Baden: Selbstspanendes Zündnadelgewehr-System Dreyse für den Badischen Zoll.

Geschichte

Die Doppelflinten blieben bis zum Jahre 1876 ohne Änderungen beim Zoll im Einsatz.  In dem Uniformreglement der Badischen Zollwache von 1876 wird dann ein Hinterlader-Gewehr erwähnt: „Ein von Dreysesches Hinterladungsgewehr mit Haubajonett als Seitengewehr, schwarz gefärbter Kuppel mit gelbem Schloss, verschiebbarem Köcher und an der Kuppel verschiebbare Patronentasche. „ Das deckt sich auch mit einem Bericht der badischen Stände-Versammlung über die in der Budgetperiode 1876/77 durchgeführte Bewaffnung der Grenzaufsichtsmannschaft mit neuen Gewehren.

Im Gegensatz zu der Gendarmerie, welche im Jahre 1873 ein Gendarmerie-Zündnadelgewehr mit dem üblichen Zündnadelschloss einführte, entschied man sich beim Zoll- und Grenzschutz für ein neues von Franz von Dreyse entwickeltes  Zündnadelgewehr mit selbstspanendem Verschluss.  

Nach dem Tode von Nicolaus von Dreyse im Dezember 1867 übernahm sein 1822 geborener Sohn Franz die Firma seines Vaters. Als ebenfalls begabter Waffentechniker versuchte er den Zylinderverschluss des Zündnadelgewehrs zu verbessern. Das Ziel war die Verminderung der Ladegriffe auf zwei, außer dem des Einlegens der Patrone. Es war nur zu erreichen, wenn entweder mit dem Öffnen des Verschlusses oder mit dessen Schließung gleichzeitig das Spannen des Schlosses bewirkt wurde. Die gelang Franz von Dreyse so um das Jahr 1870 in einer genial einfachen Weise. Es entstand so der erste selbstspannende Zylinderverschluss eines Dreyseschen Zündnadelgewehrs. Der Verschluss arbeitet als sogenannter Öffnungsspanner mittels schräger Flächen. Diese Flächen, die das Schlösschen spannen, befinden sich bei der Deyse-Konstruktion – von außen nicht sichtbar – im Verschlusszylinder unmittelbar hinter dem Verschlusskopf. Mit der Daumenplatte des Schlösschens kann die Waffe im geladenen und gesicherten Zustand wieder entspannt werden. Da die Nadel beim Abfeuern nur ca. 10 mm über den Verschlussknopf hinausragt, hatte Dreyse auch an der Lage der Zündpille innerhalb der Patrone Änderungen vorgenommen.

Franz von Dreyse hat sich dann diesen auf Zentralfeuer abgeänderten Verschluss in Verbindung mit einem Rotationsstück im Lauf für ein Infanteriegewehr ähnlich dem M/71 unter DRP 1916 vom 10. Juli 1877 patentieren lassen.

 

Während die badische Gendarmerie in ihrem Gendarmerie-Zündnadelgewehr die normale Zündnadel-Karabinerpatrone verschoss, wurde für das neue Zoll- Hinterlader-Gewehr eine andere Patrone benötigt, bei welcher die Lage der Zündpille verändert wurde. Da sich diese rein äußerlich kaum von der üblichen Zündnadel-Papierpatrone unterschied, wurde bisher noch kein Exemplar gefunden.

Bei der Einführung  im Jahre 1877 waren 469 Grenzaufseher  in badischen Diensten, wenn man noch die 170 Steueraufseher dazurechnet, dürften wohl keine 1000 Gewehre gefertigt worden sein. Die bekannten Seriennummern liegen zwischen 13301 und 14509. Da die Seriennummern bei Dreyse fortgeschrieben wurden, liegen dazwischen auch andere Waffen, sodass man eine gefertigte Stückzahl der Dreyse-Selbstspanner nur bedingt abschätzen kann.  

Die von den badischen Grenzaufsehern zu Fuß geführten Gewehre sind in der Regel mit dem Stempel „B. Z.“ und einer Nummer gezeichnet, was auf die Verwendung beim badischen Zoll hinweist. Zu der Waffe gehört ein dem Füsilierseitengewehr M/60 ähnliches aufpflanzbares Seitengewehr, welches ebenfalls  mit „B. Z.“ gestempelt ist. Mit Einführung der neuen Gewehre und des „Haubajonetts“ wurden die bisher als Seitenwaffe getragenen Säbel abgeschafft.

 

Während die Zündnadelgewehre der Gendarmen im Jahre 1898 gegen einen neuen Karabiner Modell 88 ausgetauscht wurden, waren die Grenzaufseher noch 1910 mit ihren alten Zündnadelgewehren bewaffnet. Zwar wurden die Berittenen zwischenzeitlich mit Revolvern versehen, aber nach der Uniformvorschrift von 1890 war die Bewaffnung der Grenzaufseher zu Fuß immer noch die gleiche.

Berittene Grenzaufseher: Schleppsäbel mit stählernem Handbügel und Scheide, mit schwarzem Lederzeug und unter dem Rock befindlicher Kuppel. Faustriemen von schwarzem Leder und einer geschlossenen seidenen Säbelquaste (gelb mit Füllung in rot).

Kartusche von schwarzem Leder mit den Initialen des Landesherren und Krone aus gelbem Metall von Form und Ausstattung wie bei den berittenen Gendarmen, Badelier von schwarzem Leder mit Schnalle und Beschlag von Messing, im Dienst und als Parade zu tragen,

Revolver, zu Pferd in der linken Packtasche, zu Fuß in einer schwarzen Ledertasche, entweder an der Kuppel oder an einem besonderen Riemen um die Schulter von rechts nach links gehängt, getragen.

Nicht berittene Aufseher wie Grenzaufseher zu Fuß, Hafenaufseher, Schiffsbegleiter, Zuckersteueraufseher und Salzsteueraufseher:

Hinterlader-Gewehr mit Haubajonett, letzteres als Seitengewehr, und Patronentasche an der Kuppel; diese von schwarzem Leder mit Schloss von gelbem Metall mit Krone und Umschrift (Gott mit Uns) über dem Rock (Mantel) zu tragen.

Zur Juppe wird das Seitengewehr im Einschnitt der Juppe getragen; statt der Lederkuppel Gurt unter der Juppe.An dem Haubajonett eine geschlossene Säbelquaste von gelber Wolle mit Füllung in Rot (Landesfarben) an rotgelbem Bande.

Die sonstige Aufsichtsmannschaft trägt nur Kuppel oder Gurt und Seitengewehr mit Säbelquaste. Hilfsaufseher, die zur Lageraufsicht verwendet sind, tragen keine Bewaffnung.

 

Erst 1910 wurde von der Kommission der Zweiten Kammer der Stände-Versammlung des Großherzogtums Baden gefordert, „dass die Bewaffnung der Grenzaufseher, die noch das alte Zündnadelgewehr tragen,“ geändert werden müsse.

 

Bildergalerie

Technische Daten und Maße

Abmessungen und Daten

Gesamtlänge: 1090 mm

Lauflänge: 585 mm

Gewicht: 3062 g (3355 g mit Riemen)

Kaliber: 15,3 mm

Züge: 4, rechts

Visierung: Standvisier mit einer Klappe, Korn auf dem Lauf.

Schloss: Selbstspanendes Zündnadelschloss System Dreyse

Schaft: Nussbaumschaft

Beschreibung

Zylinderverschluß System Dreyse, beim Öffnen selbstspannend; Schlößchen mit Sicherungshebel; Standvisier mit einer Klappe, Korn auf dem Lauf. Lauf mit Haft für ein Seitengewehr und Abstandhalter für den Entladestock; Lauf und System gebräunt. Beschläge aus Eisen. Originaler Gewehrriemen und Mündungsdeckel.

Stempel und Signaturen

Auf der Hülse rechts „F. v. Dreyse Sömmerda(Hersteller),

Truppenstempel „B.Z. 43.“ (für Badischer Zoll) und „Patent“ auf dem Patronenlager.

 „B.Z. 43.“  auf der Kolbenkappe.

Waffennummer „455“ auf dem Patronenlager und „14455“ rechts auf dem Lauf.

 

 

 

Haubajonett der badischen Grenzaufseher zu Fuß.

Das zu diesem Zündnadelgewehr geführte aufpflanzbare Seitengewehr erscheint auf den ersten Blick wie eine Kurzform des preußischen Füsilier-Seitengewehrs M/1860. Bei eingehender Betrachtung fallen aber die Unterschiede ins Auge.

Die Klinge entspricht zwar der des Füsilier-Seitengewehrs, das Haubajonett der Grenzaufseher ist aber ca. 7-9 cm kürzer als die preußische Militärausführung. Das Gefäß besitzt ebenfalls die für das Seitengewehr M/60 typische „Nase“ am Griffkopf, die Feder ist aber nicht wie bei diesem innen, sondern in der Art des Seitengewehrs M/71 außen angebracht.

Gesamtlänge mit Scheide : 570 mm

Gesamtlänge ohne Scheide: 554 mm

Gewicht mit Scheide: 806 g

Gewicht ohne Scheide: 661 g

Klinge: einschneidige, gerade, flache, im Rücken abgerundete Steckrückenklinge mit Schör, Mittelspitze

Klingenlänge: 426 mm

Griff : Messing, Außenseite mit 16 diagonalen Griffrillen, Innenseite glatt, ausgeprägter Griffkopf. Haltefeder an der Außenseite.

Parierstange: Eisen, gerade nach oben und unten abgebogen. Mündungsring mit 21,2 mm Innen-Durchmesser.

Scheide: schwarzes Leder mit Mund- (45 mm) und Ortblech (94 mm) aus Messing, Tragehaken aus Messing am Mundblech, sichtbarer Beschlag.

Hersteller: unbekannt

Stempel und Signaturen:

Truppenstempel „B.Z. 43.“ (nummerngleich mit dem Gewehr) auf der Parierstange und dem Mundblech der Scheide

Einige dieser Haubajonette wurden später durch Ausbuchsen der Parierstangenbohrung von  21,2 mm auf  17,4 mm für das System 71 oder 88 aptiert.

Literatur