme Handhabung des Abpflanzen der Waffe zur Folge hatte. Die Klinge ist flach, ohne Steckrücken, mit beiderseitiger Rinne und eckigem Rücken, nur am unteren Teil zweischneidig. An einem Teil der Klingen, 6% für die Kompanien, ist der Rücken mit einer doppelten Zahnreihe als Säge gestaltet. Dies tritt mit M/71 zum ersten Male für die Infanterie auf, man hatte es bisher nur an den Pionier-Faschinenmessern, und es bleibt nun an allen weiteren Mustern. Die Scheide hatte Mundblech und Ortband wie beim Füsilier-Seitengewehr M/60, nur an ersterem einen länglichen Haken zum Befestigen in der Seitengewehrtasche, die nun ein Loch, nicht mehr einen Ausschnitt erhält. In den 80er Jahren wurde ein Teil der Seitengewehrscheiden, wie bei früheren Mustern, mit über Mundblech und Ortband gehenden Leder hergestellt, aber schon bei dem nächsten Muster wurde dieses Verfahren wieder eingestellt.
Vereinzelt auftretende Scheiden mit Eisenbeschlägen sin Ersatzfertigungen des Weltkrieges, als die Landwehr mit dem Gewehr 88 das Seitengewehr führte.
Folgende Varianten des M/71 sind bekannt:
1. Das Standard Infanterie-Seitengewehr M/71 mit leicht divergierenden Griffkopfformen , Klingenlängen und -breiten.
2. Das Infanterie-Seitengewehr M771 mit Sägerückenklinge (6 % reichseinheitlich). Die Anzahl der Doppelzähne ist unterschiedlich, meist 22.
3. Das umgeänderte M/71 für M/98 mit neuem M/98-Gefäß und Feuerschutzblech für Karabiner 98.
4. Das umgeänderte M/71 für M/98 mit neuem M/98-Gefäß und Ganzmetallscheide aus Stahlblech.
Das umgeänderte M/71 war nur aufpflanzbar auf den Karabiner 98, da keine Bohrung für den Stock vorhanden war.
Das Seitengewehr M/71 wurde durch das Seitengewehr M 71/84 abgelöst. Bei der Garde verblieb – aus optischen Gründen – das M/71. Während des Ersten Weltkriegs wurde es noch vom Landsturm und in den Rekrutendepots verwendet.

Das Königlich Bayerische Kriegsministerium genehmigte am 21. April 1879 die Beschaffung von Seitengewehren M/71 mit Säge. Die Lieferung erfolgte durch die Firmen Alexander Coppel & Co. und Gebr. Weyersberg in Solingen. Die Änderung der preußischen M/71 in M 71/98 erfolgte Anfang 1914 bei der Firma Simson & Co., in Suhl. Das Seitengewehr 71 wurde auch zum Gewehr 88 geführt. Bayern behielt zum Gewehr 88 das Seitengewehr 71/84.

Folgende Hersteller sind bekannt:

J.E. Bleckmann & Co, Solingen

Clemen & Jung, Solingen

Alexander Koppel & Co., Solingen

Coulaux & Co., Klingenthal

Gewehrfabrik Erfurt, Erfurt

Gewehrfabrik Amberg, Amberg

E. und F. Hörster & Cie., Solingen

Carl Kaiser, Solingen

W.R. Kirschbaum & Co Solingen

P.D. Lüdeschloß, Solingen

Gebr. Simson, Suhl

Weyersberg, Kirschbaum & Co Solingen

Gebr. Weyersberg, Solingen

Weyersberg & Stamm, Solingen

Ernst Wilhelm, Suhl

Bildergalerie

Technische Daten und Maße

Abmessungen und Daten :

Gesamtlänge: 599 mm ohne Scheide, 630 mm mit Scheide

Gewicht: 697 g ohne Scheide, 884 g mit Scheide

Mündungsring: 17,4 mm Durchmesser

Klingenlänge: 468 mm

Klingenbreite: 27 bis 28 mm

Scheidenlänge: 503 mm

Scheidenbreite: 37 mm

Gewicht der Scheide: 188 g

Beschreibung

Messinggriff, außen gerippt, 17 außenseitige diagonale Griffrippen, ausgeprägter Griffknopf, kastenförmige Aufpflanzvorrichtung mit L-förmig außenliegendem Haltestift.

Einschneidige, gerade Stahl-Klinge mit beiderseitigen Hohlkehlen, Klingenschwäche zweischneidig, Mittelspitze.

Scheide aus schwarzem Leder mit Mund- und Ortblech aus Messing, Tragehaken am Mundblech, bei einigen Anfangsmodellen verdeckter, später sichtbarer Beschlag.

Stempel und Signaturen

Truppenstempel auf der Parierstange :

120. R. E. 2. 249 = Ersatz-Bataillon Infanterie-Regiment 120. 2. Kompanie, Waffe Nr. 249

Truppenstempel auf der Scheide :

120. R. E. 2. 249 = Ersatz-Bataillon Infanterie-Regiment 120. 2. Kompanie, Waffe Nr. 249

Auf der Klinge :

E. WILHELM SUHL = Hersteller Ernst Wilhelm in Suhl

Auf dem Klingenrücken :

W 75 = Abnahmejahr, undeutlicher Buchstabe unter Krone = Abnahmestempel

Literatur