Geschichte
Auf Grund einer Verfügung des Kriegsministeriums von 1. August 1840 wurden sämtliche Feldwebel der Linien-Infanterieregimenter mit Schützengewehren ausgerüstet, die im Gegensatz zu den bei den Mannschaften eingeführten Schützengewehren etwas kürzer waren und nur einen einfachen, mittleren Laufring aus Eisen hatten1. Wie aus dem Jahresstempel m“1838“ und den Kontrollstempeln hervorgeht, wurde die Waffe in St. Blasien offensichtlich schon vor der offiziellen Verfügung zur Einführung und damit auch noch kurz vor der generellen Anordnung zur Perkussionierung der Feuerwaffen (Dezember 1840) als Steinschlossgewehr gefertigt. Sie diente offensichtlich – die staatlichen Abnahmemarken an allen Beschlagteilen weisen deutlich darauf hin – als Musterwaffe entweder im Bereich der Zeughausdirektion oder für einen Regimentsbüchsenmacher. Auch nach der Aptierung blieb dieser Verwendungszweck erhalten, wie der staatliche Abnahmestempel an der Innenseite des Perkussionshahns beweist.
Da durch die Perkussionierung der Handfeuerwaffen das für die Entzündung der Pulverladung auf der Pfanne erforderliche Pulver entbehrlich geworden war, mussten sich notwendigerweise auch diem zum Schuss verwendeten Pulverladungen verändern: Hätte man die bisher gefertigten, für die Steinschlosswaffen vorgesehenen Pulverladungen, bei denen immer der zur Beschickung der Pfanne erforderliche Pulveranteil integriert war, unverändert aus einer Perkussionswaffe verschossen, so wäre der entstehende Rückstoß bei kaum gesteigerter Reichweite ins Unerträgliche gestiegen. Der Grund für die trotz erhöhter Ladung nahezu gleichbleibende Reichweite lag in dem mit vermehrter Mündungsgeschwindigkeit zunehmenden Luftwiderstand, dem das runde und großkalibrige Projektil in gesteigertem Maße ausgesetzt war.
Das Kriegsministerium setzte daher mit Erlass vom 3. August 18432 eine Kommission mit dem Auftrag ein, „durch Versuche die angemessensten Pulverladungen für die Kugelpatronen der pistonirten Handfeuerwaffen der Infanterien und Reiterei und Zielhöhen für die bei der Anwendung dieser Feuerwaffen gebräuchlichsten Entfernungen sowie auch die gebräuchlichsten Pulverladungen für die Exerzierpatronen zu ermitteln.
Die Resultate dieser Versuche veranlassten das Kriegsministerium auf Antrag der Versuchskommission, per Erlass vom 10. April 1844 bezüglich der Infanteriegewehre zu verfügen: „Das Infanteriegewehr erhält auf der Schwanzschraube ein Visier, dessen obere Kante 9,5mm über der Fläche der Schwanzschraube steht, und es sollen hiernach die bisherigen Visiere [wie sie bei der Perkussionierung auf Vorschlag von Ferdinand Wolff angebracht worden waren] sofort abgeändert werden. Die Kugelpatronen des Infanteriegewehres sollen 0,58 Loth Musketenpulver enthalten.
Diese Ladung verhalf dem Infanteriegewehr zu einer Reichweite von 300 m und einer Mündungsgeschwindigkeit von 488m/s, wobei der beim Schuss auftretende Rückstoß so war, dass „ohne eine für den Schießenden entstehende besondere Belästigung lange ausdauernd gefeuert werden konnte“.

Technische Daten und Maße
Abmessungen und Daten :
Gesamtlänge: 1275 mm
Lauflänge: 885 mm
Kaliber des glatten Laufes: 17,6 mm
Schlosslänge: 162 mm
Gewicht: 3872 g
Beschreibung
Nussbaum-Vollschaft mit Wangenausschnitt an der linken Kolbenseite. Zur Perkussionszündung umgebautes, ehemaliges Steinschloss mit entsprechendem Perkussionshahn, Nuss mit Ruhrastkerbe: 9,5mm hohe Standkimme auf dem Schwanzschraubenblatt, Eisenkorn auf dem Lauf zwischen den Bünden des ersten Laufrings. Kolbenkappe und Mittelring aus Eisen, Schlossgegenblech, Abzugsbügel, erster und dritter Laufring aus Messing. Abzugsbügel im hinteren Teil eingehakt, im vorderen Teil verschraubt; an ihm sitzt die von innen versplintete, hintere Riemenöse. Abzug mit neuer Stifteinrichtung und doppelt verschraubtem Verstärkungsblech. Konischer, eiserner Ladestock mit Gewinde zum Aufschrauben eines Krätzers. Bajonettwarze an der Laufunterseite, 27 mm hinter der Mündung.
Stempel und Signaturen
Landeswappen unter Krone = staatliche Abnahmemarke auf den Beschlagteilen, dem Pistonsockel, dem Schlossgegenblech, dem Abzugsbügel, auf dem Lauf und auf der Innenseite des Perkussionshahns.
„R“ unter Krone (Abnahme) auf dem Lauf rechts neben dem Landeswappen unter Krone.
„ZD“ im Oval = Übernahmestempel der Zeughaus-Direktion und „1838“ = Fertigungsjahr an der rechten Kolbenseite;
„M“ unter Stern im wappenförmigen Schild = Kontrollstempel (2. Kontrolleur Jean Marquinet) auf dem Unterbügel und dem eisernen 2. Laufring,
„S“ unter Stern im wappenförmigen Schild = Kontrollstempel (2. Kontrolleur Andreas Schmidt) auf dem, Schlossblech und der Kolbenkappe;
Hersteller: Gewehrfabrik St. Blasien, Umbau auf das Perkussionssystem sowie nachfolgende Änderung des Standvisiers in den Zeughauswerkstätten in Karlsruhe.
Literatur
- Vollmer, Udo ; Deutsche Militär-Handfeuerwaffen, Heft 7 Baden, Hohenzoller, Liechtenstein, Altshausen, 2005
- Vollmer, Udo : Die Bewaffnung der Armeen des Königreichs Württemberg und des Großherzogtums Baden, Schwäbisch Hall, 1981
- Lander, Udo; Die Handfeuerwaffen der badischen Armee von 1738 bis 1873, Zweibrücken, 2014
- Udo Lander, Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums im Schloß Rastatt, 2 Handfeuerwaffen, Teil III Baden (bis 1870), Freiburg im Breisgau, 1987